Von 4D/Dr. Bernhard Christanell, Südtiroler Landwirt/red
Über 70 Vertreter von Politik und Bauernverbänden mit mitteleuropäischer Berglandwirtschaft trafen sich am 5. August auf der Rodenecker Alm in Südtirol zum zweiten Alpengipfel der berufsständischen Organisationen des Alpenraumes. Zu den Beteiligten gehören BLHV und AfH.
Auf Schusters Rappen in den Bergen Südtirols unterwegs: Der Alpengipfel fand im Rahmen der Europawanderung statt, die der Südtiroler Bauernbund seit vielen Jahren jeweils Anfang August organisiert.
Zwei Berufsstandsvertreter aus Südbaden waren als Delegationsmitglieder beim „Alpen.Gipfel.Europa.2023” dabei. Der Höchenschwander Landwirt Oswald Tröndle trat die Reise nach Südtirol als Vorsitzender des Kreisverbandes Waldshut des BLHV und als Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft für Höhenlandwirtschaft (AfH) an. Eckhard Schmieder aus Fischerbach nahm als stellvertretender Vorsitzender der AfH teil.
Die wichtigsten Themen des Alpengipfels: das Verhältnis von Tourismus und Landwirtschaft, die EU-Bürokratie und das Großraubwild.
Der Alpengipfel fand im Rahmen der Europawanderung statt, die der Südtiroler Bauernbund seit vielen Jahren jeweils Anfang August organisiert und bei der sich seit jeher Vertreter aus Politik und Landwirtschaft aus dem gesamten deutschen Sprachraum zum Austausch treffen.
Nachhaltige Almwirtschaft
Der Alpengipfel stand unter dem Motto „Nachhaltige
Almwirtschaft und Freizeitgestaltung – kein Widerspruch!” – und die
erste Podiumsdiskussion drehte sich auch vorrangig um dieses
Thema. Daniel Gasser, Landesobmann-Stellvertreter des Südtiroler
Bauernbundes, stellte klar, dass es auch auf den Almen Tourismus und
Landwirtschaft gleichermaßen brauche: „Wenn sich alle an die Regeln
halten, voreinander Respekt zeigen und auch alle etwas von der
Almwirtschaft haben, dann steckt hier noch viel Potenzial.”
Franz Hörl vom Wirtschaftsbund Tirol verwies auf die Situation im
touristisch hochentwickelten Zillertal, wo viele Grundeigentümer auch
als Tourismus-treibende aktiv sind: „Tourismus und Landwirtschaft sind
Geschwister, wo es dem einen gut geht, kann auch der andere gut leben”,
zeigte sich Hörl überzeugt.
Es ging aber auch um EU-Politik: Deutliche Worte fand Josef Geisler,
Bauernbund-Landesobmann und Landeshauptmann-Stellvertreter in Tirol: „Es
ist eine Entmündigung der Nationalstaaten und Regionen im Gang, wir
sind bald nicht mehr in der Lage, als ländliche Bevölkerung gegen die
urbane Bevölkerung anzukämpfen. Das zeigt sich nicht zuletzt beim
Problem mit dem Großraubwild, wo unser Handlungsspielraum nach wie vor
sehr eingeschränkt ist. Das ist ein Problem für die Landwirtschaft, aber
auch für den Tourismus.”
Viel dreht sich um den Wolf
Damit war auch schon die Brücke geschlagen zur zweiten
Diskussionsrunde, an der Vertreter aus Politik und Landwirtschaft
teilnahmen. Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes und
des Landesbauernverbandes in Baden-Württemberg, kritisierte die
Haltung der EU-Kommission zum Wolf: „Wir haben in Deutschland 4000
Wölfe und 4000 Risse pro Jahr. Das ist nicht mehr hinnehmbar, der Wolf
ist längst nicht mehr gefährdet und gehört reguliert. Schweden hat eine
Obergrenze von 450Wölfen zum Schutz der Rentierherden, das muss auch im
Rest von Europa möglich sein.” Auch zur Regelung der
Naturwiederherstellung fand Rukwied klare Worte: „Wir Landwirte haben
die Natur so erhalten, wie sie jetzt ist. Was in Brüssel diskutiert
wird, hat mit dem, was wir brauchen, nichts zu tun.” Auch bei Fragen wie
der neuen Gentechnik und der Reduktion von Pflanzenschutzmitteln
brauche es eine realistisch umsetzbare Politik, da „hat die
EU-Kommission noch Nachholbedarf”.
Günther Felßner, Präsident des Bayerischen Bauernverbandes, verwies auf
die Wichtigkeit der Rentabilität: „Für die Landwirtschaft muss durch
ihre Arbeit Wertschöpfung entstehen, es geht auch darum, über gute
Produkterlöse die Tierhaltung positiv zu erhalten und unseren
Jungbäuerinnen und Jungbauern Perspektiven zu bieten. Nicht die
sogenannte letzte Generation wird die Welt retten, sondern die nächste
Generation von Bäuerinnen und Bauern!”
„Vernünftige gegen Ideologen”
Georg Strasser, Präsident des Österreichischen
Bauernbundes, stellte die Frage: „Wollen wir auf den Almen Büsche und
Wölfe oder wollen wir Kühe und Touristen?”
Südtirols Landwirtschafts-Landesrat Arnold Schuler verwies auf die
Schwierigkeit, gegenüber der Regierung in Rom ein aktives
Wolfsmanagement durchzusetzen. Der stellvertretende bayerische
Ministerpräsident Hubert Aiwanger brachte zum Ausdruck, was er von der
aktuellen EU-Politik hält: „Wir sehen eine dauernde Abwehrschlacht der
Vernünftigen gegen die Ideologen.”
EU-Parlamentarier Herbert Dorfmann schloss sich den Forderungen nach
einem Umdenken auf EU-Ebene an: „Auch unsere Fraktion im EU-Parlament
hat lange versucht, Kompromisse zu schließen. Diese Zeit ist jetzt
vorbei, wir müssen wieder öfter deutlich sagen, was geht und was nicht
geht. Beim Thema Wolf sehe ich ein langsames Umdenken, bei der
Renaturierung haben wir einen Teilerfolg erzielt. Wer weniger
Produktionsfläche will, muss auch sagen, ob er auf den restlichen
Flächen eine intensivere Landwirtschaft will.” Vor allem aber müsse
sich die Agrarpolitik um die Jugend kümmern: „Wir brauchen die Besten
unter unseren jungen Landwirtinnen und Landwirten, um gut in die Zukunft
zu kommen. Dafür müssen wir ihnen aber einen Grund geben, damit sie
positiv in die Zukunft blicken können!”
Am Ende unterzeichneten Vertreter aller anwesenden Organisationen aus
der Land-, Forst- und Almwirtschaft ein gemeinsames Positionspapier, das
auf alle angesprochenen Themen eingeht und die Haltung der Verbände
zusammenfasst.