Pflanzenbau | 22. August 2019

Wintergerste 2019: unbeständig wie selten

Von Maria Müller-Belami, LTZ Karlsruhe-Augustenberg
Bei den Landessortenversuchen (LSV) Wintergerste waren die Sorten über die acht Prüfstandorte und zwei Varianten selten so unbeständig wie in der Saison 2018/2019. Wegen geringer Bestandesdichten büßten die zweizeiligen Wintergersten einiges an Ertrag ein.
Ramularia war 2018/2019 in Wintergerste neben Rhynchosporium die vorherrschende Krankheit.
Die Junihitze machte den Sorten mit späterer Abreife zu schaffen – sie blieben teilweise hinter den Ertragserwartungen zurück. Ein weiteres Phänomen in diesem Jahr waren die vielen Flugbrandähren in den Beständen. Der Durchschnittsertrag lag in der reduzierten Variante V1 bei 81 dt/ha, in der intensiven Variante V2 mit praxisüblichem Einsatz von Wachstumsregler und Fungiziden bei 96 dt/ha.
Rhynchosporium und Ramularia standen besonders im Fokus. Ein Befall mit Rhynchosporium lässt sich über Sortenwahl und Fungizide gut steuern. Weiter zuspitzen wird sich dagegen die Befallssituation bei Ramularia. Sie ist die derzeit wichtigste Krankheit in Winter- und Sommergerste und weiter auf dem Vormarsch. Ab 2020 stehen die wirksamen chlorthalonilhaltigen Fungizide nicht mehr zur Verfügung und durch anbautechnische Maßnahmen wie Sortenwahl, Saatzeitpunkt und Düngung lässt sich der Infektionsgrad nicht nachhaltig beeinflussen.
Vielmehr spielt die zunehmend heiße und trockene Frühsommerwitterung die entscheidende Rolle. Belastbare Sortenunterschiede sind bisher noch nicht bekannt. In der Züchtung gibt es bereits vielversprechende Ansätze, aber es wird noch Jahre in Anspruch nehmen, bis die ersten  ramulariatoleranten Sorten auf dem Markt sind.
Der landesweite durchschnittliche Ertrag in der Praxis liegt  laut ersten Erfassungen  bei guten 72 dt/ha. Der trockene, warme April und der feuchte, kühle Mai kamen der Kultur entgegen. Die extreme Hitze und Trockenheit im Juni haben die Erträge kaum beeinträchtigt.
Folgende Wintergerstensorten empfiehlt die Offizialberatung zur Anbausai-son 2019/2020: California (zz), SU Vireni (zz), SU Ruzena (zz), SU Ellen (mz) und Toreroo (mz). Eine Übersicht über die Erträge der Sorten in den LSV gibt Tabelle 1, die agronomischen Eigenschaften sind in Tabelle 2 zusammengefasst.
Mehrzeilige (Winter-) Gerstensorten
Ein Befall mit Rhynchosporium lässt sich über Sortenwahl und Fungizide gut steuern.
KWS Higgins: Sehr hohes Ertragsniveau, besonders in der intensiven Variante; lange Sorte; unterdurchschnittliche Strohstabilität: Lagerneigung (4,6), Halmknicken (6,4); geringer Befall mit Ramularia (4,2), ansonsten mittlere Resistenzen; sehr hoher Marktwarenanteil; überdurchschnittliches hl-Gewicht.

KWS Meridian: Erträge um den Durchschnitt, mehrjährig in V2 höheres Ertragsniveau; langer Wuchs mit Lagerneigung (3,9), geringe Halm- (5,8) und Ährenstabilität (3,0); Ramulariainfektion (4,8) unterdurchschnittlich; mittlere Resistenzen gegen Blattkrankheiten; hoher Marktwarenanteil; durchschnittliches hl-Gewicht.

KWS Orbit: 2019 in V1 relativ homogen über alle Standorte mit durchschnittlichen Erträgen, in V2 insgesamt und mehrjährig hohe Erträge; mehrjährig in V2 weit überdurchschnittliches Ertragsniveau; unterdurchschnittliche Standfestigkeit (3,5) und Halmstabilität (5,2); anfällig für Netzflecken (3,2) und Rhynchosporium (4,4); hoher Marktwarenanteil; überdurchschnittliches hl-Gewicht.

