Wenn die Raubtiere zurückkehren ...
Seit 2004 konnte in vier Fällen das Geschlecht von im Schwarzwald auftauchenden Luchsen bestimmt werden. Es handelte sich dabei ausschließlich um männliche Tiere, die auf der Suche nach weiblichen Luchsen große Streifzüge unternehmen. Da die weiblichen Tiere deutlich weniger wanderfreudig sind, ist eine Zuwanderung von Katzen aus dem Schweizer Jura recht unwahrscheinlich. Eine aktive Ansiedlung von Luchsen ist derzeit nicht geplant.
Die Übergriffe von Friedl auf die Schafe im Elztal sind bislang die einzigen Fälle in Baden-Württemberg, bei denen Nutztiere erbeutet wurden. Erfahrungen aus der Schweiz bestätigen, dass Luchse Wildtiere als Beute bevorzugen, selbst dann, wenn Nutztiere erreichbar sind. Von den etwa 150 bis 200 Luchsen in der Schweiz wurden in den letzten Jahren im Schnitt 20 bis 30 Schafe oder Ziegen pro Jahr erbeutet. In einzelnen Jahren wurden aber auch bis zu 300 Nutztierrisse notiert. Verantwortlich dafür waren einzelne, auf Nutztiere spezialisierte Tiere. Diese wurden entsprechend des Fachkonzeptes in der Schweiz der Natur entnommen.
Für einen allgemeinen Schutz von Schafen und Ziegen in Regionen mit Luchspräsenz besteht nach Informationen der Schweizer Herdenschutzfachstelle kein Anlass. Sollte es zu einem dieser seltenen Übergriffe kommen, kann die Herde mit verschiedenen Maßnahmen vor weiteren Angriffen durch den Luchs geschützt werden. Der schweizerische Herdenschutz hält für solche Zwecke sogenannte Notfallsets vorrätig, die aus Zaunmaterial und Blinklampen bestehen.
Die Erfahrungen aus ganz Europa zeigen, dass weder ausgewachsene Rinder noch Kälber vom Luchs erbeutet werden. Eine Beunruhigung der Herde kann in Ausnahmefällen vorkommen, Erfahrungsberichte aus der Schweiz gibt es hierzu jedoch aufgrund der Seltenheit kaum. Im mittleren Schwarzwald wurde in einigen Fällen beobachtet, dass die Nähe des Luchses Rinder stark beunruhigte, in einem Fall kam es vermutlich durch den Luchs auch zum Ausbruch der Tiere. Daher hat sich das „Regionale Forum zum Umgang mit Großraubtieren im mittleren Schwarzwald” ausführlich mit dieser Frage beschäftigt. Aus Sicht des Forums könnten die klein strukturierten Weideparzellen ungünstig sein, da Weidetieren auf den kleinen Flächen kaum Ausweichmöglichkeiten gegeben sind. So schlussfolgert das Forum, dass Gemeinschaftsweidesysteme eine gute vorbeugende Maßnahme für Panikschäden an Zäunen und Vieh sein könnten. Vor dem Hintergrund der kleinstflächigen Besitzverhältnisse nicht nur im mittleren Schwarzwald wäre das jedoch eine Herausforderung. Die kleinstrukturierten Betriebe im Schwarzwald spielen eine bedeutende Rolle in der Offenhaltung der Weidflächen und somit der landschaftskulturellen Besonderheit des Schwarzwaldes. Sie bei notwendigen Schutzmaßnahmen vor Großraubtieren zu unterstützen, ist äußert wichtig, so resümiert das regionale Forum.
Einen gesetzlichen Anspruch auf Entschädigung gibt es nicht. Kommt es zu Schäden an Nutztieren, dann werden diese von Verbänden der „Arbeitsgruppe Luchs und Wolf” gemeinsam ausgeglichen. Zwei Fonds wurden für diesen Fall eingerichtet, aus dem Nutztierhalter eine finanzielle Entschädigung bekommen können, wenn sie Schäden durch große Beutegreifer zu verzeichnen haben. Beim Luchs wird der Fonds ausschließlich durch Verbände getragen, beim Wolf beteiligt sich das Land an der Refinanzierung der ausgezahlten Beträge.
