Im Februar wurde ein Tiroler Landwirt in einem Zivilprozess in erster Instanz zu einer hohen Geldstrafe verurteilt, weil eine seiner Kühe eine Wanderin angegriffen und getötet hatte. Welche Konsequenzen ergeben sich aus diesem Urteil für deutsche Tierhalter?
In jedem Fall ratsam: Warnschilder, die Spaziergänger ohne Erfahrung im Umgang mit Rindern warnen und auf das richtige Verhalten hinweisen.
Bei dem Fall handelt es sich – so sieht es das Landesgericht Innsbruck selbst – um eine reine Einzelfallentscheidung. Die Besonderheit lag darin, dass die Weide, auf der sich die Mutterkuhherde befand, in stark von Wanderern (mit und ohne Hund), Kindern und Fahrzeugen frequentierter Umgebung lag. In unmittelbarer Nähe befand sich auch ein Gasthaus mit 220 Sitzplätzen. Die Herde hielt sich gleich in der Nähe davon auf, da der Stall direkt neben dem Gasthaus lag. Des Weiteren führten just an dieser Stelle mehrere Wanderwege zusammen. Daher sah es das Gericht als erforderlich an, die Weide abzuzäunen, zumal dies vom Aufwand her zumutbar war. Die Kosten der Abzäunung betragen pro Jahr etwa 200 Euro. Zwischenzeitlich hat übrigens der Landwirt die Weide auch eingezäunt. Die Kosten hat der örtliche Tourismusverband übernommen. Der Landwirt ist zudem in Berufung gegangen.
Maßgeblich für eine vergleichbare Entscheidung zulasten eines Landwirts in Deutschland wäre die Tierhalterhaftung nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB). Normalerweise haftet danach ein Tierhalter für Schäden durch seine Tiere auch ohne Verschulden. Bei erwerbsmäßiger Tierhaltung muss der Tierhalter jedoch nicht haften, wenn er die erforderliche Sorgfalt beachtet hat. Für diese gibt es keine allgemeine Definition, sondern nur Kriterien für den Einzelfall. Bei dem geschilderten Sachverhalt wurde nach Auffassung des Innsbrucker Gerichts diese Sorgfalt nicht beachtet. Diese Wertung erscheint durchaus nachvollziehbar, denn die starke Frequentierung der Weide löst durchaus Reizungen bei der Herde aus, so dass weitere zumutbare Maßnahmen getroffen werden müssen.
Sorgfaltspflicht erfüllt?
Die einschlägigen deutschen Entscheidungen zur Tierhalterhaftung betreffen regelmäßig den Fall, dass Tiere aus einer Weide ausbrechen und dann im Straßenverkehr Schäden verursachen. Nicht jedoch die Konstellation wie in Tirol, dass die Tiere in der Weide bleiben und fremde Menschen die Weide betreten. In diesem Fall gebietet es die erforderliche Sorgfalt laut dem Innsbrucker Gericht, zu verhindern, dass Kühe in ihrem Beschützerinstinkt für ihre Kälber Spaziergängern mit Hunden zu nahe kommen. Solche Angriffe auf Spaziergänger hat es in Vergangenheit bei der Haltung von Mutterkühen auf Almen immer wieder einmal gegeben. Konkrete Entscheidungen zum Maßstab der Sorgfalt gegenüber Spaziergängern, die auf Wegen eine beschickte Weide queren, sind in jüngerer Zeit nicht bekannt geworden.
In vielen Fällen sind offizielle Wanderwege, die über eine Weide führen, abgezäunt, weniger um die Wanderer vor den Kühen zu schützen, als vielmehr zu verhindern, dass die Wanderer sich zu sehr auf den Weiden breitmachen. In einzelnen Fällen kommt es jedoch vor, dass ein ausgewiesener Wanderweg ohne Einzäunung über kurze Abschnitte auch durch eine beschickte Weide führt. Oder dass im Zuge der Weidehaltung vorhandene Wege mit eingezäunt werden, um beispielsweise dem Vieh, das oben am Berg weidet, die Möglichkeit zu geben, talwärts am Bach zu trinken. Bei der Einzäunung von Wegen ist stets Vorsicht geboten, da diese zwingend so erfolgen muss, dass kein Wanderer oder Radfahrer dadurch gefährdet wird.
Zu beachten ist auch, dass nach dem Landesnaturschutzgesetz Baden-Württemberg landwirtschaftlich genutzte Flächen während der Nutzzeit grundsätzlich nur auf Wegen betreten werden dürfen. Als Nutzzeit gilt die Zeit des Aufwuchses und der Beweidung. Also besteht für die Zeit der Beweidung ohnehin kein allgemeines Betretungsrecht für Kuhweiden außerhalb von Wegen, sehr wohl aber auf Wegen.
Welche Empfehlungen?
Rinderhalter, von deren Tieren Gefahren für Spaziergänger auf der Weide ausgehen können – zum Beispiel bei Bullen oder bei Mutterkühen –, müssen das mögliche Gefährdungsrisiko bei der Tierhaltung künftig verstärkt im Blick haben. Warnschilder sind in jedem Fall geboten, die Spaziergänger ohne praktische Erfahrung im Umgang mit Rindern warnen und auf das richtige Verhalten hinweisen. Solche Schilder sollten im Regelfall auch ausreichen.
Bei einer regelmäßigen und häufigen Frequentierung des Weges über die Weide, zum Beispiel an touristischen Brennpunkten oder in der Nähe von Gastwirtschaften, reicht jedoch ein solches Warnschild nicht aus. Der Weg muss dann mit einem Elektrozaun abgezäunt werden, so dass die Kühe nicht mit den Wanderern in Kontakt kommen, mehr aber auch nicht. Wie in Tirol sollte der örtliche Tourismusverband um Übernahme der Kosten für diese Einzäunung angefragt werden.