Tierhaltung | 02. August 2018

Melezitose: Wenn sich der Waldhonig nicht schleudern lässt ...

Von Bruno Binder-Köllhofer, Fachberater Imkerei, RP Freiburg
Seit Mitte Juli melden Imker aus der Ortenau, dem Schwarzwald-Baar-Kreis, dem Landkreis Lörrach, vom Hochrhein und aus weiteren Regionen, dass sie ihre geernteten Honigwaben nicht ausschleudern können. Auch Imker aus anderen Bundesländern haben dieselben Probleme.
Melezitosehonig, der in den Zellen fest auskristallisiert, ist ein großes Ärgernis. Er kann nicht geerntet werden und ist absolut ungeeignet für die Überwinterung von Bienenvölkern.
Ursache ist der sogenannter „Zementhonig”, der innerhalb kurzer Zeit beige-grau und sehr fest in den Waben auskristallisiert. Der Honigtau davon stammt vermutlich von der Schwarzen Fichtenrindenlaus. Sie besiedelt armdicke Stämme und Äste von wüchsigen Fichten und bildet oft große Kolonien. Für die Vermehrung der Rindenläuse werden vorwiegend Aminosäuren (Eiweiß) aus dem Saft der Bäume benötigt.
Diese Lausart scheidet normalerweise sehr große Mengen überschüssigen Zuckers aus. Dieser Honigtau enthält in großen Mengen den Dreifachzucker Melezitose, der die schnelle Kristallisierung bewirkt. 
Keine Warnhinweise
Benützen Imker Stockwaagen und stellen Tageszunahmen von drei und mehr Kilogramm fest, ist das ein erster Warnhinweis. Erfahrene Imker holen ihre Völker bei Verdacht auf Melezitosehonig aus der Tracht und bringen sie an andere Standorte. Übergroße Tageszunahmen gab es bisher dieses Jahr im Wald jedoch nicht – im Gegenteil. Bis Ende Juni blühten bis in die Hochlagen hinein die Linde und die Edelkastanie sehr reichlich, die Bienen sammelten fleißig.
Danach zeigten die im  Schwarzwald verteilten Stockwaagen ein wenig eindeutiges Bild. Oft ergaben sich keine oder nur sehr geringe Zunahmen. Wurde etwas eingetragen, dann nur in geringen Mengen. Trotzdem war am Geschmack deutlich erkennbar, dass es sich um Honigtau und nicht um Blütennektar handelte.
Aus der anfänglichen Freude an Waldhonigeintrag wurde dann beim Schleudern großer Frust, denn die Waben mit kristallisiertem Honig lassen sich nicht leer schleudern. Vermutlich sind oder waren die Kolonien der Schwarzen Fichtenrindenlaus dieses Jahr nicht besonders groß und zahlreich, so dass die übergroßen Tageszunahmen als Warnung fehlten.
Melezitosehonigwaben wie verwerten?
Melezitose kann von den Bienen unter bestimmten Voraussetzungen verwertet werden. Einmal, wenn der Eintrag mit anderem Honigtau vermischt vorkommt, was nur vereinzelt der Fall war, oder wenn er in so geringen Mengen eingetragen wird, dass die Bienen bei der Bearbeitung und Eindickung reichlich Enzyme zusetzen. Melezitose wird dann in unproblematische, nicht kristallisierende Einfachzucker umgewandelt.
Als Erklärung für das aktuelle Problem kann die vorherrschende trockene und sehr warme Witterung herangezogen werden. Der Honigtau war sicherlich schon so konzentriert, dass die Bienen auch die relativ geringe Sammelmenge nicht ausreichend mit Enzymen versetzten.
Für das Bienenvolk ist  der auskristallisierte Honig praktisch nicht verwertbar. Die Waben eignen sich weder für die Fütterung im Spätsommer noch als Wintervorrat. Und der betroffene Imker hat das Problem, dass Melezitose-Waben nicht leer zu schleudern sind und häufig leicht brechen. Es fehlen dann oft die Ersatzwaben, um das  überlebensnotwendige Winterfutter einzulagern.
