Politik | 05. November 2020

Wölfe vermehren sich in Deutschland kräftig

Von AgE
Die Zahl der Wölfe in Deutschland hat auch nach den amtlichen Erhebungen seit dem vergangenen Jahr stark zugenommen.
Nach Angaben des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) gab es im Monitoringjahr 2019/20, das am 30. April 2020 zu Ende ging, bundesweit insgesamt 128 Wolfsrudel, 35 Paare sowie zehn Einzelgänger.
Nach Angaben des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) gab es im Monitoringjahr 2019/20, das am 30. April 2020 zu Ende ging, bundesweit insgesamt 128 Wolfsrudel, 35 Paare sowie zehn Einzelgänger. Ein Jahr zuvor hatte die Zählung 105 Rudel, 41 Wolfspaare und zwölf Einzelwölfe ergeben.
Der Deutsche Jagdverband (DJV) hat allerdings erhebliche Zweifel an den offiziellen Zahlen. Er weist darauf hin, dass diese Erfassung der tatsächlichen Entwicklung beträchtlich hinterherhinkt und den Nachwuchs vom Frühjahr 2020 nicht berücksichtigt. Der Verband wirft deshalb dem BfN vor, die Ergebnisse kleinzurechnen.
Eine Gesamtzahl der in Deutschland lebenden Wölfe gibt das Bundesamt für Naturschutz nicht heraus. Nach seiner Darstellung ist das Monitoring der Bundesländer nicht auf die Erfassung der Zahl der Wolfsindividuen ausgerichtet. Zudem variierten die Rudelgrößen sehr stark, so dass eine Schätzung eines Gesamtbestands bestenfalls nur mit einer großen Unsicherheit durchgeführt werden könne. Nach DJV-Hochrechnungen lebten allerdings bereits in diesem Frühjahr insgesamt rund 1800 Wölfe in Deutschland.
Diese Entwicklung bietet dem Verband zufolge Grund zur Sorge, die der Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Joachim Rukwied, teilt. „Die Zahl der Wölfe in Deutschland steigt weiterhin rasant und ist inzwischen deutlich zu hoch. Wir müssen den Wolfsbestand begrenzen”, forderte Rukwied angesichts der vorliegenden Bestandszahlen. Das Bundesumweltministerium und das Bundesamt für Naturschutz dürften nicht länger die Augen vor den Existenzsorgen der Weidetierhalter und den Ängsten der Menschen im ländlichen Raum verschließen. „Jetzt nicht regulierend einzugreifen ist fahrlässig und wird zu unumkehrbaren Problemen für die Weidetierhaltung führen”, warnte der DBV-Präsident. Die Zunahme an Rissen lassen nach seiner Einschätzung eine Weidetierhaltung bald nicht mehr zu. Nahezu täglich angefressene, zerfetzte, getötete Tiere auf den Weiden seien inakzeptabel, konterkarierten den Tierschutz und seien für die Tierhalter nicht zumutbar, so Rukwied.
Der Wolf ist in 15 Bundesländern präsent
Auch BfN-Präsidentin Professor Beate Jessel konstatierte, dass der Wolfsbestand in Deutschland zunehme. Sie stellte darüber hinaus fest, dass ebenfalls die Zahl von Totfunden deutlich gestiegen sei. Mit 126 aufgefundenen toten Wölfen habe sich diese Kennzahl im Vergleich zu 2017/18 mehr als verdoppelt. Nach Verkehrsunfällen sei die illegale Tötung mit insgesamt elf Tieren die zweithäufigste Todesursache gewesen, monierte die BfN-Präsidentin. Vor diesem Hintergrund wies Jessel nochmals  darauf hin, dass der Wolf eine streng geschützte Art sei und bleibe. Wie das BfN weiter berichtete, konnte der Beutegreifer inzwischen in 15 Bundesländern nachgewiesen werden.
Das Vorkommen konzentriert sich laut amtlichen Erhebungen jedoch nach wie vor noch auf das Gebiet von Sachsen in nordwestlicher Richtung über Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern nach Niedersachsen. Weitere Territorien wurden in Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Thüringen nachgewiesen. Die meisten Wolfsrudel lebten im Monitoringjahr 2019/20 in Brandenburg mit 47 Gruppen, gefolgt von Sachsen mit 28 und Niedersachsen mit 23 Rudeln. Mit Blick auf die bestehenden Unklarheiten bei der Erhebung forderte DJV-Vizepräsident Helmut Dammann-Tamke das BfN zu einer zeitnahen und an der realen Situation ausgerichteten Informationspolitik auf.
Nach Darstellung des Jagdverbandes hat sich in Deutschland schon jetzt ein Wolfsbestand etabliert, der weit über dem liegt, was in anderen europäischen Ländern als Gesamtbestand zugelassen wird. Im Nachbarland Frankreich sei beispielsweise die Untergrenze des günstigen Erhaltungszustandes der Wolfspopulation von 500 Individuen im Managementplan festgelegt.
Gestützt auf Aussagen von Wissenschaftlern vertritt der DJV die Ansicht, dass der günstige Erhaltungszustand des Wolfes in Deutschland inzwischen erreicht ist. Der Verband bekräftigte daher seine Forderung nach einem aktiven Wolfsmanagement, einer ökologischen Raumplanung mit Wolfausschlussarealen, der Bestimmung eines Akzeptanzbestandes und der Aufnahme des Wolfes ins Jagdrecht.
Exponentielles Wachstum
„Das Wachstum der Wolfspopulation ist exponentiell”, warnte auch der jagdpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Karlheinz Busen. Er äußerte die Befürchtung, dass bei den aktuellen Vermehrungsraten im Jahr 2024 bereits 5500 Wölfe und 2029 sogar 25600 Beutegreifer in Deutschland leben dürften. Auch nach Busens Überzeugung sind deshalb gesetzliche Vorgaben für bestandsregulierende Maßnahmen dringend erforderlich. 
Bruch in Brandenburg
Die  Brandenburger Landnutzerverbände haben beim Thema Wolfsmanagement mit der Landesregierung gebrochen. Eigenen Angaben zufolge beschlossen die Vorstände der im Forum Natur Brandenburg organisierten Verbände des ländlichen Raumes vergangene Woche, sich mit sofortiger Wirkung aus allen Gremien des brandenburgischen Wolfsmanagements zurückzuziehen. Anlass war eine zuvor durchgeführte Sitzung der „Grundsatz Arbeitsgruppe Wolf” im brandenburgischen Landwirtschaftsministerium.
Nach Auffassung der Landnutzer sind diese Sitzungen zu „reinen Alibiveranstaltungen” ohne echte Gestaltungsmöglichkeiten für die Teilnehmer „verkommen”. So sei den Verbänden mit der Einladung zur jüngsten Sitzung eine von Landwirtschaftsminister Axel Vogel bereits unterschriebene Richtlinie für die Schadensprävention vorgelegt worden, in der lediglich noch das Datum gefehlt habe. Auf der Sitzung sei außerdem die dringend notwendige Debatte um die Novelle der brandenburgischen Wolfsverordnung vom zuständigen Referatsleiter damit eingeleitet worden, dass über keine von den Verbänden angeregte Neuregelung auch nur nachgedacht werden könne.