Pflanzenbau | 11. März 2015

Wildschäden: Was ändert sich für Landwirte ab dem 1. April?

Von Michael Nödl, BLHV
Das Land Baden-Württemberg hat trotz massiven Widerstandes beider Bauernverbände im neuen Landesjagdgesetz (JWMG) das bewährte Vorverfahren beim Wildschadensersatz bei der Gemeinde abgeschafft. Es war dem Gang zum Gericht bisher zwingend vorgeschaltet.
Bewährtes wurde über Bord geworfen – bei der Regulierung von Wildschäden wird es in Zukunft vermutlich öfter Ärger geben als bisher.
Wie das neue Verfahren konkret ablaufen soll, ist noch in vielen Teilen unklar. Manche Aspekte  zeichnen sich aber ab.
Anmeldung läuft wie bisher
Jeder Landwirt muss wie bisher Wildschäden auf seinen Flächen innerhalb einer Woche nach Feststellung bei der Gemeinde schriftlich anmelden, damit sein Anspruch nicht erlischt.
Die Gemeinde bestätigt ihm dann nur noch die Anmeldung und teilt ihm (hoffentlich) auch mit, wer ihm den Wildschaden ersetzen muss – mehr nicht. Mittlerweile gibt es Jagdpachtverträge, nach denen der Jäger den Wildschadensersatz nicht mehr voll übernimmt.
Der Landwirt muss sich also informieren, wie das bei ihm konkret geregelt ist. Er hat deshalb auch einen Anspruch darauf, dass ihm zu diesem Zweck die Jagdgenossenschaft, egal ob selbst oder von der Gemeinde verwaltet, eine Kopie des Jagdpachtvertrags überlässt. Denn künftig gilt ganz normales Zivilrecht und Zivilprozessrecht.
Im Klartext: Einigt sich der Geschädigte nicht schnell mit dem Ersatzpflichtigen, meist dem Jäger, über die Entschädigung, muss er schnellstmöglich vor Gericht gehen. Achtung: Eine schriftliche Einigung über den Wildschaden muss der Jäger unterschreiben, der den Pachtvertrag unterschrieben hat, also nicht irgendein Mitjäger.
Schneller zum Gericht
Beim Amtsgericht beantragt der Landwirt ein Beweissicherungsverfahren, siehe Kasten unten. Damit man den Schaden noch feststellen kann, darf nicht zu viel Zeit verstrichen sein. Nur wenn der Wildschaden von einem vom Gericht bestellten Sachverständigen festgestellt wurde, kann der Geschädigte ihn später bei Gericht nachweisen und einklagen. Es macht durchaus Sinn, den Antrag beim Amtsgericht über einen versierten Anwalt laufen zu lassen, auch wenn der Landwirt diesen Antrag selbst stellen könnte.
Wann lohnt sich ein Gerichtsverfahren?
Die Kosten in einem Beweissicherungsverfahren bei Wildschäden für Gericht, Anwalt und Gutachter können sich schnell auf 2000 Euro und mehr belaufen. Diese übernimmt üblicherweise die Rechtsschutzversicherung, die man künftig unbedingt haben sollte. Unabhängig davon lohnt sich ein solches aufwendiges Verfahren nur bei Schäden entsprechender Größenordnung. Also nicht bei kleinen oder Bagatellschäden.
Kaum ein Landwirt möchte sein Verhältnis zum Jäger, den er zur Verhütung von Wildschäden braucht, durch ein solches Gerichtsverfahren belasten. Umgekehrt gilt für den Jäger dasselbe. Beide Seiten tun also gut daran, sich mit oder ohne Wildschadensschätzer als Vermittler gütlich zu einigen. In 90 Prozent aller Wildschadensfälle hat dies in den zurückliegenden Jahrzehnten gut funktioniert.
Wildschadensschätzer
Es gibt zwar noch Wildschadensschätzer, aber mit völlig neuer Aufgabe. Er soll nach der Absicht des Landes Landwirt und Jagdpächter als Vermittler bei ihren Verhandlungen unterstützen. Beide können den Wildschadensschätzer bitten, dazuzukommen.
Der Schätzer kann sich seine Tätigkeit entsprechend bezahlen lassen. Er ist künftig Parteigutachter und nicht mehr wie bisher neutrale Instanz, weshalb seine Feststellungen in einem Gerichtsverfahren nicht mehr verwertbar sind. Da das Land die Schätzer noch nicht auf diese neue Aufgabe vorbereitet hat, besteht die Gefahr, dass der eine oder andere Schätzer nach dem 1. April sein Amt niederlegt, auch aus Haftungsgründen.
Wie man Beweise richtig sichert
Bei Wildschäden wird das Beweissicherungsverfahren vom geschädigten Landwirt beim Amtsgericht beantragt. Gegner sind der Jagdpächter und die Jagdgenossenschaft, in den meisten Fällen vertreten durch die politische Gemeinde.

Beweissicherung
 Die Jagdgenossenschaft muss deshalb einbezogen werden, weil sonst das Ergebnis der Beweissicherung für diese nicht bindend ist, sollte es sich nachträglich herausstellen, dass zum Beispiel aufgrund einer Deckelung im Pachtvertrag oder anderer Umstände doch die Jagdgenossenschaft in Anspruch genommen werden muss.
Es ist ein spezialisierter Antrag erforderlich, der enthalten muss, was alles bewiesen werden soll. Es besteht beim Amtsgericht mit ausschließlicher Zuständigkeit für Wildschadenssachen kein Anwaltszwang.
Es empfiehlt sich jedoch, einen Rechtsanwalt einzuschalten, der für den Landwirt tätig wird. Das Gericht bestellt dann möglichst schnell einen Gutachter. Der Gutachter stellt dann den genauen Umfang des Schadens fest, er schätzt ihn also nicht nur, wie bisher die Wildschadensschätzer.

Anerkenntnis wohl eher selten
Die Jagdgenossenschaft/Gemeinde muss sich im Beweissicherungsverfahren nicht äußern, kann und wird sich aber wohl meistens äußern. Dazu kann sie sich einen Anwalt nehmen oder bestreitet das Verfahren in diesem Stadium noch mit eigenen Kräften oder Mitarbeitern des Rathauses. Der Jäger kann dann die festgestellte Forderung des Landwirtes anerkennen oder ablehnen. Da er bei einer Anerkenntnis auch die Kosten des Rechtsanwaltes des Landwirtes und dessen Gerichtskostenvorschuss wie auch die Kosten des Gutachters übernehmen muss, wird er dieses vermutlich nur in den seltensten Fällen tun, sondern es geht dann ins streitige Verfahren.
In diesem Gerichtsverfahren sind bei Überschreitung der Berufungssumme von 750 Euro insgesamt zwei Instanzen möglich.