Pflanzenbau | 27. April 2017

„Zwetschgen und Kirschen einzeln verkaufen”

Von BBZ-Redaktion
Baden-Württemberg war bundesweit mit am stärksten betroffen von den Frostschäden der vergangenen Woche. Vier Frostnächte hintereinander mit bis zu minus sieben Grad und eisigem Wind waren einfach zuviel – da halfen auch die üblichen Gegenmaßnahmen nicht mehr.
Martin Senger aus Stockach-Espasingen betreibt Obstbau mit Schwerpunkt Äpfel auf rund 30 Hektar. Beim ihm gab es vergangene Woche erhebliche Frostschäden bei Äpfeln. Bei Zwetschgen sieht es etwas besser aus.
Die Badische Bauern Zeitung hat verschiedene Stimmen und Schadensmeldungen zusammengefasst und gibt im Folgenden einen Überblick.
Nordbaden
In Nordbaden hat der Frost dem Grünspargel stark zugesetzt, beim weißen Spargel sind Spitzen erfroren, aber die Schäden sind viel weniger gravierend als beim Obst, wird berichtet. Bei Erdbeeren seien die Schäden massiv: „Blüten und kleine Früchte – alles schwarz”, beklagt Hans Lehar von der Obst- und Gemüseabsatzgenossenschaft (OGA) in Bruchsal. Selbst Betriebe, die doppelt abgedeckt hatten, seien betroffen. „Das Problem war, dass die Tiefsttemperaturen so lange über die Nacht angehalten haben”, meint Lehar. Man müsse abwarten, inwieweit die Kulturen nachschieben. Sie standen vor dem Frost hervorragend da. Am schlimmsten habe es das Baumobst erwischt: Bei Kirschen erwartet er einen Totalausfall, bei Zwetschgen auch sehr hohe Ausfälle, Gleiches gelte für das Kernobst.
Ortenau
Geschädigter Rebaustrieb im Offenburger Rebland (Rammersweier, Fessenbach, Zell-Weierbach)
„4500 Hektar Obst und 2500 Hektar Reben in der Ortenau sind vom Frost betroffen, die Schäden sind großräumig und bewegen sich zwischen fünf und 100 Prozent”, berichtete der Leiter des Landwirtschaftsamtes, Dr. Rainer Moritz, am Montag vor Journalisten in Offenburg. Besonders betroffen sind Reben in niedrigen Lagen, verdeutlichte Weinbauberater Johannes Werner. Der Wiederaustrieb ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht abschätzbar.
Er rechnet im günstigen Fall mit einem Ernteertrag von 70 Prozent einer Normalernte, wenn nicht weitere Schadensereignisse dazwischenkommen. Da die Vegetation 14 Tage voraus war, waren die Reben schon im Vier- bis Fünfblatt-Stadium und nicht mehr frostresistent. Die Rebe hat aber die Chance, über das Beiauge wieder auszutreiben. Dieses ist im Wachstum verspätet und nicht mehr so fruchtbar.
Sehr unterschiedlich zeigt sich die Lage im Obstbau. An den Walnüssen sind alle Triebe erfroren. Es gibt zwar keine Nüsse, aber die Bäume werden neu austreiben, betonte Hans-Dieter Beuschlein, Pflanzenschutzberater für Obstbau. Totalschaden gibt es bei Pfirsich, Aprikose und Nektarine. Bei Kirsche und Zwetschge ist der Schaden hoch, hier hängt aber viel von der Nachblüte ab.
Beim Kernobst ist die Birne stärker betroffen als der Apfel. Besonders betroffen sind auch Erdbeerfelder, die schon mit Stroh eingedeckt waren. Das Stroh bildet einen Wärmepuffer, über der Strohschicht ist die Temperatur um vier bis fünf Grad niedriger als über blanker Erde. Hier sind 80 Prozent und mehr  kaputt, berichtete Beuschlein. 
Kaiserstuhl und Markgräflerland
Blüten von nicht geschützten oder beregneten Erdbeeren verfärben sich Braun und sterben ab.
