Tierhaltung | 12. Februar 2021

Engerlinge im Schwarzwald: Ausblick 2021

Von Dr. Jonas Weber und Matthias Inthachot
Im vergangenen Jahr sind im Südschwarzwald erhebliche Schäden durch Engerlinge im Grünland aufgetreten – über 1000 Hektar waren betroffen. Welche Auswirkungen das auf 2021 hat und welche Maßnahmen ergriffen werden können, ist im folgenden Beitrag beschrieben.
Was aussieht wie Trockenschäden, entpuppt sich bei genauerer Betrachtung als Fraßschaden von Engerlingen des Junikäfers.
Wer im vergangenen Herbst die Hänge im Südschwarzwald betrachtete, konnte den Eindruck gewinnen, dass es sich bei den großen braunen Flecken im Grünland um lokale Trockenschäden handelte. Bei genauem Hinsehen aber war festzustellen, dass sich die Grasnarbe ganz leicht abheben lies. Sie war wie abgeschält, die Wurzeln abgetrennt. Die Grabungen der Landwirte und Berater brachten erhebliche Zahlen an Junikäferengerlingen hervor, die für diesen Schaden verantwortlich waren.
Um zu verstehen, wie der Schaden zustande kommt und wie darauf zu reagieren ist, ist es wichtig, die Biologie des Käfers zu kennen. Die Flugzeit des Käfers ist im Juni – daher sein Name. Er macht sich direkt nach dem Schlüpfen an die Paarung und sucht anschließend nach einem geeigneten Platz, um die Eier abzulegen. Warme Stellen mit wenig Aufwuchs werden bevorzugt. Aus den Eiern schlüpfen noch im Sommer die Larven (L1), die direkt zu fressen beginnen. In diesem Stadium sind die Larven noch klein und der Fraßschaden ist relativ gering.
Schnell erreichen die Engerlinge jedoch das nächste Stadium (L2), in welchem sie überwintern. Wenn die Temperaturen niedrig sind, ziehen sich die Tiere in tiefere Bodenschichten zurück. Im darauffolgenden Frühjahr nimmt die Aktivität der Larven mit steigender Temperatur wieder zu. Es beginnt die Hauptfraßperiode der Engerlinge, zunächst als L2. Im Laufe des Sommers häuten sie sich und erreichen L3: In diesem Stadium sind sie besonders gefräßig und erzeugen in den Sommermonaten  erheblichen Schaden an den Wurzeln der Grünlandvegetation, was dann im Sommer und Herbst, besonders in Kombination mit Trockenheit, zu dem oben beschriebenen Schadbild führt. Bei kühleren Temperaturen im Spätherbst ziehen sie sich wieder in tiefere Bodenschichten zurück. Im darauffolgenden Jahr verpuppen sich die Larven. Aus diesen Puppen schlüpfen im Juni wieder die Käfer und der Zyklus startet erneut.
Was zu tun ist
Nachdem im Jahr 2020 im Südschwarzwald massive Schäden durch die gefräßigen L2-Larven des Käfers aufgetreten sind, ist damit zu rechnen, dass im Juni 2021 aus den verpuppten Larven die Käfer schlüpfen und es zu einem sogenannten Flugjahr kommt. Bereits hier sollte mit den Gegenmaßnahmen begonnen werden. Die Landesanstalten LTZ Augustenberg und LAZBW Aulendorf werden zusammen mit den Beratern und Landwirten während der Flugphase des Käfers vor Ort ein Monitoring durchführen. Ziel ist es zu wissen, wann und wo wie viele Käfer fliegen. Jeder kann Beobachtungen zum Junikäferflug oder Engerlingsfunde melden an pflanzenschutz-insekten@ltz.bwl.de. Mit den erhobenen Daten werden dann Karten über das Auftreten und Flugverhalten erstellt.
Die Käfer suchen sich nach der Paarung einen Platz mit wenig Bewuchs und warmem Boden zur Eiablage. Mitte bis Ende Juni – je nach Witterung und Flugverhalten der Käfer – sollte deshalb der Grünlandbestand hoch aufgewachsen und dicht sein. In tief abgemähte, lückige oder abgeweidete Bestände legt der Käfer seine Eier bevorzugt. Die Bewirtschaftung sollte also gegebenenfalls angepasst werden. Das Monitoring kann helfen,  die Flugzeiten genau zu bestimmen.
Nach dem Flug ist es wichtig zu wissen, wo die Käfer die Eier abgelegt haben, damit die Larven bereits in den frühen Stadien bekämpft werden können, bevor sie das Grünland merklich schädigen. Es ist vorgesehen, dass auf befallenen Flächen Versuche angelegt werden, auf denen verschiedene Methoden der Bekämpfung getestet werden: Vielversprechend sind Produkte auf Basis insektenpathogener Pilze wie Beauveria bassiana oder Metarhizium brunneum sowie Nematoden. Nematoden benötigen keine Zulassung, ihr Einsatz ist daher problemlos möglich. Allerdings stellen sie hohe Ansprüche an die Handhabung und Bodenfeuchtigkeit und müssen zum richtigen Zeitpunkt gegen die jungen Engerlingsstadien im Spätsommer des Flugjahres ausgebracht werden. Die Pilzprodukte haben noch keine Zulassung, deren Einsatz ist nur im Rahmen von Versuchen möglich.
