Betrieb und Wirtschaft | 23. November 2017

Wolf oder Weidehaltung, das ist die Frage

Von Rita Bolkart
Was der Wolf für die Höhenlandwirtschaft und den Tourismus bedeutet, wurde vergangene Woche bei einer Podiumsdiskussion in St. Märgen deutlich.
Auf dem Podium saß unter anderem  Andre Baumann, Staatssekretär  im baden-württembergischen Umweltministerium. Er nahm eine eindeutige und mehrfach unterstrichene Botschaft mit nach Stuttgart: Wolf oder Weidehaltung. 
Im völlig überfüllten Thurner-Wirtshaus, wohin der Grünen-Landtagsabgeordnete Reinhold Pix eingeladen hatte,  erlebte  Baumann  eine aufgeheizte Stimmung und Unverständnis von Tierhaltern  und Jägern.   Baumann machte deutlich, dass die landwirtschaftliche Leistung zur Offenhaltung der Kulturlandschaft sehr wohl geschätzt werde und diese keine andere Institution außer den Landwirten durch Weidehaltung leisten könne. Trotzdem sei  der Wolf geschützt. Er plädierte für einen gemeinsamen Weg, Landwirtschaft und die zu erwartende Wolfspopulation unter einen Hut zu bringen.
Umwelt-Staatssekretär Andre Baumann weiß jetzt Bescheid darüber, wie Tierhalter und Jäger im Hochschwarzwald denken.

 BLHV-Vizepräsident Bernhard Bolkart schilderte, welche Auswirkungen der Wolf auf seine Mutterkuhhaltung im topografisch schwierigen Gelände hätte. „Sie können lange mit Geld winken, das wirkt nicht mehr”, erklärte er. Wer 365 Tage Verantwortung und Risiko für seine Tiere trage, deren Wohlergehen ihm am Herzen liege, der könne im Schadensfall wenig mit finanzieller Entschädigung anfangen. Im Schadensfall wäre der finanzielle Verlust das kleinste Problem. Eine aufgeschreckte und traumatisierte Herde, die  unkontrollierbar reagiert, wäre der Alptraum jedes Tierhalters. 
Zäune und ihre Probleme
„Es gibt keinen Weidezaun, bei dem  der Wolf nicht reinkommt, und keinen, bei dem  mein Vieh nicht rauskommt”, fügte er zur Weidezaundiskussion an. Diese Aussagen unterstrich Ewald Klingele, Vorsitzender des Ziegenzuchtvereins Südschwarzwald. In den Schutzgebieten, die durch die Ziegenhalter bewirtschaftet werden, sei   die Installation eines Elektronetzes topografisch nicht denkbar. Er machte auf den enormen Arbeitsaufwand und die Kosten des „sicheren” Weidezaunes aufmerksam. Viele der  Richtlinien zum Schutz der Weidetiere seien  einfach in der Praxis nicht anwendbar, erklärte er.
Micha Herdtfelder von der Forstlichen Versuchs-  und Forschungsanstalt zeigte Verständnis für die Weidetierhalter. Es brauche für Schafe und Ziegen unbedingt einen Herdenschutz.  Aktuell allerdings machte er Hunde als größeres Problem für die Weidetiere aus.
Wolf Riedl vom Landesjagdverband fragte sich, wo in der zerschnittenen Kulturlandschaft in Baden-Württemberg der Wolf sein Revier haben soll. „Der Wolf ist ein Raubtier”, erklärte er.  Zäune wären nicht zu erstellen und der Einsatz von Herdenschutzhunden wäre für den Menschen auch nicht ungefährlich.
Wie aus einer anderen Welt erschienen den Besuchern die Ausführungen von Walter Kemkes, Geschäftsführer des Biosphärengebietes Schwarzwald. Obwohl die Landschaft Weidetiere brauche, plädierte er für Harmonie und Konfliktbewältigung. Seine Aufgabe definierte er in Prävention und Information. Außerdem wolle man zeigen, dass der böse Wolf ein Märchen sei. „Wir wollen dem schlauen Wolf einen schlaueren Menschen gegenüberstellen”, sagte er.
Hitzig
Die von Ulrich Schraml geleitete  Diskussion wurde dann emotional und hitzig geführt. Die Landwirte hatten wenig Verständnis dafür, dass die Ansiedlung eines nicht vom Aussterben bedrohten Tieres so begrüßt werde. Sie  machten den Staatssekretär mehr als einmal auf die Folgen aufmerksam. „Es bleibt mir nichts anderes übrig, als die Bio-Kuh im Stall zu lassen”, erklärte Landwirt Fridolin Saier.
 Baumann wies darauf hin, dass die Gesellschaft die Ansiedlung des Wolfes wünsche. Dies stellte  Bolkart in Frage. Es seien  wohl eher bestimmte Interessengruppen, die das begrüßten. Wo bleibe der Tierschutz für die Nutztiere, fragte Schäfer Adolf Frank. „Ich will diesen Brei nicht ums Maul geschmiert kriegen, wir haben genug Probleme, ich brauche keinen Wolf”, ergänzte er unter großem Beifall.
 Bei mehrfachen Angriffen auf eine Herde könnte man  eingreifen, stellte Baumann in Aussicht. Die  Tierhalter machten ihm deutlich, dass sie es darauf nicht ankommen lassen wollen. „Wenn Sie den Wolf einführen, führen sie uns aus”, kommentierte  Landwirt Matthias Maier.
 Baumann wies darauf hin, dass die Förderbeiträge über FAKT erhöht werden sollen. Großes Gelächter unterstrich, dass es den Bauern weniger um die Entschädigung geht, sondern vielmehr um das Tierwohl und die Anerkennung der Weidewirtschaftsweise, die vom Verbraucher gefordert wird. Aus dem Publikum kam die Frage, wie trotz der FFH-Richtlinien in Sachsen und den skandinavischen Ländern Tiere entnommen werden können und ob die 30 Jahre alten Richtlinien nicht angepasst werden sollten. Gegen skandinavische Länder laufe derzeit ein Vertragsverletzungsverfahren, sagte  Baumann.
Als Chance begriff Walter Kemkes die  Rückkehr des Wolfes in touristischer Hinsicht. Da werde es keinen Besucherrückgang geben, verschiedene Kommunen dächten bereits über  „Wolfstourismus” nach.
 „Sie werden es nicht schaffen, dass die Landwirte diese Zäune bauen”, prognostizierte  Dieter Geiger vom Deutschen Jagdverband, „ich warne euch, in fünf Jahren wird das massiv anders aussehen als heute.”
"Ich werde mir zu helfen wissen"
In weiteren Wortmeldungen machte das Publikum  deutlich, dass die Wolfsansiedlung von aktivem und  passivem Widerstand der Tierhalter begleitet sein werde. Die Einstellung der Tierhaltung, Stallhaltung und im Notfall auch aktive Wolfsbekämpfung  schlossen die Tierhalter nicht aus. „Ich werde mir zu helfen wissen”, so  beispielsweise eine Aussage.
Unterstützung erhielten die  Tierhalter von den Bürgermeistern Janette Fuchs (Todtmoos), Thomas Kaiser (Häusern) und Manfred Kreutz (St. Märgen). Als „ein gewisses Luxusproblem” bezeichnete  Kreutz die Wiederansiedlung.    Eine Wolfspopulation im dicht besiedelten Gebiet mache wenig Sinn. Er appellierte an  Baumann,  im Rahmen der Politik des „Gehörtwerdens” die Stimmung nach Stuttgart zu übermitteln.