Als „verheerend” fasst Geschäftsführer Lorenz Boll die Lage für das Gebiet des Erzeugergroßmarktes Südbaden (EGRO) zusammen. Bei den Baumkulturen seien die Schäden im frühen Gebiet dramatisch, in den späteren Gebieten sei es weniger schlimm. „Wir hoffen natürlich noch auf Nachblüher und dass der eine oder andere Fruchtansatz noch durchkommt – allein mir fehlt der Glaube”, sagt Boll. Bei Erdbeeren sei die Lage unterschiedlich, wer beregnen konnte, werde nur bedingt Einbußen haben, insgesamt geht Boll von 20 Prozent Verlusten aus. Auch bei Strauchbeeren präsentiere sich das Bild ganz unterschiedlich. 
Bodensee
Bühler Frühzwetschge mit erfrorenen, schwarze Fruchtansätzen. Rechts im Hintergrund eine noch grüne, das heißt unbeschädigte Frucht.
Peter Trillof, Pflanzenschutzberater bei der Marktgemeinschaft Bodenseeobst eG (MABO) in Friedrichshafen, beklagt: Rund 90 bis 95 % der Kernobstblüten sind erfroren.  So etwas habe er in 32 Jahren noch nicht erlebt. Selbst 1991 sei nicht so heftig gewesen.  „Kirschen und Zwetschgen werden wir dieses Jahr vermutlich einzeln verkaufen müssen”, merkt Trillof mit Galgenhumor an. Er befürchtet, dass nach fünf ökonomisch völlig ungenügenden Jahren – einschließlich der für 2018 zu erwartenden Obstschwemme –  einige Betriebe das Handtuch schmeißen.
Insgesamt ist nach Angaben des Fachmanns ein großer Teil der Blüten am einjährigen Holz geschädigt. Am mehrjährigen Holz handele es sich um einen fast totalen Schaden. Am stärksten betroffen sei die ganze Jonagold-Gruppe. In diesen Sorten seien in den Frostnächten auch die Nachblüher schon relativ weit entwickelt gewesen.
Glimpflich davongekommen seien – je nach Lage am See – nach gegenwärtigem Erkenntnisstand einige Braeburn-Anlagen. Hier standen viele Blüten am einjährigen Holz und waren noch nicht so weit entwickelt.
Aus den Blüten am einjährigen Holz kann zwar noch ein Fruchtbehang entstehen, wenn das Wetter für eine Bestäubung günstig ist. Es kann aber auch sein, dass sie Frostzungen oder Frostringe von der Kälte abbekommen haben und bei Kälte nach der Blüte klein bleiben. „Was davon letztlich als Tafelware vermarktet werden kann, wird sich erst um die Zeit des Junifruchtfalls herausstellen”, erwartet Trillof. 
BBZ-Leser melden
Auch über die Facebook-Seite der BBZ sind Meldungen von Betroffenen und Lesern eingegangen.
  • Daniel Seiter aus 77886 Lauf beklagt, dass die dortigen Weinreben teilweise zu über 50 % erfroren seien.
  • Harry Krüger aus 79346 Endingen am Kaiserstuhl hat im Gewann Salental/Floh folgende Schäden zu verzeichnen: 17 ar Müller-Thurgau in unterer Lage sind zu 70 bis 80 % erfroren. 17 ar Ruländer/Spätburgunder im mittlerer Lage sind zu 50 bis 60 % erfroren. 10 ar Ruländer/Spätburgunder in oberer Lage sind zu 30 bis 40 % erfroren.
  • Martin Linser aus 79112 Freiburg-Opfingen berichtet: Der Frost hat den Tuniberg hart erwischt. Die Temperaturen lagen zwischen –3 und –4,8 °C in zwei Metern Lufthöhe. Der komplette Berg ist betroffen. Die Schäden liegen zwischen rund 50 und 100 %.  Junganlagen hat es auch sehr stark getroffen. Viele Frostruten sind bis zum obersten Auge beschädigt.

Lesen Sie außerdem: Das Ministerium für Ländlichen Raum in Stuttgart fasst die landesweite Lage zusammen.