Der Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP wurde in der Agrarbranche zurückhaltend aufgenommen. So fehlt darin dem Präsidenten des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Joachim Rukwied, wie der Umbau der Tierhaltung finanziert werden soll.
Bei der Vorstellung des Ampel-Koalitionsvertrages (von links): Christian Lindner, Olaf Scholz, Annalena Baerbock, Robert Habeck
Eine Reihe von Verbänden vermisst hinreichend klare Aussagen, wie die angekündigten Ziele erreicht werden sollen. Auf Unverständnis stößt sowohl auf der Landwirtschafts- als auch der Umweltseite, dass in dem Text kein direkter Bezug auf die Empfehlungen der Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) und der Borchert-Kommission genommen wird.
Gesamte Gesellschaft beim Umbau gefordert
Der Präsident des Deutschen
Bauernverbandes (DBV), Joachim Rukwied, wies darauf hin, dass sich die
künftige Koalition zwar zum Umbau der Tierhaltung bekenne. Wie der
finanziert werden solle, bleibe jedoch offen. Rukwied wies erneut darauf
hin, dass der Umbau zusätzliche öffentliche Mittel erfordere, wie dies
die Borchert-Kommission aufgezeigt habe. Der Umbau könne nur gelingen,
„wenn er als gesamtgesellschaftliche Aufgabe verstanden wird und die
wirtschaftliche Nachhaltigkeit gewährleistet”.
Der Präsident des Deutschen Raiffeisenverbandes (DRV), Franz-Josef
Holzenkamp, appellierte an die Koalitionsparteien, auf die Vorarbeiten
für die Gestaltung des Transformationsprozesses zurückzugreifen: „Wir
starten nicht bei null.” Es gelte, diesen Weg weiterzugehen. Der
Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL),
Martin Schulz, warnte SPD, Grüne und FDP davor, hinter die Ergebnisse
der Zukunftskommission zurückzufallen.
Ökonomie kommt zu kurz
Für DBV-Präsident Rukwied kommt die Ökonomie im
Koalitionsvertrag zu kurz. Er verwies auf den tiefgreifenden und
schwierigen Transformationsprozess, in dem sich die deutsche
Landwirtschaft befinde. Für diese Herausforderungen greife der
Koalitionsvertrag nur einen Teil der Empfehlungen auf, die alle
gesellschaftlichen Gruppen gemeinsam in der ZKL erarbeitet hätten. Der
DBV stehe ohne Abstriche zu dem in der Zukunftskommission erzielten
gesamtgesellschaftlichen Kompromiss, bekräftigte Rukwied. Er kündigte
an, die in der ZKL entwickelte Zusammenarbeit mit den Umweltverbänden
fortzuführen und zu intensivieren: „Wir pflegen die Kontakte weiter und
denken über mehr nach.”
Landwirtschaft braucht Innovationen
Zwar sei die Absicht richtig, eine umwelt- und
klimagerechte Landwirtschaft weiterzuentwickeln, die auch den Bauern
gute wirtschaftliche Perspektiven biete. Es komme jedoch gerade bei den
Vorhaben zum Naturschutz, zur Tierhaltung und zum Pflanzenschutz
maßgeblich auf die Umsetzung an. Insbesondere fehle ein Hinweis, dass
die Landwirtschaft Innovationen brauche. Dazu zählten auch die neuen
Züchtungstechniken. Zu den unterstützenswerten Aspekten gehöre die
Stärkung des kooperativen Natur- und Artenschutzes sowie der Einstieg in
das Bestandsmanagement beim Wolf.
Einige gute Ansätze für eine Begleitung der Landwirtschaft in der
Transformation sieht auch DRV-Präsident Holzenkamp. „Das im
Koalitionsvertrag skizzierte Zielbild für die Landwirtschaft
unterstützen wir”, betonte Holzenkamp. Bei der Ausgestaltung müsse die
Politik aber auf die Ergebnisse der ZKL und der Borchert-Kommission
bauen.
Betriebe nicht alleinlassen
„Die Betriebe dürfen bei der Bewältigung der Aufgaben nicht
alleingelassen werden”, warnte der Raiffeisenpräsident. Holzenkamp
betonte die Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit der Politik. Es sei an
der Zeit, „die Gemeinsamkeiten in den Mittelpunkt der Arbeit zu rücken
und nicht die Gegensätze”. Mit Blick auf die ambitionierten Ziele zum
Ausbau des Ökolandbaus mahnte Holzenkamp, die Gesetze des Marktes im
Blick zu behalten. Angebot und Nachfrage müssten im Einklang stehen.
„Ist die Vermarktung nicht gesichert, fehlt die wirtschaftliche
Tragfähigkeit”, stellte der DRV-Präsident klar.
Umwelt- und agrarpolitische Rosinenpickerei bei den Ergebnissen der
Zukunftskommission Landwirtschaft warf die Vorsitzende des Bundes der
Deutschen Landjugend (BDL), Kathrin Muus, den Ampelparteien vor. Sie
frage sich, so Muus, „ob die Parteien der neuen Bundesregierung die
Empfehlungen der Zukunftskommission nicht verstanden haben oder nicht
verstehen wollten”. Dass gerade eine Dreier-Koalition den
gesellschaftlichen Konsens übergehe, der von einer Vielzahl
widerstreitender Parteien hart erarbeitet worden sei, löse bei der
Landjugend nur Kopfschütteln aus.
Kritik am Koalitionsvertrag von der Union
Erwartungsgemäß kritisch haben sich Unionspolitiker zum Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP geäußert. Die stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Gitta Connemann, nahm insbesondere die Liberalen aufs Korn. „Unsere Höfe waren der FDP dann doch nicht so wichtig wie Justiz oder andere Ministerien”, so Connemann zur Besetzung des Bundeslandwirtschaftsministeriums durch die Grünen. Nachdem die FDP noch im Wahlkampf plakatiert habe, „die Landwirtschaft hat unseren Dank verdient”, falle die Ernte aus für Landwirte, die Gelb gewählt hätten. Connemann zufolge wird auch das Thema „Ernährungssicherung” im Koalitionsvertrag ausgeblendet. Für sie steht damit fest, dass die Landwirtschaft nur noch an den Zielen Umwelt- und Ressourcenschutz ausgerichtet werden soll.
Enttäuscht zeigte sich der agrarpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Albert Stegemann. Im Gegensatz zu CDU und CSU bekenne sich die Ampel nicht zu den Borchert-Empfehlungen zum Umbau der Nutztierhaltung, erklärte er und nannte dies „eine verpasste Chance”. Die Finanzierung bleibe genauso offen wie die zentrale Frage, ob das Geld am Ende wirklich auf den Höfen ankomme. Für CSU-Agrarsprecher Artur Auernhammer sind die Ampelpläne für die Landwirtschaft ebenfalls eine „herbe Enttäuschung”. Auch Auernhammer begründet das mit fehlender Klarheit beim erforderlichen Umbau der Nutztierhaltung.