Auch Dohlen für Bäche, die einen größeren Durchmesser haben, können Wölfen einen Weg auf die Weide bieten. Sie sollten daher stets abgedichtet werden.
Die Basis für den erfolgreichen
Herdenschutz liefert die Verhaltensökologie des Wolfes. Wölfe sind sehr
intelligente und lernfähige Rudeltiere. Gleichzeitig zeichnen sich die
erwachsenen Tiere durch ein sehr vorsichtiges Verhalten gegenüber
unbekannten oder schwer einzuordnenden Strukturen aus. Das Verhalten des
Wolfes zu kennen und zu verstehen hilft dabei, den Blick für die
entscheidenden Details beim Schutz der Weidetiere zu schärfen und
geeignete Maßnahmen auszuwählen.
Negative Konditionierung: Schmerzhafte Erfahrung durch Strom
Die schmerzhafte Erfahrung eines Stromschlags wirkt nicht nur bei
Nutztieren oder Hunden abschreckend, sondern auch bei Wölfen. Ein
Stromzaun stellt weniger eine mechanische als eine psychologische
Barriere dar. Die negative Erfahrung des Stromschlags führt in aller
Regel zu erheblichem Respekt vor dem Zaun bzw. einer Meidung von Zäunen.
Damit der Strom seine abschreckende Wirkung entfaltet, müssen alle
Komponenten des Zaunsystems optimal aufeinander angepasst sein.
Vermeidung von Sprüngen über elektrifizierte Zäune
Elektrifizierte Zäune scheinen für Wölfe ein schwer einschätzbares Hindernis darzustellen. Wölfe scheuen in der Regel den Sprung über elektrifizierte Zäune, sobald diese höher sind als sie
selbst. Gehegeversuche konnten eindrücklich belegen, dass selbst niedere
Litzenzäune nicht automatisch übersprungen werden. Hundehaltern mag
dies bekannt sein: Viele Hunde lernen erst durch Training, über Zäune zu
springen. Ein nicht elektrifizierter Zaun kann hingegen überklettert
werden.
Der Wolf hat circa 70 cm Stockmaß und sollte nicht in der Lage sein,
über den Zaun hinweg schauen zu können. So kann ein Überspringen in
aller Regel bereits verhindert werden. Bei der Wahl der Zaunhöhe sollte
das umliegende Gelände berücksichtigt werden. In der Ebene werden
105 cm empfohlen, in Hanglage kann die Installation einer zusätzlichen
Litze auf 120 cm notwendig sein.
Durchschlüpfen, Unterkriechen oder Untergraben von Zäunen
Wölfe versuchen in der Regel, unter einem Zaun hindurch zu kommen
anstatt ihn zu überspringen. Auch dies konnte in verschiedenen
Gehegeversuchen mit Litzen- und Netzzäunen gezeigt werden. Da der
Brustkorb eines Wolfes circa 25 cm breit ist, sollte die unterste
stromführende Litze nicht mehr als 20 cm vom Boden entfernt sein, damit
sich das Tier nicht darunter durchdrücken kann bzw. beim Versuch zu
graben ebenfalls mit dem Zaun in Berührung kommt. Wenn keine
Abschreckung durch einen Stromschlag erfolgt, nutzen Wölfe zum Beispiel
vorhandene kleinere Durchschlüpfe (von Fuchs etc.), indem sie diese
erweitern, oder sie graben selbst einen neuen Durchlass. Auch Dohlen
oder Gräben, die unter dem Zaun hindurchführen, müssen beachtet und
möglichst so abgedichtet werden, dass ein Wolf nicht mehr hindurch
passt. Bei großen Dohlen kann dies zum Beispiel durch einen Bauzaun
erreicht werden. Bei Gräben oder Bächen kann mit zusätzlichen Litzen gearbeitet werden.
Ausbruchssicherheit gegenüber Einbruchssicherheit – Barrieren, die keine sind
Auf allen Seiten der Weide sollte mit wolfsabweisenden Zäunen gearbeitet
werden, denn Wölfe können viele Strukturen überqueren, die für
Nutztiere Barrieren sind. Bäche und Flüsse können durchschwommen werden.
Eine Trockensteinmauer, welche die Nutztiere am Ausbrechen hindert,
kann als Einsprungmöglichkeit genutzt oder überklettert werden. Auch
Baumstümpfe, Bänke, Holzstapel oder andere Geländestrukturen, die direkt
an eine Weide angrenzen, können dem Wolf das Eindringen ermöglichen und
sollten unbedingt berücksichtigt werden. Wenn sie nicht entfernt oder
verlegt werden können, sollten sie zum Beispiel für die Dauer der
Beweidung ausgezäunt werden.
Angst vor Neuem
Die sogenannte „Neophobie” wurde an Gehegewölfen erforscht und ist auch
von freilebenden Wölfen bekannt. Während die Angst von Wölfen vor
unbekannten, sich bewegenden Objekten früher bei der „Lappjagd” („durch
die Lappen gegangen”) mit Lappenzäunen genutzt worden ist, können heute
ähnliche Maßnahmen wie Flatterbänder/Lappen an Zäunen oder Blinklichter
abschreckend auf die Tiere wirken. Da alles Neue aber mit der Zeit
vertraut wird, verliert diese Abschreckung nach der Dauer von einigen
Wochen ihre Wirkung. Diese Maßnahmen werden empfohlen, wenn ein Riss in
unmittelbarer Nähe der Weidetiere stattgefunden hat.
Farbwahrnehmung
Wölfe nehmen in der Dämmerung besonders gut Hell-Dunkel-Kontraste war.
Da auch andere Wildtiere Kontraste besser erkennen können als zum
Beispiel die Farbe Orange, kann bei der Wahl von Flatterband und anderem
Material mit der Berücksichtigung der Farbwahl eine bessere
Wahrnehmung und Abschreckung erzielt werden.
Abwägung von Risiken
Für Wölfe ist es von essenzieller Bedeutung, sich bei der Jagd keine
gravierenden Verletzungen zuzuziehen.
Flatterbänder haben für einen begrenzten Zeitraum einen abschreckenden Effekt. Auch andere Wildtiere können den Zaun so besser wahrnehmen und es kann dadurch zu einer Verringerung von Wildschäden kommen.
Daher wägen sie genau ab, wie hoch
das Risiko eines Angriffs ist. Gefahr kann zum Beispiel von den
Beutetieren selbst ausgehen – dementsprechend sind Schafe oder Ziegen
weitaus mehr gefährdet als wehrhafte Tiere wie Rinder und Pferde.
Ein besonderes Risiko beim Angriff auf Nutztiere stellen
Herdenschutzhunde dar. Diese zeigen Wölfen gegenüber durch lautes Bellen
und durch körperliche Präsenz sehr deutlich, dass sie ihre
Nutztierherde aktiv verteidigen. Sie bilden insbesondere in Kombination
mit einem Elektrozaun eine sehr wirkungsvolle Abschreckung gegenüber
Wolfsangriffen. In den meisten Fällen gehen Wölfe diesem Risiko aus dem
Weg und suchen andernorts Nahrung. Herdenschutzhunde sind allerdings
nicht für jeden Tierhalter und jede Weide geeignet und sollten daher nur
wohlüberlegt und nach Aufsuchen fachlicher Beratung angeschafft werden.