Der geschädigte Landwirt im mittleren Schwarzwald bekam im Fall Friedl den Marktwert der zwei nachweislich vom Luchs getöteten Lämmer voll erstattet. Die beiden zuvor verschwundenen Lämmer wurden auf Kulanz zu je 50 Prozent erstattet.
Eine Ausgleichszahlung für durch den Luchs gerissene Wildtiere gibt es nicht. Für die Teilnahme am landesweiten Monitoring bezahlt der Landesjagdverband Baden-Württemberg e.V. jedoch eine Aufwandsentschädigung an Jäger, die der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA) verendete Tiere mit entsprechendem Verdacht melden, sofern sich dieser als Luchsriss durch fachliche Begutachtung bestätigen lässt. Zusätzlich bezahlt die Luchsinitiative e. V. eine einmalige Prämie für sichere Luchsmeldungen.
Die Schweiz beschäftigt sich seit der Ansiedlung in den Siebzigerjahren mit dem Luchs, seit den Neunzigerjahren mit dem Wolf. Das Herdenschutzmanagement in der Schweiz ist geregelt durch eine nationale Fachstelle für Herdenschutz, eine Fachstelle für Herdenschutzhunde und einen Verein für Herdenschutzhunde.
Die Schweizer Experten sind nach ihren Erfahrungen der Ansicht, dass der Umgang mit dem Herdenschutz für den Luchs Kenntnisse und Erfahrungen bringt, die gut auf den Wolf vorbereiten können. Zum wichtigsten Instrument des Herdenschutzes gehören die heute schon weit verbreiteten Elektronetze. Ein korrekt gestellter und an Beutegreifer angepasster Zaun bietet einen unerlässlichen Grundschutz vor Angriffen. In der Schweiz wird für geeignete Zäune eine zusätzliche Verstärkung finanziell bezuschusst.
Darüber hinaus ist der Herdenschutz vor dem Wolf mit Herdenschutzhunden, Lamas und Eseln in der Schweiz erprobt worden. Dabei zeichnen sich professionell ausgebildete und betreute Hunde als sehr effizient aus. Die Ausbildung der Herdenschutzhunde wird finanziell unterstützt (mit bis zu 1200 CHF/Jahr). Lamas und Esel haben sich in der Schweiz und Frankreich als abschreckende Maßnahme für große Beutegreifer bewährt.
Bei der Anschaffung von Herdenschutzhunden gilt es zunächst zu prüfen, ob sich die Anschaffung und der Betreuungsaufwand lohnen. In der Schweiz rechnet sich dies in der Regel bei mehr als 20 Tieren, wobei aber letztendlich die Bereitschaft und Motivation der Halter entscheidend ist. Mettler und Dornig sind sich einig: Herdenschutzhunde sind bei sehr kleinen Herden im Schwarzwald flächendeckend wohl schwer umsetzbar, da wirtschaftliche Aspekte nicht unbedingt dafür sprechen. Deshalb ist die individuelle Prüfung alternativer Herdenschutzmaßnahmen stets sinnvoll.
www.forum-grossraubtiere.wildtiere-bw.de
Gemeinsames Herdenschutzprojekt vom Landesschafzuchtverband und NABU BW e.V.:
baden-wuerttemberg.nabu.de/tiere-und-pflanzen/aktionen-und-projekte/Herdenschutz/
Weiterführende Informationen aus der Schweiz:
www.kora.ch
www.agridea.ch/de/fachbereiche/herdenschutz/
Auch in der Schweiz gibt es für Wildtiere, die durch große Beutegreifer getötet werden, keine Entschädigung. In Einzelfällen kann eine Jagdpachtminderung vereinbart werden.