Betrieb und Wirtschaft | 20. September 2018

Zaunbau ist zu arbeitsaufwändig

Von Heinrich von Kobylinski
Unter dem Titel „Der Wolf ist da” informierte der BLHV in Forbach im Nordschwarzwald über die aktuelle Lage und über die Konsequenzen für die Weidetierhaltung.
Der Titel war höchst zutreffend: Nur wenige Tage vor der Veranstaltung  waren im Nachbarort Gernsbach  vier gerissene Schafe aufgefunden worden. Inzwischen erhärtet sich der Verdacht, dass auch dort der Wolf aktiv war. Dr. Micha Herdtfelder, Wolfsexperte an der Forstlichen Versuchsanstalt (FVA) in Freiburg, berichtete, dass die Art des Befalls und der Zustand der Kadaver darauf hinwiesen. Nachdem Herdtfelder eine Reihe weiterer nachgewiesener Schadensfälle aufzählte,  zeigte sich bei den anwesenden Tierhaltern eine Mischung aus Resignation und Wut. Viele von ihnen betreiben Schaf- und Ziegenhaltung im Nebenerwerb, einige  als Hobby, „… in vielen Fällen nahe an der Grenze der Wirtschaftlichkeit”, so  BLHV-Justitiar Michael Nödl. 
 „Der Wolf ist nur die Spitze des Eisbergs,  die Öffentlichkeit wird das weitere Zuwachsen des Schwarzwaldes schon merken,  wenn wir aufhören”, sagte einer der Schäfer in der Diskussion.
Informierten und diskutierten in Forbach (von links): Thomas Huschle, Michael Nödl, Dr. Micha Herdtfelder und Martin Hauser.

 Bei der Beschreibung der Wolfspopulation und deren Vermehrungsrate machte  Herdtfelder deutlich, dass der Schwarzwald bei der aktuellen Gesetzeslage dauerhaft ein Wolfsgebiet bleiben wird, auch wenn in der Gegend erst ein Tier zu  beobachten sei , das sich dauerhaft festsetzt. Nach den Zahlen des letzten Monitorings von 2016/17 sind in Deutschland mindestens 60 Wolfsrudel nachweisbar, dazu 13 Paare und drei Einzeltiere.
 Zur starken Mobilität der Wolfspopulation trägt bei, dass junge Rüden mit der Geschlechtsreife ihr angestammtes Rudel verlassen und dabei hunderte Kilometer zurücklegen. Das Rudel selbst hat  ein Territorium von 200 bis 300 Quadratkilometern. Der große Aktionsraum  treibt im Schwarzwald die Zahl der gefährdeten Weiden sehr hoch.  Michael Nödl machte anhand bisheriger Vorfälle deutlich, dass eine Standardumzäunung vor dem Wolf nicht schützen kann. Erst Zäune ab einer Höhe von 90 cm hätten einen gewissen Effekt. Gleichzeitig müsste dazu noch ein Schutz vor dem Untergraben gewährleistet sein. Doch selbst wenn das gegeben sei und die  Höhe deutlich über 90 cm wäre,  könnte der Schutz trotzdem versagen.

Schaden durch Flucht
„Der Wolf muss gar nicht rein ins Areal, die Panikflucht  der Schafe reicht aus, damit großer Schaden entsteht”, sagte ein  Schäfer.  Nödl  nahm das zum  Anlass, auf weitere Risiken hinzuweisen: Sollte die Herde beim Ausbrechen auf eine dicht befahrene Straße kommen und Schäden verursachen, könnten daraus strafrechtliche Konsequenzen für den Tierhalter entstehen. Zumindest müsste er nachweisen, dass er die Verpflichtung zur Sorgfalt und Hütesicherheit eingehalten hat.
 Weiden in der Nähe von Bundesstraßen und Bahnlinien müssten aufwendiger geschützt sein als solche, die außerhalb des Zaunareals noch genügend Auslauf- und Entspannungsfläche bieten. Nödl  warnte  vor einem „Wettrüsten im Zaunbau”, mit  dem bestenfalls erreicht werde, dass der Wolf sich den geringsten Widerstand suche.
 Herdtfelder empfahl einen Flexinetz-Zaun mit effektiv 120 cm Höhe und gutem Bodenabschluss. Erforderlich sei eine Erdungsleiste, die mindestens 110 cm in den Boden reicht, um über eine hohe  Spannung einen Stromschlag von 2 bis 3 Joule Impulsenergie zu realisieren.
Hans-Jörg Wiederrecht, Ortsvorsteher und Vorsitzender der Ziegenfreunde in Bermersbach, sieht im Zaunbau und  dem staatlichen Förderprogramm für Herdenschutz kein taugliches Mittel.  Er verwies  auf die 32 Einzelweiden seiner Gemeinschaft, auf denen 60 ha Hangflächen offengehalten würden. Dafür  müssten Zäune in einer Länge von 28 Kilometern errichtet werden – eine Aufgabe, die ihm wegen Personalmangels nicht lösbar erscheint.
 Auch wenn von der öffentlichen Hand  90 %  der Materialkosten erstattet werden, sei  der Arbeitsaufwand nicht berücksichtigt. Wiederrecht bedauerte  daher, dass  künftige Übergriffe nur dann entschädigt werden, wenn ein funktionsgerechter Zaun vorhanden ist.
 
Durchalten
Martin Hauser, Revierförster und Wildtierbeauftragter des Kreises Rastatt, äußerte  angesichts der Streulage der Weideflächen Verständnis für die Situation der Tierhalter. Andererseits forderte er die Bewirtschafter  zum Durchhalten auf, weil sie nur so als Verhandlungspartner gegenüber der Öffentlichkeit eine Bedeutung behalten könnten. „Ungenutzte Flächen devastieren schnell”, mahnte der Förster.
Laut Thomas Huschle, Vorsitzender  des BLHV-Kreisverbandes Rastatt, ist beim  Thema Wolf  ein enger Dialog mit der Politik und der Öffentlichkeit erforderlich, in den sich der BLHV umso wirksamer einbringen könne, wenn er von Mitgliedern getragen werde, die weiterhin aktiv seien.