Mirabelle: In den LSV 2019 an fast allen Standorten mit weit unterdurchschnittlichen Kornerträgen; mehrjährig ertragsstärker; mittlere bis späte Abreife; sehr lange Wintergerste mit guter Standfestigkeit (2,6) und guter Halm- (3,6) und Ährenstabilität (1,9); leicht mehltauanfällig (1,9); ansonsten mittlere Blattgesundheit; hoher Marktwarenanteil; überdurchschnittliches hl-Gewicht.

Paradies: Ein- und mehrjährig mit überdurchschnittlicher Ertragsleistung in V1; in V2 schwächer; lange Sorte; unterdurchschnittliche agronomische Eigenschaften: Lager (3,7), Halm- (5,4) und Ährenknicken (3,3); blattgesunde Sorte, Befall mit Ramularia gering (3,9), zusätzliche Resistenz gegen das Gelbverzwergungsvirus der Gerste; hl-Gewicht und Marktwarenanteil durchschnittlich.

SU Ellen: 2019 hohe Streubreite in den Relativerträgen über die Standorte und Varianten; mehrjährig mit Erträgen um den Durchschnitt, in AG 21 besser; sehr frühe Sorte; Halm- (5,1) und Ährenstabilität (3,3) unterdurchschnittlich; nachlassende Blattgesundheit: Mehltau (2,8), Ramularia (5,6), Zwergrost (2,6) und Rhynchosporium (3,6); sehr hoher Marktwarenanteil; unterdurchschnittliches hl-Gewicht.

SY Galileoo: 2019 relativ konstant über die Standorte und Varianten; mehrjährig insgesamt sehr hohes Ertragsvermögen; langwüchsige Hybride, lageranfällig (4,4); geringe Halm- (5,2) und Ährenstabilität (3,0); gute bis mittlere Blattgesundheit, geringer Befall mit Ramularia (3,8); hoher Marktwarenanteil; durchschnittliches hl-Gewicht.

SY Baracooda: Hybride; uneinheitlich über die Standorte und Varianten; insgesamt sehr hohes Ertragsniveau; längste Wintergerste im Prüfsortiment mit Neigung zu Lager (3,9); mittlere Halmstabilität (4,9); Ährenstabilität (3,1) gering; deutliche Zwergrostanfälligkeit (3,7), Befall mit Ramularia (4,7) unterdurchschnittlich; hoher Marktwarenanteil; überdurchschnittliches hl-Gewicht.

Toreroo: Hybride; 2019 und mehrjährig mit sehr hohen Ertragsleistungen in beiden Varianten; langwüchsig, leichte Lagerneigung (3,3); Halmstabilität (4,9) mittel; Ährenstabilität (3,4) gering; geringer Ramulariabefall (4,3), ansonsten gute bis mittlere Resistenzen; hoher Marktwarenanteil; durchschnittliches hl-Gewicht.
Zweizeilige (Winter-) Gerstensorten
California: 2019 und mehrjährig mittleres Ertragsniveau in beiden Varianten; späte, kurzwüchsige Sorte; umfassend sehr gute bis gute agronomische Eigenschaften; nachlassende Resistenzen; hoher Marktwarenanteil; überdurchschnittliches hl-Gewicht.
Iggy: Im ersten Prüfjahr in Baden-Württemberg sehr heterogen mit insgesamt unterdurchschnittlichen Ertragsleistungen; mehrjährig in V1 mit mittleren Erträgen, in V2 niedriges Ertragsniveau; kurze Sorte mit sehr guten agronomischen Eigenschaften: standfest (1,3), halm- (3,8) und ährenstabil (1,8); sehr gute Resistenz gegen Zwergrost (1,1) und Rhynchosporium (1,8); stärkere Anfälligkeit für Ramularia (6,3); hoher Marktwarenanteil; hohes hl-Gewicht.

KWS Carbis EU: 2019 und mehrjährig in der reduzierten Variante mit niedrigem Ertragsniveau, in V2 durchschnittliche Leistungen; sehr kurze Sorte, standfest (1,9); mittlere Halmstabilität (4,1), gute Ährenstabilität (1,7); mehltauanfällig (2,3); unterdurchschnittliche Infektion mit Ramularia (4,8); hoher Marktwarenanteil; überdurchschnittliches hl-Gewicht.

