Nach dem Verbot von Mesurol als Beizmittel werden die Maisbestände von Saatkrähen und Fritfliegen heimgesucht. Das ganze Ausmaß der Schäden wurde deutlich bei einem Vor-Ort-Termin in der Nähe von Bad Krozingen, zu dem betroffene Landwirte, Berater und Fachleute kamen.
Die Krähenschäden sind nicht zu übersehen: Ekkehard Hipp vom Maiswerk Heitersheim zeigt den ins Auge springenden Unterschied zwischen koritgebeiztem Mais – 30 bis 40 cm hoch im Hintergrund – und einer Versuchsfläche, auf der ungebeizte Maiskörner ausgesät worden sind – die Folge war Kahlfraß mit anschließender Neuansaat im Vordergrund.
Dominic Grethler, Saatmaiserzeuger aus Biengen, mit rund 1000 Nestern einem der Brennpunkte der Krähenplage, zeigte sich enttäuscht, dass selbst die wenigen Ansätze, das bisher ungebremste Wachstum der Population zu bremsen, wirkungslos steckengeblieben seien. Er berichtete, dass der Anbau von Wintergerste in der Region bereits zum Erliegen gekommen sei, weil für diese Kultur kein repellentes Beizmittel zur Verfügung stehe. „Wir wissen nicht mehr, was wir machen sollen”, lautet sein nüchternes Fazit.
Die einzige zulässige Methode der „Geburtenkontrolle” ist der Austausch von Eiern in den Nestern durch Attrappen. Dazu wusste Landwirt Alexander Meyer, einer der Initiatoren der Maisfeldbegehung, zu berichten, dass schon einmal eine teure und aufwendige Eiertauschaktion abgebrochen werden musste, weil sich nach Ansicht eines anwesenden Ornithologen in einem der entnommenen Eier bereits ein sich entwickelnder Embryo befunden habe.
Schäden auf breiter Front
Nach den Erfahrungen von Egon Busam, Jäger und
BLHV-Vizepräsident, zeigen Vergrämungsabschüsse praktisch keine Wirkung.
Genehmigt sei immer nur der Abschuss eines einzelnen Tieres, maximal
vier pro Hektar. Busam erläuterte zum Hintergrund der Krähenplage, dass
es den Naturschutzverbänden vor Jahren gelungen sei, Rabenvögel in der
EU-Vogelschutzrichtlinie pauschal als Singvögel einstufen zu lassen, was
eine umfassende Unterschutzstellung zur Folge gehabt habe.
Hubert God vom BLHV ergänzte, dass die EU in der Frage des
Krähenschutzes durchaus Entscheidungsspielraum auf nationaler Ebene
gewähre. Es sei den Mitgliedsstaaten überlassen, die Saatkrähen als
jagbare Tierart einzustufen. In England und Frankreich sei dies
geschehen. Anders in Deutschland. Und hierzulande müssten einem solchen
Vorstoß auf EU-Ebene die Naturschutzminister sämtlicher Bundesländer
zustimmen, was in der gegenwärtigen politischen Lage völlig aussichtslos
sei. „Mit einem solchen Vorstoß zur Einstufung der Saatkrähen als
jagbare Vogelart ist im übrigen schon Landwirtschaftsministerin Gerdi
Staiblin auf breiter Front gescheitert”, erinnerte sich God.
Saatkrähen sind Allesfresser und schädigen landwirtschaftliche Kulturen auf vielfältige Weise. Neben Maiskörnern und -keimlingen stehen auf ihrem Speiseplan unter anderem Hirse, Kirschen,
Erdbeeren, Kürbisse und Kolben von Saatmais im Stadium der Milchreife.
Aus Spieltrieb oder Neugier zerpicken sie sogar die Trichogrammakapseln
auf den Maisfeldern und gefährden dadurch die biologische
Maiszünslerbekämpfung, wie Pflanzenbauberater Raphael Maurath beobachtet
hat.
Dass die Zeit drängt und die Branche schnell reagieren sollte, um
größeres Unheil abzuwenden, war Hubert Sprich von der ZG Raiffeisen ein
wichtiges Anliegen: „Dieses Jahr konnte der Körnermais noch alternativ
zu Mesurol mit Korit gebeizt werden. Hoffentlich wird dies auch 2021 der
Fall sein. Aber es ist davon auszugehen, dass der Altwirkstoff Ziram
danach seine Zulassung verliert. Wenn wir nicht 2022 ganz ohne
Beizmittel dastehen wollen, müssen wir jetzt praktikable Alternativen
auf den Weg bringen.” Alternative Beizmittel wie Chilipulver haben laut
Praktikerberichten bisher nur teilweise Wirkung gezeigt.
