Zum Überwintern in die Rheinebene ziehen?
Von Bruno Binder-Köllhofer, Fachberater Imkerei, RP Freiburg
Es ist gängige Praxis, dass Schwarzwaldimker häufig auch Stände in der Rheinebene zur Überwinterung nutzen. Ob das im Zeichen des Klimawandels und der Varroaproblematik noch sinnvoll ist, stellt sich als Frage.
Schwarzwaldstandorte können sich für die Überwinterung von Bienenvölkern heutzutage besser eignen als Standorte in wärmeren Regionen.
Seit Jahrzehnten überwintern Wanderimker aus dem Schwarzwald einen Teil oder auch ihre gesamten Völker in der Rheinebene. Vor allem Jungvölker werden oft in diese klimatisch günstige Umgebung gestellt. Die Vorteile sind offensichtlich: Während des Spätsommers ist die
Nahrungsversorgung durch spät blühende Pflanzen oft wesentlich besser
als im mittleren und hohen Schwarzwald.
Neben Flächen von Springkraut
und Goldrute nehmen in den letzten Jahren auch Brache- und Blühflächen sowie der Anbau von Silphie als Biogaspflanze zu. Nahrungsangebote
dieser und anderer Arten bieten neben Blütenstaub auch Nektar, so dass
mit diesen sogenannten Läppertrachten ideale Voraussetzungen für eine
gute Winterbienenaufzucht gegeben sind. Außerdem ist aufgrund
ausreichender Temperaturen im Spätsommer ein zweites
Bekämpfungsintervall gegen die Milben eher möglich als im Schwarzwald.
Längere Brutzeit
Die Vegetationszeit beginnt in der Acker- und Weinbauzone früher und damit auch die Brutzeit der Honigbienen. Der frühzeitige Brutstart kann von Vorteil sein, wenn man zum Beispiel zeitig trachtstarke Völker für den Raps in den östlichen Landesteilen benötigt.
Eines der Hauptprobleme ist die inzwischen langandauernde und dadurch
starke Milbenvermehrung in wärmeren Zonen. Aufgrund der Klimaveränderung
ist die aktive Zeit der Honigbienen sehr viel länger geworden.
Die
Bienenvölker starten ihre Brutaufzucht immer früher und oft ungebremst
ohne Witterungsrückschläge im April und Mai. Allerdings verhelfen diese
Bedingungen auch der Varroamilbe zu sehr günstigen
Vermehrungsmöglichkeiten schon vom zeitigen Frühjahr an. In jedem
Brutmonat verdoppelt sich die Anzahl der Milben!
Brutmenge im Winter wenig reduziert
Im Herbst sind der September und Oktober oft sehr mild und die Völker reduzieren die Brutmenge deutlich weniger als früher. Ob die Bienen im Winter komplett aufhören zu brüten, ist ungewiss. Bleibt in den Herbstmonaten die Temperatur tagsüber deutlich über 12–14 °C, ist es dabei sonnig und fallen die Temperaturen nachts nicht in den Frostbereich, reduziert sich auch die Brutaufzucht nicht wie üblich und gewünscht.
Noch vorhandene Milben und deren vergesellschaftete Viren vermehren sich weiter.
Manchmal sind in den warmen Überwinterungsgebieten weniger als 200 m Abstand zwischen den Bienenständen verschiedener Imker. Nicht selten werden 40 und mehr Völker je Stand aufgestellt.
Völker von Bienenständen, bei denen die Milbenbehandlung nicht gewirkt hat oder unterlassen wurde, haben im Herbst nur noch wenig gesunde Bienen und können sich nicht mehr verteidigen. Befinden sich in unmittelbarer Umgebung (1–2 km) starke Völker, so räubern diese die geschwächten aus. So kommen huckepack viele Milben in behandelte Völker. Dies kann durchaus 500 und mehr Milben je Volk in einer Woche bedeuten!
Milben abtöten
Des Weiteren ist es für den guten Start in die nächste Saison und damit
für das Durchhalten der Völker bis zur nächsten Milben-Behandlungszeit
unerlässlich, dass die meisten der noch verbliebenen Milben im Winter
während der brutfreien Phase abgetötet werden. Ist noch verdeckelte Brut
im Winter vorhanden, wirken die eingesetzten Mittel nicht ausreichend.
Frei von verdeckelter Brut sind Bienenvölker jedoch erst, wenn über
Wochen die Temperaturen dauerhaft unter 8–10 °C liegen und es
wenigstens mehrere starke Nachtfröste hintereinander oder merklichen Dauerfrost gab.
Wenn
die letzte verdeckelte Brut schlüpft, dauert es weitere zwei Wochen, bis
alle Milben ungeschützt auf den Bienen sitzen und sicher getötet werden
können. Neue Brut wird schon ab Januar angelegt. Deshalb muss die
Winterbehandlung im Laufe des Dezembers abgeschlossen sein, um eine
sichere Wirkung zu gewährleisten.
Aufgrund der Klimaerwärmung ist es in vielen Jahren unsicher, ob die
genannten Bedingungen für einen ausreichend langen Brutstopp und damit
eine erfolgreiche Milbenbehandlung in den warmen Regionen auftreten.
Bedingungen im Winter besser
In Anbetracht der genannten Argumente haben Schwarzwaldimker heute
eigentlich für ihre Bienen bessere Überwinterungsbedingungen als Imker
in der Rheinebene. Die Bienenstände sollten aber auch im Schwarzwald in
größeren Abständen voneinander und mit eher kleinen Völkergruppen
stehen. Zwei bis drei Kilometer auseinander und maximal 20 bis 25 Völker
wären ideal.
Das Risiko, sich wieder an Milben benachbarter Stände
anzustecken, wird so deutlich reduziert und die Nahrungskonkurrenz der
Völker eines Standes untereinander ebenfalls.
Ideale Überwinterungsstandorte sollten sich zwar in kühlen und deswegen
höheren Lagen befinden, sie sollten jedoch möglichst schon ab Januar
mittags bis nachmittags besonnt stehen, damit eine frühzeitige
Entwicklung stattfindet. Nicht immer eignen sich daher Flächen im
Wohnumfeld. Doch ortskundige Schwarzwaldimker finden solche passenden
Standorte relativ leicht.
Auch wenn es unter den heutigen klimatischen Gegebenheiten nicht
unbedingt optimal ist, in der Rheinebene oder in der Vorbergzone zu
überwintern, und sich passende Schwarzwaldstandorte besser dafür eignen,
sollten bestehende Stände nicht aufgegeben werden! Wenigstens für die
Jungvolkaufzucht vom Frühjahr bis zum Spätsommer sind die bisherigen
warmen Standorte weiterhin gut geeignet. Dasselbe gilt auch für
Altvölker in der Zeit zwischen Sommerbehandlung und Einfütterung.
Spätestens Mitte September sollten die Imker dann allerdings mit ihren
Völkern aus der überfüllten Rheinebene und Vorbergzone auf sichere
Schwarzwaldstandorte abwandern.
Wer früh starke Völker benötigt, um beispielsweise Löwenzahn- oder
Rapshonig zu gewinnen, sollte seine Völker im zeitigen Frühjahr
spätestens zur Weidenblüte in die warmen Lagen bringen. Bevorzugt in die
Vorbergzone, wo das Frühjahr bekanntermaßen zuerst beginnt, und nicht
in der oft noch nebelig-kühlen Rheinebene.