Die Nematoden dringen in die Käferlarven ein und geben ein Bakterium ab, das die Engerlinge tötet. Die Nematoden wiederum ernähren sich von den Bakterien, vermehren sich, verlassen das Wirtstier und können weitere Engerlinge infizieren. Da die Nematoden hohe Ansprüche an Feuchtigkeit aber auch Temperatur stellen und zudem hauptsächlich junge Engerlinge befallen, bietet sich deren Einsatz im August des Flugjahres an. Sie müssen direkt in den Boden eingebracht werden, zum Beispiel mit einem Cultan- oder LIQ-Inject-Gerät.
Die Pilze dringen ebenfalls in die Engerlinge ein und töten diese rasch. Die Ausbringung erfolgt wie bei den Nematoden durch ein Injektionsgerät. Das Aufspritzen unmittelbar vor einem Regen, der die Pilze in den Boden einwäscht, ist ebenfalls möglich. Sollte sich in den Versuchen die Wirksamkeit der Pilzpräparate bestätigen, wären diese im Vergleich zu den Nematoden die praktikablere Lösung, eine Zulassung vorausgesetzt. Sie sind besser zu lagern und einfacher zu handhaben. Pilzpräparate und Nematoden werden 2021 an mehreren Standorten im Südschwarzwald auf Versuchsflächen eingesetzt, um Handlungsempfehlungen für die Praxis abzuleiten. Die Berater vor Ort werden die Versuche durchführen und vom LTZ und dem LAZBW unterstützt.
Grünlanderneuerung
Engerlinge des Junikäfers
Wenn es nicht gelingt, herauszufinden, wo der Junikäfer dieses Jahr seine Eier ablegt, ist davon auszugehen, dass die Larven sich über den Sommer entwickeln und noch keinen sichtbaren Schaden an der Grünlandnarbe hinterlassen. Dieser kommt dann erst im Folgejahr, wenn die Larven älter sind und entsprechend intensiv fressen. Ist die Grasnarbe sehr stark geschädigt und sind die Wurzeln abgefressen, muss das Grünland erneuert werden. Auch mit dem Ziel, die Larvenanzahl möglichst stark zu reduzieren, um möglichst wenige Käfer im Folgejahr zu haben.
Voraussetzung für eine erfolgreiche mechanische Bekämpfung ist eine möglichst hohe Bodentemperatur, da sich die Engerlinge dann im Oberboden befinden. Die mechanische Bearbeitung sollte eine Tiefe von 8 bis 10 cm erreichen. Es sollten Geräte eingesetzt werden, die durch Schlag- und Quetschwirkung die Larven abtöten. Prinzipiell eignen sich Kreiselegge, Kreiselgrubber, Zinkenrotoren, Rototiller und Fräsen, wobei Fräsen auf steilen Flächen die Bodenstruktur negativ beeinflussen, was die Befahrbarkeit im Anschluss an die Maßnahme erschweren oder unmöglich machen kann. Bei der Bearbeitung werden die Larven an die Oberfläche gebracht, wodurch sie zusätzlich Fressfeinden wie zum Beispiel den Krähen ausgesetzt sind. Daher wird empfohlen, die Maßnahme zweimal durchzuführen. Bei der zweiten Überfahrt kann gleichzeitig die Neuansaat erfolgen. Hierbei ist auf geeignetes Saatgut zu achten. Eine detaillierte Beschreibung, wie bei der Neuansaat und der Nachsaat im Zusammenhang mit Engerlingschäden vorzugehen ist und welche rechtlichen Rahmenbedingungen zu beachten sind, kann hier nachgelesen werden.
Zusammenfassung
Um die Larven des Junikäfers erfolgreich zu bekämpfen, ist es wichtig, seine Biologie zu kennen. Es werden Flug- und Fraßjahre unterschieden. Im Flugjahr treten meist noch keine sichtbaren Schäden an den Flächen auf, die jungen Larven sind aber bereits geschlüpft und beginnen zu fressen. Bereits hier ist eine Bekämpfung mit Nematoden möglich. Im zweiten Jahr erzeugen die Larven einen erheblichen Schaden durch den Wurzelfraß, was dazu führt, dass das Grünland erneuert werden muss. Dabei sollen auch möglichst viele Larven bekämpft werden. Dies geschieht durch die mechanische Bearbeitung mit rotierenden Bodenbearbeitungsgeräten. Zudem ist ein genaues Monitoring des Käfers und der Flugzeiten erforderlich, um die befallenen Flächen ermitteln, Auswirkungen auf die Folgejahre einschätzen und Bekämpfungsstrategien entwickeln zu können.