Miteinander reden kann Gräben überwinden – auch zwischen Landwirtschaft und Naturschutz. Doch daran hapert es oft, stellt die Universität Hohenheim fest. Die Hochschule führte ein Forschungsprojekt durch, mit dem sie Lösungsmöglichkeiten aufzeigen will.
„Die Probleme entstehen weniger in der direkten Kommunikation zwischen den Beteiligten als vielmehr in der öffentlichen Kommunikation”, so die Universität Hohenheim.
Dem Ziel, dauerhaft und flächendeckend eine biodiversitätsfreundlichere Landwirtschaft zu erreichen, kommt man nur mit Kommunikation näher. Ein von der Universität Hohenheim in Stuttgart durchgeführtes und vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) gefördertes Forschungsprojekt zeigt nun Lösungsmöglichkeiten auf, meldet die Universität. Nachfolgend wesentliche Erkenntnisse aus dem Prohjekt aus der Sicht der Universität Hohenheim:
Wie kann der Dialog verbessert werden?
Auch wenn etliche gelungene Initiativen zeigen, dass
zwischen Landwirtschaft und Naturschutz vielfach Einigkeit über die
Ziele der landwirtschaftlichen Entwicklung besteht, gibt es vor allem in
der öffentlichen Kommunikation anhaltende, teils heftige
Auseinandersetzungen. Statt in einen offenen, fairen und konstruktiven
Meinungsaustausch zu treten und nach gemeinsamen Lösungen zu suchen,
sind die Fronten oft verhärtet. Die zentrale Frage lautet daher: Wie
kann dieser Dialog verbessert werden?
Der Kommunikationswissenschaftler Professor Wolfgang Schweiger und
seine Doktorandin Verena Menauer von der Universität Hohenheim haben
drei Jahre dazu geforscht. Im November 2022 luden sie zusammen mit dem
BfN Vertreter aus Wissenschaft, Verbänden, Behörden und Praxis zu einem
Workshop der internationalen Naturschutzakademie auf der Ostseeinsel
Vilm ein. Das Ergebnis: Ein gemeinsames Konsenspapier der rund 40
Teilnehmerinnen und Teilnehmer.
Demnach sind zwei zentrale Punkte entscheidend, wenn man die öffentliche
Kommunikation zwischen Landwirtschaft und Naturschutz verbessern will:
Wissen übereinander vermitteln und Verständnis füreinander schaffen.
„Beides kann dazu beitragen, Vorurteile abzubauen, bestehende
Gemeinsamkeiten stärker als bisher aufzuzeigen und eine gemeinsame
Vertrauens- und Wissensbasis zu schaffen – die Grundlage für
konstruktive öffentliche Kommunikation”, betont Professor Schweiger.
Um das zu erreichen, zeigt das Konsenspapier einen Maßnahmenkatalog
auf. Bei allen Beteiligten aus Landwirtschaft und Naturschutz sollte ein
höherer Wissensstand über das jeweils andere Feld angestrebt werden.
Dies betrifft sowohl die fachliche Ebene als auch die soziale Ebene.
Ziel ist es, die Werte, Probleme, Interessen und Einstellungen der
jeweils anderen Gruppe – zumindest in ihren Grundzügen – kennenzulernen.
Und dies am besten schon bei der Ausbildung.
Sich als Partner statt als Gegner wahrnehmen
Zudem ist es wünschenswert,
den direkten und persönlichen Austausch zwischen den beiden Seiten auf
allen Ebenen zu intensivieren und optimieren. Dies kann beispielsweise
in Form von regelmäßigen gemeinsamen Arbeitskreisen oder Stammtischen,
im Rahmen von Projekten oder Veranstaltungen geschehen. Dazu gehört auch
die Vermittlung von Grundkenntnissen in der Kommunikation während der
Ausbildung beziehungsweise als Weiterbildungsangebot.
Gerade bei Dialogen auf höheren politischen Ebenen sollten die
beteiligten Interessenvertreterinnen und -vertreter so gewählt werden,
dass beschlossene Maßnahmen und Projekte später auf Akzeptanz stoßen.
Außerdem sollten sich die Beteiligten beider Seiten stärker als Partner
denn als Gegner wahrnehmen. Denn wenngleich hinsichtlich einzelner
Themen nach wie vor große Differenzen bestehen, herrscht in vielen
Bereichen auch Einigkeit. Diese gemeinsamen Interessen sollten stärker
identifiziert und öffentlich kommuniziert werden.
„Die Probleme entstehen weniger in der direkten Kommunikation zwischen
den Beteiligten als vielmehr in der öffentlichen Kommunikation”, so
Professor Schweiger. „Dies betrifft den Nachrichten- und
Fachjournalismus genauso wie die öffentlichen Kommunikationsangebote
interessengeleiteter und staatlicher Akteure sowie Kommentare in den
sozialen Medien.”
Deshalb analysierte Verena Menauer die öffentliche Kommunikation zum
Verhältnis zwischen Naturschutz und Landwirtschaft. Zudem wertete sie
erfolgreiche Initiativen aus, die sich einer Verbesserung dieser
Kommunikation widmen (Best Practices).
Vielfältige Probleme und Ursachen
„Oft fehlt es an der Bereitschaft zum öffentlichen
Austausch. Teilweise verweigern die Beteiligten das Gespräch
vollständig”, nennt Professor Schweiger als Beispiel für Probleme.
„Statt gemeinsam Lösungen oder Kompromisse zu finden, versuchen sie die
eigene Seite durch konfrontative, emotionalisierte Kommunikation zu
mobilisieren.” Aber auch die öffentliche Berichterstattung trage ihren
Teil dazu bei.
Medien tragen Mitverantwortung
Sowohl Nachrichten- als auch Fachmedien berichteten
meist nur über negative, konfliktbehaftete Themen. Erfolgreichen
Projekten oder kooperativen Ansätzen werde nach den Beobachtungen von
Verena Menauer kaum Aufmerksamkeit geschenkt.
Die Ursachen für diese Probleme sind ebenso vielfältig. Beispielsweise
unterscheiden sich Landwirte und Personen aus dem Naturschutzbereich
erheblich in ihrer emotionalen und finanziellen Betroffenheit. Landwirte
sind – im Gegensatz zu vielen Naturschutz-Akteuren – oft unmittelbar
und persönlich von politischen Entscheidungen betroffen.
Naturschutzauflagen werden von ihnen als Eingriff in ihre
unternehmerische Freiheit und oft als existenzgefährdend wahrgenommen.
Außerdem fehle manchen Beteiligten das notwendige Wissen für eine
angemessene Teilnahme an der öffentlichen Debatte, so Professor
Schweiger. Das betreffe Landwirtschaft, Naturschutz und Journalismus
gleichermaßen. „Um den Problemen zu begegnen, muss eine gemeinsame
Vertrauens- und Wissensbasis entstehen”, unterstreicht er.
Weitere Informationen zum Konsenspapier:
https://bit.ly/3GMUJ9g