Wolf oder Weidehaltung, das ist die Frage
Im völlig überfüllten Thurner-Wirtshaus, wohin der Grünen-Landtagsabgeordnete Reinhold Pix eingeladen hatte, erlebte Baumann eine aufgeheizte Stimmung und Unverständnis von Tierhaltern und Jägern. Baumann machte deutlich, dass die landwirtschaftliche Leistung zur Offenhaltung der Kulturlandschaft sehr wohl geschätzt werde und diese keine andere Institution außer den Landwirten durch Weidehaltung leisten könne. Trotzdem sei der Wolf geschützt. Er plädierte für einen gemeinsamen Weg, Landwirtschaft und die zu erwartende Wolfspopulation unter einen Hut zu bringen.
BLHV-Vizepräsident Bernhard Bolkart schilderte, welche Auswirkungen der Wolf auf seine Mutterkuhhaltung im topografisch schwierigen Gelände hätte. „Sie können lange mit Geld winken, das wirkt nicht mehr”, erklärte er. Wer 365 Tage Verantwortung und Risiko für seine Tiere trage, deren Wohlergehen ihm am Herzen liege, der könne im Schadensfall wenig mit finanzieller Entschädigung anfangen. Im Schadensfall wäre der finanzielle Verlust das kleinste Problem. Eine aufgeschreckte und traumatisierte Herde, die unkontrollierbar reagiert, wäre der Alptraum jedes Tierhalters.
Micha Herdtfelder von der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt zeigte Verständnis für die Weidetierhalter. Es brauche für Schafe und Ziegen unbedingt einen Herdenschutz. Aktuell allerdings machte er Hunde als größeres Problem für die Weidetiere aus.
Wolf Riedl vom Landesjagdverband fragte sich, wo in der zerschnittenen Kulturlandschaft in Baden-Württemberg der Wolf sein Revier haben soll. „Der Wolf ist ein Raubtier”, erklärte er. Zäune wären nicht zu erstellen und der Einsatz von Herdenschutzhunden wäre für den Menschen auch nicht ungefährlich.
Wie aus einer anderen Welt erschienen den Besuchern die Ausführungen von Walter Kemkes, Geschäftsführer des Biosphärengebietes Schwarzwald. Obwohl die Landschaft Weidetiere brauche, plädierte er für Harmonie und Konfliktbewältigung. Seine Aufgabe definierte er in Prävention und Information. Außerdem wolle man zeigen, dass der böse Wolf ein Märchen sei. „Wir wollen dem schlauen Wolf einen schlaueren Menschen gegenüberstellen”, sagte er.
Baumann wies darauf hin, dass die Gesellschaft die Ansiedlung des Wolfes wünsche. Dies stellte Bolkart in Frage. Es seien wohl eher bestimmte Interessengruppen, die das begrüßten. Wo bleibe der Tierschutz für die Nutztiere, fragte Schäfer Adolf Frank. „Ich will diesen Brei nicht ums Maul geschmiert kriegen, wir haben genug Probleme, ich brauche keinen Wolf”, ergänzte er unter großem Beifall.
Bei mehrfachen Angriffen auf eine Herde könnte man eingreifen, stellte Baumann in Aussicht. Die Tierhalter machten ihm deutlich, dass sie es darauf nicht ankommen lassen wollen. „Wenn Sie den Wolf einführen, führen sie uns aus”, kommentierte Landwirt Matthias Maier.
Baumann wies darauf hin, dass die Förderbeiträge über FAKT erhöht werden sollen. Großes Gelächter unterstrich, dass es den Bauern weniger um die Entschädigung geht, sondern vielmehr um das Tierwohl und die Anerkennung der Weidewirtschaftsweise, die vom Verbraucher gefordert wird. Aus dem Publikum kam die Frage, wie trotz der FFH-Richtlinien in Sachsen und den skandinavischen Ländern Tiere entnommen werden können und ob die 30 Jahre alten Richtlinien nicht angepasst werden sollten. Gegen skandinavische Länder laufe derzeit ein Vertragsverletzungsverfahren, sagte Baumann.
Als Chance begriff Walter Kemkes die Rückkehr des Wolfes in touristischer Hinsicht. Da werde es keinen Besucherrückgang geben, verschiedene Kommunen dächten bereits über „Wolfstourismus” nach.
„Sie werden es nicht schaffen, dass die Landwirte diese Zäune bauen”, prognostizierte Dieter Geiger vom Deutschen Jagdverband, „ich warne euch, in fünf Jahren wird das massiv anders aussehen als heute.”
Unterstützung erhielten die Tierhalter von den Bürgermeistern Janette Fuchs (Todtmoos), Thomas Kaiser (Häusern) und Manfred Kreutz (St. Märgen). Als „ein gewisses Luxusproblem” bezeichnete Kreutz die Wiederansiedlung. Eine Wolfspopulation im dicht besiedelten Gebiet mache wenig Sinn. Er appellierte an Baumann, im Rahmen der Politik des „Gehörtwerdens” die Stimmung nach Stuttgart zu übermitteln.