Experten der Universität Hohenheim stehen den Forderungen des Volksbegehrens Artenschutz – „Rettet die Bienen” kritisch gegenüber. Wissenschaftler mehrerer Fachgebiete haben vergangene Woche gegenüber der Presse ihre Vorbehalte erläutert.
„Sehr gut gemeint, aber schlecht gemacht”: Wissenschaftler der Universität Hohenheim beklagen am Volksbegehren Artenschutz falsche Prioritäten, Maximalforderungen und fehlenden Dialog.
Professor Johannes Steidle, Fachgebiet Tierökologie an der Universität Hohenheim, kritisierte, dass sich die Forderungen zu sehr auf Pflanzenschutzmittel konzentrierten. Diese seien sicherlich ein Faktor für das Artensterben. Die Datenlage gebe es aber nicht her, Pflanzenschutzmittel „zum Kern des Problems zu erklären”.
Für Steidle wäre etwa ein verpflichtender Grünstreifen am Rand großer Äcker ein erster Schritt, etwas gegen die Strukturarmut der Landschaft zu tun. Ein wichtiger Ansatz ist für den Tierökologen ferner ein anderer Umgang mit dem Grünland. Er plädierte dafür, dieses erheblich seltener zu mähen.
Daneben monierte Steidle das geforderte Pauschalverbot sämtlicher Pflanzenschutzmittel und Biozide in Schutzgebieten. Nach seiner Lesart des Gesetzestextes fielen darunter auch die biologische Schädlingsbekämpfung und andere umweltfreundliche Methoden. Im Nachhinein für jedes einzelne biologische Mittel eine Sondergenehmigung auf den Weg zu bringen, hält der Tierökologe für einen „nicht leistbaren bürokratischen Aufwand”.
Der Biomarkt wächst nicht so schnell
Die Leiterin des Zentrums
Ökologischer Landbau an der Universität Hohenheim, Dr. Sabine Zikeli,
zeigte sich überzeugt, dass die Forderungen, sollten diese eins zu eins
umgesetzt werden, der Branche keinen Gefallen täten. Der Text des
Volksbegehrens suggeriere, dass im Ökolandbau keinerlei
Pflanzenschutzmittel eingesetzt würden.
Im Ackerbaubereich treffe das
weitgehend zu, doch im Obst- und Weinbau könnten weder Pilze noch
Insekten auf mechanische Weise oder über die Fruchtfolge bekämpft
werden. Zudem müssten beim Kartoffelanbau Maßnahmen gegen den
Kartoffelkäfer ergriffen werden. Zwar kämen keine chemisch-synthetischen
Pflanzenschutzmittel zum Einsatz, dafür aber Kupfer, pflanzliche
Präparate oder biologische Mittel. All dies wäre laut den Forderungen
des Volksbegehrens jedoch nicht mehr erlaubt, stellte Zikeli fest.
Als
„unrealistisch” bewertete sie den Plan, die Ökolandwirtschaft bis 2025
auf 25 Prozent und bis 2030 auf 50 Prozent zu erhöhen. Für die
Erzeugnisse müsse schließlich auch ein Markt da sein, gab die
Agrarwissenschaftlerin zu bedenken. Zwar wachse der Biomarkt schnell,
„aber eben nicht so schnell”. Die Konkurrenz unter den Ökolandwirten
würde also erheblich zunehmen, so dass der Ökolandbau an Attraktivität
verlieren würde.
Resistenzprobleme berücksichtigen
Der Dekan der Fakultät Agrarwissenschaft und Direktor
des Instituts für Phytomedizin, Professor Ralf Vögele, zeigte sich
überzeugt, dass der Einsatz chemisch-synthetischer Mittel erheblich
reduziert werden könnte. Dazu müssten intelligente Strategien entwickelt
werden; eine pauschale Verteufelung helfe nicht weiter.
Nicht außer
Acht gelassen werden darf nach Vögeles Worten auch, dass eine Reduktion
der einsetzbaren Pflanzenschutzmittel zu großen Resistenzproblemen
führen könnte. Ein vernünftiges und zukunftsweisendes Management des
Pflanzenschutzmitteleinsatzes wäre zielführender.
Außerdem sieht Vögele
den Wunsch nach einem Verzicht auf Pflanzenschutzmittel „in krassem
Widerspruch” zu dem tatsächlichen Verhalten der Verbraucher. Solange im
Supermarkt ausschließlich optisch makelloses Obst und Gemüse nachgefragt
werde, werde die Verringerung von Pflanzenschutzmitteln nur schwer
gelingen.
Selbst Imker sehen es kritisch
Der Leiter der Landesanstalt für Bienenkunde an der
Universität Hohenheim, Dr. Peter Rosenkranz, wies darauf hin, dass die
Mehrheit der Imkerschaft die Maximalforderungen im Volksbegehren
kritisch sehe. Daher unterstützten derzeit weder der württembergische
noch der badische Imker-Verband, die zusammen rund 25.000 Bienenhalter
verträten, das Volksbegehren.
Zahlreiche Obst- und Weinbauern vor allem
in Naturschutzgebieten der Bodenseeregion hätten inzwischen deutlich
gemacht, dass sie sich durch die Forderungen des Volksbegehrens in ihrer
Existenz bedroht sähen. Indirekt wäre davon auch die Imkerei betroffen,
so Rosenkranz.