Politik | 18. Januar 2023

Ziemlich zerpflückt

Von AgE
Wie erwartet kritisch ist die Bewertung des Entwurfs der Bundesregierung für ein Tierhaltungskennzeichnungsgesetz in der Anhörung des Ernährungsausschusses am 16. Januar im Bundestag ausgefallen.
Der Deutsche Bauernverband moniert am Entwurf des Gesetzes unter anderem eine fehlende Verzahnung mit privatwirtschaftlichen Initiativen.
Alle Sachverständigen mahnten zu der Gesetzesvorlage zum Teil erhebliche Defizite und weitreichende Änderungen an. Die Kritik gipfelte in der Einschätzung, dass ein Gesetz in der vorliegenden Fassung der Tierhaltung in Deutschland schaden und den Verbrauchern keinen Nutzen stiften werde.
DBV sieht gravierende Schwachstellen
Der Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Bernhard Krüsken, monierte gravierende Schwachstellen im Entwurf. Dazu zählten der beschränkte Geltungsbereich der Kennzeichnung, große Lücken in der Abdeckung, ein unzureichendes Kontrollkonzept sowie die fehlende Verzahnung mit privatwirtschaftlichen Initiativen. Von den drei Säulen für einen Umbau der Tierhaltung mit einem verlässlichen Finanzierungskonzept und einer Anpassung des Bau- und Genehmigungsrechts werde lediglich die Kennzeichnung berücksichtigt.
Eine Haltungskennzeichnung gemäß dem Regierungsentwurf gefährde erfolgreiche und etablierte Ansätze wie die Initiative Tierwohl, warnte deren Geschäftsführer Dr. Alexander Hinrichs. Durch die Nichteinbeziehung ausländischer Ware drohe darüber hinaus der inländischen Erzeugung ein deutlicher Absatzeinbruch. Eine bislang nicht vorgesehene regelmäßige Kontrolle der teilnehmenden Betriebe gefährdet laut Hinrichs zudem die Glaubwürdigkeit der staatlichen Haltungskennzeichnung.
Unzufrieden äußerte sich auch der Bundesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), Martin Schulz, zu dem Entwurf. Hauptkritikpunkt ist für Schulz, dass die Sauenhaltung bei der Kennzeichnung außen vor bleibe. Dies sei umso unverständlicher, als die Borchert-Kommission bereits Kriterien für die Sauenhaltung erarbeitet habe.
Es fehlt Gestaltungsspielraum
Nicht akzeptabel ist für den AbL-Vorsitzenden eine eigene Biostufe, obwohl der Ökolandbau nicht per se den höchsten Tierwohlstandard biete. Demgegenüber bescheinigte der geschäftsführende Vorstand vom Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW), Peter Röhrig, den Biobetrieben eine Vorbildfunktion für den Umbau der Tierhaltung, die eine eigene Biostufe rechtfertige.
Der Leiter des Instituts für Tierschutz und Tierhaltung am Friedrich-Löffler-Institut (FLI), Professor Lars Schrader, wies darauf hin, dass die politisch gewollte verpflichtende Kennzeichnung den Gestaltungsbedarf erheblich einschränke. Beim Gesetzentwurf gehe es daher in erster Linie um eine bessere Orientierung der Verbraucher, nicht jedoch um mehr Tierwohl. „Eine freiwillige Kennzeichnung hätte mehr Spielraum für Tierwohlkriterien geboten”, betonte der Wissenschaftler.