Politik | 11. Mai 2023

Wieder kein großer Wurf für das Tierwohl

Von AgE
Die Sonder-Agrarministerkonferenz (AMK) zum Umbau der Tierhaltung hat in einigen Punkten Einvernehmen erzielen können, ist aber insgesamt hinter den Erwartungen zurückgeblieben.
Die Ergebnisse des Zusammentreffens der Landwirtschaftsminister der Bundesländer für mehr Tierwohl werden überwiegend als mager bewertet.
Auf der Habenseite des Treffens am 5. Mai in Berlin steht ein erneutes Bekenntnis zu einem Gesamtkonzept sowie zu einer Ausweitung der Tierhaltungskennzeichnung. Die AMK spricht sich dafür aus, die Sauen- und Ferkelhaltung einzubeziehen und die Kennzeichnung auf die Außer-Haus-Verpflegung sowie verarbeitete Produkte auszudehnen.
Eine Milliarde Euro „deutlich zu niedrig”
Die Minister bezeichnen die Bereitstellung von einer Milliarde Euro als „deutlich zu niedrig” und plädieren für ein langfristiges Finanzierungskonzept, ohne dass es Hinweise auf Bewegung des Bundes in dieser Frage gibt. Keinen Eingang in den gemeinsamen Beschluss fanden die Forderungen der Unionsländer nach rechtssicheren Verträgen mit Laufzeiten von 20 Jahren, nach einem Förderbetrag von zunächst 80 Prozent bis 90Prozent der Mehrkosten sowie nach Einbeziehung eines Großteils der schweinehaltenden Betriebe in die Förderung. Einvernehmen erzielte die AMK im Hinblick auf die Auslegung der TA Luft. Ziel ist es, die Genehmigung von Frischluft- und Bioställen trotz höherer Emissionen zu ermöglichen.
Einige Verbesserungen
Schleswig-Holsteins Landwirtschaftsminister Werner Schwarz sprach nach der Sitzung von einigen Verbesserungen, die man auf den Weg gebracht habe. Gemessen an den Empfehlungen der Borchert-Kommission und den Herausforderungen, vor denen die Betriebe stünden, blieben die Beschlüsse jedoch hinter dem zurück, was notwendig wäre, stellte der AMK-Vorsitzende fest. Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir wertete das Treffen hingegen als weitere Etappe auf dem Weg zu einer zukunftsfesten Tierhaltung. „Wir kommen schrittweise voran”, sagte der Grünen-Politiker. Er hielt erneut der unionsgeführten Vorgängerregierung Versäumnisse vor. In den anderthalb Jahren der Ampelregierung habe man für die Tierhalter mehr erreicht als in den Jahren davor.
Der DBV ist enttäuscht
Der Deutsche Bauernverband (DBV) reagierte enttäuscht auf die Ergebnisse. Nach wie vor gebe es nur allgemeine Arbeitsaufträge an Expertengruppen, jedoch keine verbindlichen und zudem nur kurzfristige Zeitvorgaben, kritisierte Generalsekretär Bernhard Krüsken. Eine gemeinsame Auslegung der TA Luft sei ein nur kleiner Schritt. Dem müsse eine Überarbeitung dieser Verwaltungsvorschrift folgen, wenn höhere Tierwohlstandards in der Fläche umgesetzt werden sollen.
Hauk fordert Gesamtkonzept
Ein unterschiedliches Echo lösten die Ergebnisse bei den beteiligten Ministerinnen und Ministern aus. Der Sprecher der unionsgeführten Minister,  Peter Hauk aus Baden-Württemberg, zeigte sich enttäuscht: „Der Bund muss endlich die Empfehlungen der Borchert-Kommission umsetzen”, forderte der CDU-Politiker. Ohne ein Gesamtkonzept aus Tierhaltungskennzeichnung, langfristiger, verlässlicher und ausreichender Finanzierung sowie Anpassungen im Immissionsschutz- und Baurecht liefen ein Umbau der Tierhaltung und ein Umstieg auf höhere Haltungsformen ins Leere.
Bayerns Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber kritisierte die Bereitstellung von einer Milliarde Euro für vier Jahre angesichts des von der Borchert-Kommission auf vier Milliarden Euro pro Jahr veranschlagten Finanzbedarfs als „Feigenblatt”. „Der Bund muss endlich die Karten auf den Tisch legen und sich klar zu mehr Tierwohl bekennen”, forderte die CSU-Politikerin. Sie hielt Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir vor, mit den derzeit geplanten Maßnahmen schaffe er „kein Umbau-, sondern ein Abbauprogramm”.
Größtmögliches Maß an Verlässlichkeit
Als Rückenwind für die Ampelkoalition wertete die agrarpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Susanne Mittag, die Beschlüsse der Länderagrarminister. Sie hob den Beschluss zur Auslegung der TA Luft hervor. Die Vollzugshinweise für die tiergerechten Außenklimaställe der Haltungsformen Frischluft, Auslauf/Weide und Bio würden mit dem Ziel geändert, die  Ausnahmen der TA Luft für die Betriebe und Behörden rechtssicher anwenden zu können.
Der landwirtschaftspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Gero Hocker, bedauerte, dass die Konkretisierung dieses Beschlusses auf den Herbst verschoben wurde. „Das ist eine schlechte Nachricht für die tierhaltenden Betriebe”, betonte Hocker. Alle Beteiligten seien jetzt gefordert, weiter an pragmatischen Lösungen und einem schlüssigen Gesamtkonzept zu arbeiten, das es ohne eine Anpassung beim Immissionsschutz nicht geben könne.
Grundsätzliche Kritik an der Politik der Ampel und insbesondere von Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir übte der agrarpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Albert Stegemann. „Minister Özdemir möchte ein unzureichendes und schlecht ausgearbeitetes Teilkonzept gegen alle Widerstände durchdrücken”, warf Stegemann dem Grünen-Politiker vor. Dabei missachte er die Sorgen der Tierhalter und die berechtigten Bedenken der Länder. Zudem plane der Minister „am Markt und an der Nachfrage vorbei”. Die Tierhalter brauchten hingegen Planbarkeit und ein Konzept, das alle Ebenen umfasst. Nach Einschätzung Stegemanns sucht Özdemir „einen wie auch immer gearteten politischen Teilerfolg, der zu Lasten der vielen Schweinehalter geht”. Die deutlichen Aussagen der Länder zur Sonder-Agrarministerkonferenz müssten ein Weckruf für ihn sein,  nachzubessern. Er dürfe nicht weiter an mangelhaften Konzepten festhalten.
Tierhaltung braucht Entscheidungen
Vor der AMK hatten zahlreiche Verbände ihre Erwartungen formuliert. Der Präsident des Deutschen Raiffeisenverbandes (DRV), Franz-Josef Holzenkamp, hatte an die Ministerinnen und Minister appelliert, sich klar zur Tierhaltung in Deutschland zu bekennen und gemeinsam mit den Landwirten entschlossen die Themen anzupacken. Der DBV hatte seine Kritik an den geplanten Obergrenzen im Bundesprogramm zum Umbau der Tierhaltung bekräftigt. Angesichts der Herausforderungen für die Betriebe seien die vorgesehenen Fördersummen,  Fördersätze und  Tierzahlen völlig unzureichend.