Politik | 11. August 2023

Zukunftsthemen für Europas Bergbauern

Von 4D/Dr. Bernhard Christanell, Südtiroler Landwirt/red
Über 70 Vertreter von Politik und Bauernverbänden mit mitteleuropäischer Berglandwirtschaft trafen sich am 5. August auf der Rodenecker Alm in Südtirol zum zweiten Alpengipfel der berufsständischen Organisationen des Alpenraumes. Zu den Beteiligten gehören BLHV und AfH.
Auf Schusters Rappen in den Bergen Südtirols unterwegs: Der Alpengipfel fand im Rahmen der Europawanderung statt, die der Südtiroler Bauernbund seit vielen Jahren jeweils Anfang August organisiert.
Zwei Berufsstandsvertreter aus Südbaden waren als Delegationsmitglieder beim „Alpen.Gipfel.Europa.2023” dabei. Der Höchenschwander Landwirt Oswald Tröndle trat die Reise nach Südtirol als Vorsitzender des Kreisverbandes Waldshut des BLHV und als Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft für Höhenlandwirtschaft (AfH) an. Eckhard Schmieder aus Fischerbach nahm als stellvertretender Vorsitzender der AfH teil.
Die wichtigsten Themen des Alpengipfels: das Verhältnis von Tourismus und Landwirtschaft, die EU-Bürokratie und das Großraubwild.
Der Alpengipfel fand im Rahmen der Europawanderung statt, die der Südtiroler Bauernbund seit vielen Jahren jeweils Anfang August organisiert und bei der sich seit jeher Vertreter aus Politik und Landwirtschaft aus dem gesamten deutschen Sprachraum zum Austausch treffen.
Nachhaltige Almwirtschaft
Der Alpengipfel stand unter dem Motto „Nachhaltige Almwirtschaft und Freizeitgestaltung – kein Widerspruch!” – und die erste Podiumsdiskussion drehte sich auch vorrangig um dieses Thema. Daniel Gasser, Landesobmann-Stellvertreter des Südtiroler Bauernbundes, stellte klar, dass es auch auf den Almen Tourismus und Landwirtschaft gleichermaßen brauche: „Wenn sich alle an die Regeln halten, voreinander Respekt zeigen und auch alle etwas von der Almwirtschaft haben, dann steckt hier noch viel Potenzial.”
Franz Hörl vom Wirtschaftsbund Tirol verwies auf die Situation im touristisch hochentwickelten Zillertal, wo viele Grundeigentümer auch als Tourismus-treibende aktiv sind: „Tourismus und Landwirtschaft sind Geschwister, wo es dem einen gut geht, kann auch der andere gut leben”, zeigte sich Hörl überzeugt.
Es ging aber auch um EU-Politik: Deutliche Worte fand  Josef Geisler, Bauernbund-Landesobmann und Landeshauptmann-Stellvertreter in Tirol: „Es ist eine Entmündigung der Nationalstaaten und Regionen im Gang, wir sind bald nicht mehr in der Lage, als ländliche Bevölkerung gegen die urbane Bevölkerung anzukämpfen. Das zeigt sich nicht zuletzt beim Problem mit dem Großraubwild, wo unser Handlungsspielraum nach wie vor sehr eingeschränkt ist. Das ist ein Problem für die Landwirtschaft, aber auch für den Tourismus.”
Viel dreht sich um den Wolf
Damit war auch schon die Brücke geschlagen zur zweiten Diskussionsrunde, an der  Vertreter aus Politik und Landwirtschaft teilnahmen. Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes und des Landesbauernverbandes in Baden-Württemberg,  kritisierte die Haltung der EU-Kommission zum  Wolf: „Wir haben in Deutschland 4000 Wölfe und 4000 Risse pro Jahr. Das ist nicht mehr hinnehmbar, der Wolf ist längst nicht mehr gefährdet und gehört reguliert. Schweden hat eine Obergrenze von 450Wölfen zum Schutz der Rentierherden, das muss auch im Rest von Europa möglich sein.” Auch zur Regelung der Naturwiederherstellung fand Rukwied klare Worte: „Wir Landwirte haben die Natur so erhalten, wie sie jetzt ist. Was in Brüssel diskutiert wird, hat mit dem, was wir brauchen, nichts zu tun.” Auch bei Fragen wie der neuen Gentechnik und der Reduktion von Pflanzenschutzmitteln brauche es eine realistisch umsetzbare Politik, da „hat die EU-Kommission noch Nachholbedarf”.
Günther Felßner, Präsident des Bayerischen Bauernverbandes, verwies auf die Wichtigkeit der Rentabilität: „Für die Landwirtschaft muss durch ihre Arbeit Wertschöpfung entstehen, es geht auch darum, über gute Produkterlöse die Tierhaltung positiv zu erhalten und unseren Jungbäuerinnen und Jungbauern Perspektiven zu bieten. Nicht die sogenannte letzte Generation wird die Welt retten, sondern die nächste Generation von Bäuerinnen und Bauern!”
„Vernünftige gegen Ideologen”
Georg Strasser, Präsident des Österreichischen Bauernbundes, stellte die Frage:  „Wollen wir auf den Almen Büsche und Wölfe oder wollen wir Kühe und Touristen?”
Südtirols Landwirtschafts-Landesrat Arnold Schuler verwies auf die Schwierigkeit, gegenüber der Regierung in Rom ein aktives Wolfsmanagement durchzusetzen. Der stellvertretende bayerische Ministerpräsident Hubert Aiwanger brachte zum Ausdruck, was er von der aktuellen EU-Politik hält: „Wir sehen eine dauernde Abwehrschlacht der Vernünftigen gegen die Ideologen.”
EU-Parlamentarier Herbert Dorfmann schloss sich den Forderungen nach einem Umdenken auf EU-Ebene an: „Auch unsere Fraktion im EU-Parlament hat lange versucht, Kompromisse zu schließen. Diese Zeit ist jetzt vorbei, wir müssen wieder öfter deutlich sagen, was geht und was nicht geht. Beim Thema Wolf sehe ich ein langsames Umdenken, bei der Renaturierung haben wir einen Teilerfolg erzielt. Wer weniger Produktionsfläche will, muss auch sagen, ob er auf den restlichen Flächen eine intensivere Landwirtschaft will.”  Vor allem aber müsse sich die Agrarpolitik um die Jugend kümmern: „Wir brauchen die Besten unter unseren jungen Landwirtinnen und Landwirten, um gut in die Zukunft zu kommen. Dafür müssen wir ihnen aber einen Grund geben, damit sie positiv in die Zukunft blicken können!”
Am Ende unterzeichneten Vertreter aller anwesenden Organisationen aus der Land-, Forst- und Almwirtschaft ein gemeinsames Positionspapier, das auf alle angesprochenen Themen eingeht und die Haltung der Verbände zusammenfasst.
Video, Interviews und  Bilder zur Veranstaltung auf www.alpen-gipfel-europa.com