Politik | 18. Januar 2023

Wissen übereinander und Verständnis füreinander sind sehr wichtig

Von red
Miteinander reden kann Gräben überwinden – auch zwischen Landwirtschaft und Naturschutz. Doch daran hapert es oft, stellt die Universität Hohenheim fest. Die Hochschule führte ein Forschungsprojekt durch, mit dem sie Lösungsmöglichkeiten aufzeigen will.
„Die Probleme entstehen weniger in der direkten Kommunikation zwischen den Beteiligten als vielmehr in der öffentlichen Kommunikation”, so die Universität Hohenheim.
Dem Ziel, dauerhaft und flächendeckend eine biodiversitätsfreundlichere Landwirtschaft zu erreichen, kommt man nur mit Kommunikation näher. Ein von der Universität Hohenheim in Stuttgart durchgeführtes und vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) gefördertes Forschungsprojekt zeigt nun Lösungsmöglichkeiten auf, meldet die Universität. Nachfolgend wesentliche Erkenntnisse aus dem Prohjekt aus der Sicht der Universität Hohenheim:
Wie kann der Dialog verbessert werden?
Auch wenn etliche gelungene Initiativen zeigen, dass zwischen Landwirtschaft und Naturschutz vielfach Einigkeit über die Ziele der landwirtschaftlichen Entwicklung besteht, gibt es vor allem in der öffentlichen Kommunikation anhaltende, teils heftige Auseinandersetzungen. Statt in einen offenen, fairen und konstruktiven Meinungsaustausch zu treten und nach gemeinsamen Lösungen zu suchen, sind die Fronten oft verhärtet. Die zentrale Frage lautet daher: Wie kann dieser Dialog verbessert werden?
Der Kommunikationswissenschaftler Professor Wolfgang Schweiger und seine Doktorandin Verena Menauer von der Universität Hohenheim haben drei Jahre dazu geforscht. Im November 2022 luden sie zusammen mit dem BfN Vertreter aus  Wissenschaft, Verbänden, Behörden und Praxis zu einem Workshop der internationalen Naturschutzakademie auf der Ostseeinsel Vilm ein. Das Ergebnis: Ein gemeinsames Konsenspapier der rund 40 Teilnehmerinnen und Teilnehmer.
Demnach sind zwei zentrale Punkte entscheidend, wenn man die öffentliche Kommunikation zwischen Landwirtschaft und Naturschutz verbessern will: Wissen übereinander vermitteln und Verständnis füreinander schaffen. „Beides kann dazu beitragen, Vorurteile abzubauen, bestehende Gemeinsamkeiten stärker als bisher aufzuzeigen und eine gemeinsame Vertrauens- und Wissensbasis zu schaffen – die Grundlage für konstruktive öffentliche Kommunikation”, betont Professor Schweiger.
Um das zu erreichen, zeigt das Konsenspapier einen  Maßnahmenkatalog auf. Bei allen Beteiligten aus Landwirtschaft und Naturschutz sollte ein höherer Wissensstand über das jeweils andere Feld angestrebt werden. Dies betrifft sowohl die fachliche Ebene als auch die soziale Ebene. Ziel ist es, die Werte, Probleme, Interessen und Einstellungen der jeweils anderen Gruppe – zumindest in ihren Grundzügen – kennenzulernen. Und dies am besten schon bei der Ausbildung.
Sich als Partner statt als Gegner wahrnehmen
Zudem ist es wünschenswert, den direkten und persönlichen Austausch zwischen den beiden Seiten auf allen Ebenen zu intensivieren und optimieren. Dies kann beispielsweise in Form von regelmäßigen gemeinsamen Arbeitskreisen oder Stammtischen, im Rahmen von Projekten oder Veranstaltungen geschehen. Dazu gehört auch die Vermittlung von Grundkenntnissen in der Kommunikation während der Ausbildung beziehungsweise als Weiterbildungsangebot.
Gerade bei Dialogen auf höheren politischen Ebenen sollten die beteiligten Interessenvertreterinnen und -vertreter so gewählt werden, dass beschlossene Maßnahmen und Projekte später auf Akzeptanz stoßen. Außerdem sollten sich die Beteiligten beider Seiten stärker als Partner denn als Gegner wahrnehmen. Denn wenngleich hinsichtlich einzelner Themen nach wie vor große Differenzen bestehen, herrscht in vielen Bereichen auch Einigkeit. Diese gemeinsamen Interessen sollten stärker identifiziert und öffentlich kommuniziert werden.
„Die Probleme entstehen weniger in der direkten Kommunikation zwischen den Beteiligten als vielmehr in der öffentlichen Kommunikation”, so Professor  Schweiger. „Dies betrifft den Nachrichten- und Fachjournalismus genauso wie die öffentlichen Kommunikationsangebote interessengeleiteter und staatlicher Akteure sowie Kommentare in den sozialen Medien.”
Deshalb analysierte Verena Menauer die öffentliche Kommunikation zum Verhältnis zwischen Naturschutz und Landwirtschaft. Zudem wertete sie erfolgreiche Initiativen aus, die sich einer Verbesserung dieser Kommunikation widmen (Best Practices).
Vielfältige Probleme und Ursachen
„Oft fehlt es an der Bereitschaft zum öffentlichen Austausch. Teilweise verweigern die Beteiligten das Gespräch vollständig”, nennt Professor Schweiger als Beispiel für Probleme. „Statt gemeinsam Lösungen oder Kompromisse zu finden, versuchen sie die eigene Seite durch konfrontative, emotionalisierte Kommunikation zu mobilisieren.”  Aber auch die öffentliche Berichterstattung trage ihren Teil dazu bei.
Medien tragen Mitverantwortung
Sowohl Nachrichten- als auch Fachmedien berichteten meist nur über negative, konfliktbehaftete Themen. Erfolgreichen Projekten oder kooperativen Ansätzen werde nach den Beobachtungen von Verena Menauer kaum Aufmerksamkeit geschenkt.
Die Ursachen für diese Probleme sind ebenso vielfältig. Beispielsweise unterscheiden sich Landwirte und Personen aus dem Naturschutzbereich erheblich in ihrer emotionalen und finanziellen Betroffenheit. Landwirte sind – im Gegensatz zu vielen Naturschutz-Akteuren – oft unmittelbar und persönlich von politischen Entscheidungen betroffen. Naturschutzauflagen werden von ihnen  als Eingriff in ihre unternehmerische Freiheit und  oft als existenzgefährdend wahrgenommen.
Außerdem fehle manchen Beteiligten das notwendige Wissen für eine angemessene Teilnahme an der öffentlichen Debatte, so Professor Schweiger. Das betreffe Landwirtschaft, Naturschutz und Journalismus gleichermaßen. „Um den Problemen zu begegnen, muss eine gemeinsame Vertrauens- und Wissensbasis entstehen”, unterstreicht er.
Weitere Informationen zum Konsenspapier: https://bit.ly/3GMUJ9g