Das Kompetenznetzwerk für Nutztierhaltung unter Leitung des früheren Bundeslandwirtschaftsministers Jochen Borchert, daher der Name Borchert-Kommission, hat sein Konzept für einen langfristigen Umbau der Nutztierhaltung in Deutschland vorgelegt.
Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner mit Mitgliedern der Borchert-Kommission (links neben ihr Jochen Borchert) bei der Präsentation des Konzepts für den Umbau der Nutztierhaltung.
Für unumgänglich hält die Borchert-Kommission einen Umbau der Tierhaltung in Deutschland. „Die Nutztierhaltung in Deutschland muss in die Lage versetzt werden, den fachlichen und gesellschaftlichen Ansprüchen an den Tier- und Umweltschutz zu entsprechen und trotzdem wettbewerbsfähig zu bleiben”, heißt es im Abschlusspapier, das das Gremium am 7. Februar in Bonn beschlossen hat.
Tierwohl stufenweise verbessern
Darin schlägt das Kompetenznetzwerk eine
stufenweise Weiterentwicklung der Tierhaltung im Rahmen einer
langfristigen Transformationsstrategie vor. Als deren Ziel, das bis 2040
erreicht werden solle, empfehlen die Fachleute die vollständige
Überführung der deutschen Nutztierhaltung auf ein Niveau, das der Stufe 2
im geplanten Tierwohlkennzeichengesetz entspricht, als gesetzlichen
Mindeststandard.
Diese umfasst verbesserte Ställe mit zusätzlichem Platzangebot,
Strukturierung sowie Klimazonen. Darüber hinaus soll bis dahin ein
hinreichend großer Marktanteil für die Premiumstufe 3 mit erweitertem
Platzangebot und Auslaufmöglichkeit erreicht werden.
Staatliche Förderung nötig
Die Kommission weist darauf hin, dass die Kosten für den
Umbau nur zu geringen Teilen am Markt erlöst werden könnten. Eine
langfristig wirksame Finanzierungsstrategie müsse daher maßgeblich auf
einer staatlichen Förderung beruhen. Dabei seien sowohl Prämien zur
Abdeckung der laufenden Kosten als auch eine Investitionsförderung
vorzusehen.
Als eine wesentliche Voraussetzung für die Akzeptanz von
Tierwohlzahlungen nennt die Borchert-Kommission eine langfristige
Verlässlichkeit über die Abschreibungsdauer eines Stalles hinweg. Zudem
müssten künftig staatliche Tierwohlzahlungen auch für die Einhaltung von
national verpflichtenden Standards gewährt werden können, wenn diese
deutlich oberhalb des EU-Niveaus lägen. Derzeit ist das EU-rechtlich
nicht zulässig.
Zur Finanzierung der Umbaukosten sprechen sich die Mitglieder des
Kompetenznetzwerks mehrheitlich für eine mengenbezogene Verbrauchssteuer
auf tierische Produkte aus. Ihren Berechnungen zufolge könnte mit
Sätzen pro Kilogramm von 40 Cent für Fleisch und
Fleischverarbeitungsprodukte, 2 Cent für Milch sowie Eier und 15 Cent
für Käse, Butter und Milchpulver der Finanzierungsbedarf von 3,6
Milliarden Euro jährlich in der Endstufe gedeckt werden. Voraussetzung
sei eine sozialpolitische Flankierung, so dass einkommensschwache
Haushalte nicht zusätzlich belastet würden.
Pessimistisches Bild der Ist-Situation
Die Borchert-Kommission zeichnet ein pessimistisches
Bild der derzeitigen Tierhaltung in Deutschland. Neben erheblichen
Umweltbelastungen etwa in Form von Nährstoffausträgen gerate der Sektor
zunehmend unter Tierschutzgesichtspunkten unter Druck. So habe die
Akzeptanz der gegenwärtigen Haltungsbedingungen in der breiten
Öffentlichkeit in den letzten Jahren stetig nachgelassen. Die Experten
rechnen damit, dass diese Entwicklung anhält und die Haltungsverfahren
künftig sowohl rechtlich als auch politisch immer stärker unter Druck
geraten.
Nicht ordnungsrechtlich zu erzwingen
Gleichzeitig kommt die
Borchert-Kommission zu dem Ergebnis, dass die bisherigen politischen
Ansätze zu einer Verbesserung des Tierwohls nicht ausreichen, den
Anforderungen zu genügen und zugleich der Tierhaltung in Deutschland
eine wirtschaftlich nachhaltige Perspektive zu eröffnen. Nach Auffassung
der Kommissionsmitglieder kann ein höheres Tierwohlniveau nicht
vorrangig ordnungsrechtlich erzwungen werden. Stattdessen komme es auf die
förderpolitische Begleitung an. Kernpunkte einer notwendigen
Transformation der Nutztierhaltung seien eine Entwicklung von
Zielbildern, tierartenspezifische Zeitpläne für Schritte in Richtung
dieser Zielbilder sowie eine Finanzierungsstrategie für die dabei
entstehenden Kosten.
Überwiegend positive Reaktionen
Als wichtige Grundlage für einen nationalen Tierwohlkonsens hat Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner die Empfehlungen des Kompetenznetzwerks Nutztierhaltung gewürdigt. Das Gutachten skizziere, wie das umgesetzt und finanziert werden könne. Für Klöckner steht dabei außer Frage, „gehen wir den großen Schritt in Richtung Umbau, kostet das Geld”.
Die Vorschläge der Borchert-Kommission seien „grundsätzlich eine Möglichkeit, der Nutztierhaltung in Deutschland eine Zukunftsperspektive zu geben”, erklärte Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV). „Entscheidend ist, dass die Honorierung für höhere Standards tatsächlich bei den Landwirten ankommt”, so der DBV-Präsident.
„Die Zielvorgaben des Kompetenznetzwerks sind schlüssig”, erklärte der agrarpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Friedrich Ostendorff. Die Empfehlungen der Borchert-Kommission stoßen auch bei Umweltverbänden auf Zustimmung. „In den nächsten 20 Jahren kann damit eine gesellschaftlich wertgeschätzte Nutztierhaltung erreicht werden, die besser für die Tiere, das Klima und die Umwelt ist”, sagte der Vorsitzende des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Olaf Bandt.
Netzwerk-Info
Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner hatte das Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung unter Vorsitz des ehemaligen Bundeslandwirtschaftsministers Jochen Borchert im Frühjahr vergangenen Jahres einberufen. Ihm gehören Vertreter aus Wissenschaft, Wirtschaft, Praxis sowie Tier-, Umwelt- und Verbraucherschutz an.