KWS Moselle: 2019 in beiden Varianten hohes Ertragsniveau; auch mehrjährig weit über dem Durchschnitt; mittlere agronomische Eigenschaften; gute Resistenz gegen Zwergrost (1,6) und Rhynchosporium (2,2); leicht überdurchschnittlicher Ramulariabefall (5,8); hoher Marktwarenanteil; hohes hl-Gewicht.

Lottie: 2019 große Streubreite im Ertrag über die Standorte und Varianten, insgesamt überdurchschnittlich, mehrjährig ertragsschwächer; standfest (2,3); mittlere Halm- und Ährenstabilität; durchschnittliche Resistenzen, mehltauanfällig (2,5); sehr hoher Marktwarenanteil; überdurchschnittliches hl-Gewicht.

Newton: Sehr hohes Leistungsvermögen; in den LSV 2019 relativ ausgewogene Sorte mit weit überdurchschnittlichen Ergebnissen, auch in den mehrjährigen Verrechnungen; langwüchsig; durchschnittliche agronomische Eigenschaften; gute Resistenz gegen Zwergrost (1,2) und Rhynchosporium (2,0); hoher Marktwarenanteil; überdurchschnittliches hl-Gewicht.

Padura: 2019 in beiden Varianten insgesamt durchschnittliche Ergebnisse; mehrjährig leicht schwächer im Ertrag; mittlere Strohstabilität; gute Ährenstabilität (1,9); mehltauanfällig (1,9), ansonsten gute Blattgesundheit; sehr hoher Marktwarenanteil; überdurchschnittliches hl-Gewicht.

Sandra: 2019 und mehrjährig in beiden Varianten unterdurchschnittliche Erträge; frühe Sorte; durchschnittliche agronomische Eigenschaften; deutliche Infektion mit Ramularia (6,7) und Zwergrost (3,1); sehr hoher Marktwarenanteil; überdurchschnittliches Hektolitergewicht.

SU Ruzena: 2019 mit sehr guten Ertragsleistungen über die Prüfstandorte und Varianten, mehrjährig schwächere Erträge; kurze Sorte; erhöhtes Halm- (5,1) und Ährenknicken (2,9); gute Resistenz gegen Zwergrost (1,6) und Rhynchosporium (2,4), stärkerer Ramulariabefall (5,9); hoher Marktwarenanteil; überdurchschnittliches hl-Gewicht.

SU Vireni: 2019 ertragsschwach über die Standorte und Varianten; mehrjährig deutlich bessere Erträge, vor allem in der reduzierten Variante; sehr gute agronomische Eigenschaften; deutlicher Befall mit Ramularia (6,6), zwergrostanfällig (2,7); hoher Marktwarenanteil; hohes hl-Gewicht.

Valerie: In den LSV 2019 relativ beständig über Standorte und Varianten mit insgesamt sehr hohen Erträgen; mehrjährig in V1 um den Durchschnitt, in V2 überdurchschnittlich; mittlere agronomische Eigenschaften; gute Toleranz gegen Rhynchosporium (2,0), überdurchschnittliche Ramulariainfektion (6,4); sehr hoher Marktwarenanteil; hohes hl-Gewicht; sehr hoher Vollgerstenanteil (BSL 9).

Yvonne: 2019 und mehrjährig in V1 leicht überdurchschnittliche Erträge, in V2 unterdurchschnittlich; sehr standfest (1,3); sehr gute Halm- (2,9) und Ährenstabilität (1,8); gute Zwergrostresistenz (1,5), stärkerer Befall mit Rhynchosporium (4,2); hoher Marktwarenanteil; überdurchschnittliches hl-Gewicht.

Zita: In beiden Varianten 2019 insgesamt schwache Erträge; mehrjährig höheres Ertagsniveau; längerer Wuchs, gute Standfestigkeit (1,9); gute Halmstabilität (3,9), sehr gute Ährenstabilität (1,8); gute Blattgesundheit mit Ausnahme von deutlichem Befall mit Ramularia (6,6); hoher Marktwarenanteil; durchschnittliches hl-Gewicht.
Weitere Informationen zu den Versuchsergebnissen der Landessortenversuche Wintergerste sind zu finden unter www.ltz-bw.de > Arbeitsfelder > Pflanzenbau > Sorten > Wintergetreide > Wintergerste.