Betrieb und Wirtschaft | 16. Januar 2020

ZG will kein Kartell-Bußgeld zahlen

Von René Bossert
Das Bundeskartellamt hat am Montag Bußgelder gegen sieben Großhändler von Pflanzenschutzmitteln in Höhe von insgesamt 154,6 Millionen Euro verhängt. Im Unterschied zu den anderen Firmen will die ZG Raiffeisen Einspruch gegen das Bußgeld einlegen.
Von 1998 bis zum Jahr 2015 haben die Handelsfirmen nach den Ermittlungen des Kartellamtes jeweils im Frühjahr und Herbst ihre Preislisten für Pflanzenschutzmittel miteinander abgestimmt.   Grundlage der Abstimmung sei  eine gemeinsame Kalkulation der Großhändler gewesen, die weitgehend einheitliche Preislisten für Einzelhändler und Endkunden zur Folge hatte. Vor allem in den ersten Jahren haben dem Kartellamt zufolge   einige Unternehmen die abgestimmte Preisliste  für die eigene Preissetzung übernommen, indem sie  nur noch ihr Firmenlogo über die fertige Liste setzten.
In der Anfangszeit des Kartells trafen sich die Unternehmen  mehrmals im Jahr, um sich auf (rabattfähige Brutto-)Listenpreise zu verständigen. In den späteren Jahren sei  die Abstimmung überwiegend schriftlich und telefonisch erfolgt, erklärte das Kartellamt weiter. 
Landwirte in Deutschland haben von 1998 bis 2015 infolge eines Kartells von Großhändlern überhöhte Preise für Pflanzenschutzmittel bezahlt, meint das Bundeskartellamt.

Die vier führenden Großhändler im Markt  –  zwei genossenschaftlich organisierte Großhändler und zwei Private –  übernahmen  die Vorabstimmung der Kalkulation dieser Preisangaben. Im Anschluss erfolgte die weitere Abstimmung jeweils im genossenschaftlichen und im privaten Lager, beschreibt das Kartellamt das Vorgehen. 
Auch Rabatte
Bußgelder wurden gegen folgende Unternehmen verhängt:   Agravis  Raiffeisen AG (Hannover/Münster),  Agro Agrargroßhandel GmbH & Co. KG (Holdorf),  BayWa AG (München),  BSL Betriebsmittel Service Logistik GmbH & Co. KG (Kiel),  Getreide AG (Hamburg),  Raiffeisen Waren GmbH (Kassel) und  ZG Raiffeisen eG (Karlsruhe).
Bis  2008 hatten laut Kartellamt sämtliche betroffene Großhändler – außer der Getreide AG –     teilweise auch  zu gewährende Rabattspannen sowie teilweise Abgabepreise gegenüber Einzelhändlern ohne weitere Rabattierung (sogenannte Netto-Netto-Preise) für zentrale Produkte abgesprochen. Bei den genossenschaftlichen Großhändlern sei das  noch bis zum Jahr 2012 vorgekommen.
 Gegen zwei weitere Unternehmen wird noch ermittelt. Die Verfahren gegen drei weitere Unternehmen und zwei Verbände – den Deutschen Raiffeisenverband und den Bundesverband Agrarhandel – wurden eingestellt.  In Anwendung der Bonusregelung wurde der Beiselen GmbH, Ulm, die als erste mit dem Bundeskartellamt kooperierte, das Bußgeld erlassen.
Die BayWa erklärte, dass die Kunden  keinen wirtschaftlichen Schaden gehabt hätten. Dies sei  auf das schon immer im Unternehmen geltende, stark gestaffelte und sehr individualisierte Preissystem zurückzuführen. Ähnlich argumentieren die ZG und  Agravis:  Die vom Kartellamt beanstandete „Grüne Liste” sei branchenöffentlich gewesen und die – bis 2015 darin enthaltenen – Preisangaben als Orientierungshilfe genutzt worden.  Die tatsächlichen Preise wurden wegen des intensiven Wettbewerbs aber immer individuell in Abhängigkeit von Mengen, Verfügbarkeit oder begleitender Beratung vereinbart.
 
Sechs Firmen wollen zahlen
Die verhängten Bußgelder sind noch nicht rechtskräftig. Während aber sechs der Firmen die Vorwürfe des Kartellamts anerkennen   und die Zahlung von Bußgeldern akzeptierten, will die ZG gegen den Bußgeldbescheid Einspruch erheben, wie sie am Montag mitteilte. Man vertrete eine andere Rechtsauffassung als das Bundeskartellamt, verlautete aus Karlsruhe.  Aus der Existenz der „Grünen Liste” lasse sich kein Preiskartell ableiten.
Zur  Höhe des gegen sie verhängten Bußgeldes äußert sich  die ZG nicht;  sie gefährde die Stabilität des Unternehmens aber in keiner Weise, erklärte eine Sprecherin gegenüber der BBZ.
Teils happige Summen Von vier der Bußgeldbescheiden ist mittlerweile die Höhe bekannt: Die BayWa muss 68,6 Mio. Euro bezahlen, Agravis 43,7 Mio. Euro, BSL  29,3 Mio. Euro und die Raiffeisen Waren GmbH 3,9 Mio. Euro. Damit verbleiben insgesamt rund 9,1 Mio. Euro Bußgeld, die sich auf die drei Firmen verteilen, die keine Angaben zur Höhe der Bußgelder gemacht haben.
Für die  BayWa, Agravis und BSL (bzw. deren Mutterunternehmen Hauptgenossenschaft  Nord AG) sind dies Bußgelder in empfindlicher Höhe. Die BayWa hat  mitgeteilt, dass sie drei Tochterunternehmen bzw. Unternehmensbeteiligungen veräußern wird: die Tessol GmbH, die Anteile an der Kartoffel-Centrum Bayern GmbH und die Anteile an der AHG Autohandelsgesellschaft. 
Die Rechtsanwaltskanzlei Hausfeld prüft im Auftrag von Landwirten nun, gegen die Handelsunternehmen auf Schadenersatz wegen überhöhter Preise zu klagen.  Dabei seien sowohl Einzel- als auch Sammelklagen denkbar.