Der Markt- und Preiskrise zum Trotz unterstrich Präsident Joachim Rukwied bei der Mitgliederversammlung des Deutschen Bauernverbandes in einer kämpferischen Rede das Selbstverständnis und Selbstbewusstsein des Berufsstandes. Von der Politik forderte er Krisenhilfen und Zuverlässigkeit.
Joachim Rukwied bekam für seine Rede in Hannover viel Beifall der Delegierten.
„Ein Land ohne Landwirtschaft hat keine Zukunft. Deshalb braucht Deutschland die Bäuerinnen und Bauern”, betonte Rukwied am Mittwoch vor den rund 600 Delegierten im Kongresszentrum in Hannover und erhielt dafür Beifall.
Den gab es noch mehrmals während der Grundsatzrede beim Bauerntag, dem der Deutsche Bauernverband (DBV) das Motto gab: „Zukunft sichern, Bauern stärken”. Am Ende applaudierten die Delegierten aus allen Ecken der Republik Rukwied stehend. Es war zu spüren, dass Balsam für die Bauernseelen gebraucht wurde – und Balsam bekamen sie.
Das derzeitige Umfeld für die Landwirtschaft bezeichnete Rukwied als unruhig und turbulent. Als Stichworte dazu nannte er den Brexit, Terroranschläge, politische Unruhe und Auseinandersetzungen in Teilen der Welt sowie das Erstarken der „politischen Ränder” in Deutschland.
Es geht nicht um das Produkt
BLHV-Präsident Werner Räpple (links) führte die südbadische Delegation auf dem Bauerntag in Hannover an.
Hinzu kämen zunehmende polemische Angriffe auf die
Landwirtschaft von bestimmten Politikern und
Nichtregierungsorganisationen. So gehe es denen bei Glyphosat nicht um
das Produkt an sich, sondern darum, „den ersten Pfeiler im chemischen
Pflanzenschutz einstürzen zu lassen, um danach so weitermachen zu
können”.
Gegen derlei Angriffe verwahrte sich Rukwied, nannte namentlich Anton
Hofreiter, den Vorsitzenden der Grünen-Bundestagsfraktion, wegen der
Vorwürfe der „Massentierhaltung” und Bundesumweltministerin Barbara
Hendricks wegen ihrer Behauptung, der Maisanbau sei schuld an den
Schäden durch Starkregen. Beiden unterstellte er, über die Zusammenhänge
nicht Bescheid zu wissen.
Sachlich, nicht polemisch
Gleichwohl merkte er an, dass sich die Landwirtschaft
Kritik aus der Gesellschaft stellen müsse, Dinge reflektieren und
hinterfragen müsse. Die Diskussion müsse jedoch sachlich geführt werden
und nicht über polemische Angriffe. So könne man mit „anständig und hart
arbeitenden Bauern nicht umgehen”. „Wir brauchen keine Agrarwende”,
machte Rukwied unter Beifall ebenso klar. Die deutsche Landwirtschaft
produziere tiergerecht und nachhaltig, mit der Natur.
Zur Standort-Definition der Landwirtschaft in Deutschland gehöre eine
flächendeckende Landbewirtschaftung mit Tierhaltung in allen Regionen
sowie der Einsatz technischer Innovationen. Bei der Marktorientierung
habe der Heimatmarkt erste Priorität, dann komme Europa. Der Export in
Länder außerhalb Europas gehöre jedoch ebenfalls zur Zukunft der
deutschen Landwirtschaft.
Die deutsche Landwirtschaft verortet Rukwied im Mittelstand, der in
Deutschland die tragende Säule der Gesellschaft sei. Ausdrücklich
bekannte er sich zur Marktorientierung, mit Chancen, aber auch mit
den Risiken („die sind mit im Gepäck”). „Die politischen Risiken, die
aus der Gesellschaft heraus entstehen, sind jedoch die gefährlicheren,
wenn es um die Zukunft der Landwirtschaft geht”, machte der
DBV-Präsident deutlich.
Marktpartner gefragt
Bei der Bewältigung der
Marktkrise sieht er die Marktpartner gefragt. Regionale Ansätze zu
einer politisch angeordneten Marktsteuerung hält er nicht für
zielführend. Rukwied nannte Bestrebungen, eine Branchenorganisation
einzurichten. Der Bund solle hierfür die Anschubfinanzierung gewähren.
Als Hauptursache für die Markt- und Preiskrise machte Rukwied
politische Entscheidungen aus: das Russland-Embargo und die instabilen
Regionen Naher Osten und Nordafrika. Deshalb sei die Politik in der
Pflicht. Konkret forderte er, dass der Bundeslandwirtschaftsminister
Christian Schmidt das „plus x” hinter dem angekündigten Hilfspaket beim
Deutschen Bauerntag (am Donnerstag, nach Redaktionsschluss) mit Zahlen
und Maßnahmen hinterlegen müsse.
Die bisherigen Hilfsmaßnahmen anerkannte er, qualifizierte sie jedoch
angesichts der Milliardenverluste der Landwirtschaft als „Tropfen auf
den heißen Stein”.
Rukwied wiedergewählt
Bei den Wahlen zum Präsidium des Deutschen Bauernverbandes (DBV) wählte die Mitgliederversammlung Joachim Rukwied für vier weitere Jahre zum Präsidenten. Der 54-jährige Landwirt aus Eberstadt bei Heilbronn erhielt 521 Stimmen, das sind 88,8% (Erstwahl 2012: 95,4%) der Delegiertenstimmen. Erster Stellvertreter von Rukwied bleibt Werner Schwarz (56) aus Schleswig-Holstein. Er erhielt 95,7% (vorige Wahl: 92,9%) Ja-Stimmen. Als weitere Vizepräsidenten wurden Walter Heidl (56) aus Bayern mit 92,8% der Stimmen und Werner Hilse (64) aus Niedersachsen mit 83,6% der Stimmen wiedergewählt. Neuer Vizepräsident ist Wolfgang Vogel (64) aus Sachsen, der 75,5% der Stimmen erhielt. Er ist Nachfolger von Udo Folgart, der nicht mehr zur Wahl antrat.