Wabn entfernen
Rähmchen mit Mittelwänden werden außerdem im Spätsommer kaum noch zu Waben ausgebaut. Für die Überwinterung ist es dennoch sehr wichtig, möglichst alle Melezitose-Waben aus dem Wintersitz des Volkes zu entfernen und leere Waben einzuhängen, damit dort ballaststoffarmes Winterfutter eingelagert wird. Einerseits, weil die Kristalle im Winter nicht verwertbar sind, andererseits, weil Waldhonig im Gegensatz zu Blütenhonig oder auch Futter aus Zuckerwasser sehr ballaststoffreich ist.
In der fluglosen Winterzeit kann dann die Kotblase von Einzelbienen so massiv gefüllt werden, dass sie den Darminhalt nicht bis zum ersten Reinigungsflug halten können und im Stock abkoten. Nachfolgend breiten sich dann Darmkrankheiten wie Ruhr und Nosema im Volk aus.
Bekannt ist, dass aus Melezitosehonigkristallen, die die Bienen wieder bearbeiten und intensiv mit Enzymen versetzen, ein flüssiger, wohlschmeckender Waldhonig wird. Dies ist aber sowohl für Bienen als auch Imker sehr mühsam: Die Waben müssen gut mit Wasser angefeuchtet und im Bienenvolk so positioniert werden, dass zum einen keine Räuberei auftritt, zum anderen aber die Bienen den Eindruck haben, dass der Honig an der falschen Stelle gelagert ist. Es gibt dazu mehrere Rezepte, die alle nicht immer zu 100 Prozent funktionieren.
Melezitosehonig
Eine Möglichkeit ist, dass man wenige Waben oberhalb des Bienenvolkes im Kasten einstellt, jedoch durch eine schwarze Folie vom Volk getrennt, mit einer kleinen Lücke nach oben. Von oben einfallendes Licht (aber keine Sonne, Hitze!) verstärkt den Effekt. Nach oben muss man entweder eine beschattete Glasplatte (Hitze!) oder ein Lüftungsgitter anbringen, damit dort keine Bienen hineinkommen und Räuberei stattfindet. Diese Methode geht nur mit ausreichend starken Völkern und nach Ende der Tracht.
Eine weitere Methode ist, dass man die angefeuchteten Melezitosehonigwaben in einer Zarge unter das Brutnest mit reduziertem Flugloch stellt. Bienen dulden in Fluglochnähe keine Honigvorräte (Gefahr des „Diebstahls”) und tragen sie deshalb nach und nach oberhalb der Brut ein, weit weg vom Flugloch. Der umgetragene und dann flüssige, aber dennoch ballaststoffreiche Waldhonig muss aber ebenfalls bald geschleudert werden, weswegen sich nur starke und im Brutraum eng geführte Völker für diese Methoden eignen.
Wird der Honig in Waben eingelagert, wo sich auch noch Brut befindet, verbietet sich das Schleudern. In allen Fällen kann man mit mindestens 30 bis 50 Prozent Umarbeitungsverlusten, einer Menge zusätzlicher Arbeit und mit ungewissem Erfolg rechnen. Außerdem  drängt die äußerst wichtige Sommerbehandlung gegen die Milben, womit das Zeitfenster klein und der Stress groß ist.
Wer kann, lagert daher die Waben trocken, eventuell in Folie eingepackt und kühl (unter 9 °C, wegen Wachsmotten) bis zum nächsten Frühjahr und gibt sie zeitig als Reizfütterung vor der Tracht. Nun wird allerdings seit Mitte Juli auch partiell von verspritzten Tannen berichtet, so dass der „Spuk” Melezitosehonig hoffentlich bald ein Ende hat und vielleicht doch noch der begehrte und nicht kristallisierende Weißtannenhonig eingetragen wird.