Politik | 07. November 2019

Wird GAP nationaler und bürokratischer?

Von AgE
Der Agrarsprecher der Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialdemokraten (S&D) im Europaparlament, Paolo De Castro, befürchtet nicht nur eine starke Renationalisierung der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU (GAP), sondern auch mehr Bürokratie in den Mitgliedstaaten.
Der  ehemalige italienische Landwirtschaftsminister beklagt  im Interview mit dem Fachpressedienst  Agra Europe,  dass die strategischen Pläne zur Reform
der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) nach 2020, so wie sie derzeit konzipiert seien, den größten Teil der Regulierung und Umsetzung an die Mitgliedstaaten delegierten. Dies wäre aus Sicht De Castros ein großer Fehler.
Zugleich äußerte der Europaabgeordnete die Sorge, dass es in jedem Fall auf Ebene der Mitgliedstaaten erheblich mehr Bürokratie geben wird, sollten die Vorschläge nicht deutlich nachgebessert werden.
Menükarte vorgeschlagen
Der S&D-Agrarsprecher pocht darauf, die wichtigsten Regeln auch weiterhin auf europäischer Ebene festzulegen. In diesem Zusammenhang schlägt er eine Art Menükarte vor, indem man eine Liste von beispielsweise 20 oder 30 verschiedenen, auf EU-Ebene definierten Umweltmaßnahmen anbieten könnte, aus der jeder Mitgliedstaat zum Beispiel zehn auswählen könne. Laut De Castro würde dies dem Mitgliedsland die notwendige Flexibilität geben, es jedoch nicht dem Risiko ausliefern, versehentlich etwas falsch zu machen und dann Strafzahlungen an Brüssel leisten zu müssen.
Überdies gab der Italiener, der auch schon einen Beraterposten unter dem früheren EU-Kommissionspräsidenten  Romano Prodi innehatte, zu bedenken, dass je mehr man den Mitgliedstaaten überlasse, desto weniger koordiniert und effektiv seien die gemeinsamen Ziele zu erreichen.
Auch müsse die Frage beantwortet werden, wie mit der neuen Idee der gewählten Kommissionspräsidentin  Ursula von der Leyen – dem „Green Deal” – umgegangen werden solle, erklärte De Castro. Hier brauche es einen EU-weit koordinierten Ansatz. Dies könne ohne die Landwirtschaft durch nationale Strategiepläne nicht effektiv beantwortet werden.
Nichtsdestoweniger lehnt der S&D-Agrarsprecher es ab, dass der designierte EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski aus Polen neue GAP-Vorschläge vorlegt. Der Landwirtschaftsausschuss habe bereits viel Zeit in die vorliegenden Entwürfe investiert und dabei gute Arbeit geleistet. Auf die Diskussion zur Obergrenze der Direktbeihilfen angesprochen stellte der Agrarökonom fest, dass die S&D-Fraktion mehrheitlich zwar dafür sei. Trotzdem sollte die Begrenzung „eine gewisse Flexibilität” aufweisen.
„Schwarze Listen” anlegen
Außerlandwirtschaftliche Investoren will der EU-Agrarpolitiker durch „Schwarze Listen” von den Geldtöpfen fernhalten. Wenn klar definiert sei, wer ein Bauer ist und wer nicht, wie zum Beispiel Versicherungsunternehmen oder Golfclubs, sei das Problem gelöst, zeigt sich De Castro überzeugt. Konkrete Ergebnisse zur GAP erwartet der Agrarsprecher für den Sommer kommenden Jahres.
Mit Blick auf das zwischen der EU-Kommission mit den Mercosur-Staaten ausgehandelte Freihandelsabkommen sieht der Italiener die europäische Landwirtschaft in der Defensive. Auf den Nutzen für sein Heimatland Italien angesprochen, äußerte er zwar die Erwartung, dass die Weinexporte ein wenig zunehmen könnten. Nichtsdestoweniger seien die Risiken auch für die italienischen Landwirte groß. Bei den für Italien wichtigen herkunftsgeschützten Spezialitäten sieht er keine Verbesserung.