Neuer Schädling Fritfliege
Für das ungeübte Auge steht dieser Maisbestand in der Nähe von Staufen gar nicht schlecht da. Hubert Sprich von der ZG Raiffeisen (links) warnt vor Ertragsverlusten und ungleichmäßiger Abreife. Die Fachleute befürchten, dass der Ernteschaden hier etwa 70 % betragen könnte.
An der zweiten Station der Feldbegehung wurde
ein Maisschlag von Alexander Meyer besichtigt, der nach dem Wegfall der
Mesurolbeize in diesem Jahr massiv unter Fritfliegenbefall gelitten
hat. Die alternative Beizung mit Korit mit dem Wirkstoff Ziram hat zwar
eine Vergrämungswirkung gegen Vogelfraß. Es fehlt aber die systemische
Verteilung im Pflanzengewebe, die dem Wirkstoff Methiocarb in Mesurol zu
eigen ist. Fritfliegen werden deshalb von Korit nicht erfasst.
Nach den Beobachtungen von Hubert Sprich sind die Maisanbauer durch das
Mesurolverbot in eine neuartige Zwickmühle geraten. Bisher sei es
möglich gewesen, dem Mais durch einen gezielt frühen oder späten
Aussaatzeitpunkt optimale Startbedingungen zu verschaffen. Jetzt drohten
bei früher Saat Schäden durch Fritfliegen, bei später Saat durch
Saatkrähen.
Völlig ungeklärt ist derzeit, wie zukünftig Schäden durch Fritfliegen
abgewehrt werden könnten. Kerstin Hüsgen vom LTZ Augustenberg
berichtete, dass Beratung und Forschung in Erwartung des Wegfalls des
Wirkstoffs Methiocarb vor allem alternative Methoden zur Abwehr von
Vogelschäden in den Blick genommen hätten und niemand mit dem massiven
Auftreten der Fritfliegen gerechnet habe. Die Schutzwirkung des
systemischen Wirkstoffes war über Jahrzehnte vorhanden, wurde aber im
Vergleich zur Krähenabwehr gar nicht so wahrgenommen.
Doppelter Schaden und Totalverlust durch Fritfliegenbefall: Der ehemalige Haupttrieb der Maispflanze wurde vom Maisbeulenbrand infiziert und deformiert, die Not-Seitentriebe wachsen horizontal.
Fritfliegen als relevante Schädlinge waren bisher vor allem aus
Brandenburg bekannt. Das starke Auftreten in Süddeutschland hängt
vermutlich auch mit dem Klimawandel zusammen, vor allem mit den
überdurchschnittlich hohen Temperaturen zu Beginn des Frühlings.
Diskutiert wurde bei der Veranstaltung auch die Frage, wieso aus dem
benachbarten Elsass weder von Problemen mit Saatkrähen noch mit
Fritfliegen berichtet wird. Hubert Sprich verwies in diesem Zusammenhang
auf die in Frankreich im Maisanbau – gegen den Maiswurzelbohrer,
Drahtwürmer und Erdraupen – standardmäßig eingesetzten insektiziden
Bodengranulate wie Belem. Möglicher-
weise bestehe eine Nebenwirkung gegen Fritfliegen. Ekkehard Hipp vom
Maiswerk Heitersheim machte darauf aufmerksam, dass in Frankreich bei
der chemischen Unkraubekämpfung meistens auch gleich ein Pyrethroid mit
in den Tank gegeben werde, was den Schäden durch Fritfliegen vorbeuge.
Der Schädling ließe sich vermutlich gezielt bekämpfen mit einer
Pyrethroidspritzung zum Zeitpunkt der Eiablage. Aber genau hier liegt
das Problem: Es gibt kein Monitoringverfahren, das Beratung und
Fachbehörden in die Lage versetzen würde, die Landwirte, beispielsweise
per Warndienstaufruf, über den richtigen Zeitpunkt für eine Spritzung zu
informieren.
Auswege gesucht
Nicht nur über Wirkstoffe, Zulassung und Forschung wurde
bei der Feldbegehung diskutiert. Um den in der Öffentlichkeit
dominierenden Vogelschützern etwas entgegenzusetzen, müsse die
Unterstützung der breiten Bevölkerung für eine Begrenzung der
Saatkrähenpopulation gewonnen werden. Ideen dazu sind das Auslegen von
Unterschriftenlisten, Zeitungsartikel oder der Aufruf zu einer
Saatkrähen-Zählung in einem definierten Zeitfenster, an der jeder
Bürger teilnehmen könnte. Vorbilder sind das Singvogel- und
Insektenmonitoring der Naturschutzverbände.