Politik | 02. Dezember 2021

Wer soll das bezahlen?

Von AgE
Der Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP wurde in der Agrarbranche zurückhaltend aufgenommen. So fehlt darin dem Präsidenten des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Joachim Rukwied, wie der Umbau der Tierhaltung finanziert werden soll.
Bei der Vorstellung des Ampel-Koalitionsvertrages (von links): Christian Lindner, Olaf Scholz, Annalena Baerbock, Robert Habeck
Eine Reihe von Verbänden vermisst hinreichend klare Aussagen, wie die angekündigten Ziele erreicht werden sollen. Auf Unverständnis stößt sowohl auf der Landwirtschafts- als auch der Umweltseite, dass in dem Text kein direkter Bezug auf die Empfehlungen der Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) und der Borchert-Kommission genommen wird.
Gesamte Gesellschaft beim Umbau gefordert
Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Joachim Rukwied, wies darauf hin, dass sich die künftige Koalition zwar zum Umbau der Tierhaltung bekenne. Wie der finanziert werden solle, bleibe jedoch offen. Rukwied wies erneut darauf hin, dass der Umbau zusätzliche öffentliche Mittel erfordere, wie dies die Borchert-Kommission aufgezeigt habe. Der Umbau könne nur gelingen, „wenn er als gesamtgesellschaftliche Aufgabe verstanden wird und die wirtschaftliche Nachhaltigkeit gewährleistet”.
Der Präsident des Deutschen Raiffeisenverbandes (DRV), Franz-Josef Holzenkamp, appellierte an die Koalitionsparteien, auf die Vorarbeiten für die Gestaltung des Transformationsprozesses zurückzugreifen: „Wir starten nicht bei null.” Es gelte, diesen Weg  weiterzugehen. Der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), Martin Schulz, warnte SPD, Grüne und FDP davor, hinter die Ergebnisse der Zukunftskommission zurückzufallen.
Ökonomie kommt zu kurz
Für DBV-Präsident Rukwied kommt die Ökonomie im Koalitionsvertrag zu kurz. Er verwies auf den tiefgreifenden und schwierigen Transformationsprozess, in dem sich die deutsche Landwirtschaft befinde. Für diese Herausforderungen greife der Koalitionsvertrag nur einen Teil der Empfehlungen auf, die alle gesellschaftlichen Gruppen gemeinsam in der ZKL erarbeitet hätten. Der DBV stehe ohne Abstriche zu dem in der Zukunftskommission erzielten gesamtgesellschaftlichen Kompromiss, bekräftigte Rukwied. Er kündigte an, die in der ZKL entwickelte Zusammenarbeit mit den Umweltverbänden fortzuführen und zu intensivieren: „Wir pflegen die Kontakte weiter und denken über mehr nach.”
Landwirtschaft braucht Innovationen
Zwar sei die Absicht richtig, eine umwelt- und klimagerechte Landwirtschaft weiterzuentwickeln, die auch den Bauern gute wirtschaftliche Perspektiven biete. Es komme jedoch gerade bei den Vorhaben zum Naturschutz, zur Tierhaltung und zum Pflanzenschutz maßgeblich auf die Umsetzung an. Insbesondere fehle ein Hinweis, dass die Landwirtschaft Innovationen brauche. Dazu zählten auch die neuen Züchtungstechniken. Zu den unterstützenswerten Aspekten gehöre die Stärkung des kooperativen Natur- und Artenschutzes sowie der Einstieg in das Bestandsmanagement beim Wolf.
Einige gute Ansätze für eine Begleitung der Landwirtschaft in der Transformation sieht auch DRV-Präsident Holzenkamp. „Das im Koalitionsvertrag skizzierte Zielbild für die Landwirtschaft unterstützen wir”, betonte Holzenkamp. Bei der Ausgestaltung müsse die Politik aber auf die Ergebnisse der ZKL und der Borchert-Kommission bauen.
Betriebe nicht alleinlassen
„Die Betriebe dürfen bei der Bewältigung der Aufgaben nicht alleingelassen werden”, warnte der Raiffeisenpräsident.   Holzenkamp betonte die Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit der Politik. Es sei an der Zeit, „die Gemeinsamkeiten in den Mittelpunkt der Arbeit zu rücken und nicht die Gegensätze”. Mit Blick auf die ambitionierten Ziele zum Ausbau des Ökolandbaus mahnte Holzenkamp, die Gesetze des Marktes im Blick zu behalten. Angebot und Nachfrage müssten im Einklang stehen. „Ist die Vermarktung nicht gesichert, fehlt die wirtschaftliche Tragfähigkeit”, stellte der DRV-Präsident klar.
Umwelt- und agrarpolitische Rosinenpickerei bei den Ergebnissen der Zukunftskommission Landwirtschaft warf die Vorsitzende des Bundes der Deutschen Landjugend (BDL), Kathrin Muus, den Ampelparteien vor. Sie frage sich, so Muus, „ob die Parteien der neuen Bundesregierung die Empfehlungen der Zukunftskommission nicht verstanden haben oder nicht verstehen wollten”. Dass gerade eine Dreier-Koalition den gesellschaftlichen Konsens übergehe, der von einer Vielzahl widerstreitender Parteien hart erarbeitet worden sei, löse bei der Landjugend nur Kopfschütteln aus.
Kritik am Koalitionsvertrag von der Union
Erwartungsgemäß kritisch haben sich Unionspolitiker zum Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP geäußert. Die stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Gitta Connemann, nahm  insbesondere die Liberalen aufs Korn. „Unsere Höfe waren der FDP dann doch nicht so wichtig wie Justiz oder andere Ministerien”, so Connemann zur Besetzung des Bundeslandwirtschaftsministeriums durch die Grünen. Nachdem die FDP noch im Wahlkampf plakatiert habe, „die Landwirtschaft hat unseren Dank verdient”, falle die Ernte aus für Landwirte, die Gelb gewählt hätten. Connemann zufolge wird auch das Thema „Ernährungssicherung” im Koalitionsvertrag ausgeblendet.  Für sie steht damit fest, dass die Landwirtschaft nur noch an den Zielen Umwelt- und Ressourcenschutz ausgerichtet werden soll.
Enttäuscht zeigte sich der agrarpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Albert Stegemann. Im Gegensatz zu CDU und CSU bekenne sich die Ampel nicht zu den Borchert-Empfehlungen zum Umbau der Nutztierhaltung, erklärte er und nannte dies „eine verpasste Chance”. Die Finanzierung bleibe genauso offen wie die zentrale Frage, ob das Geld am Ende wirklich auf den Höfen ankomme. Für CSU-Agrarsprecher Artur Auernhammer sind die Ampelpläne für die Landwirtschaft ebenfalls eine „herbe Enttäuschung”. Auch Auernhammer begründet das mit fehlender Klarheit beim erforderlichen Umbau der Nutztierhaltung.