Tierhaltung | 22. November 2018

Wenn die Maissilage warm wird

Von Annette Jilg, LAZBW Aulendorf
Dieses Jahr hat es in sich: Auf vielen Betrieben herrscht Futterknappheit und zudem werden die Silagen häufig auch noch warm und weisen Schimmelnester auf.
Trockenmassegehalte über 35 Prozent führen bei Mais häufig zu Verdichtungsproblemen und damit zu einem erhöhten Nacherwärmungsrisiko.
Bei einer Temperaturerhöhung um 10 °C ist täglich von 0,1 MJ NEL/kg TM Energieverlusten auszugehen. Zudem sinkt die Futteraufnahme der Kühe und es ist mit negativen Auswirkungen auf die Tiergesundheit zu rechnen. Die Frage ist: Kann das Futter noch gerettet werden?
Zunächst einmal sollte geprüft werden, ob es sich tatsächlich um Nacherwärmung handelt oder ob die Silage noch nicht ausgekühlt ist. Die normale Kerntemperatur einer ausgekühlten Silage liegt bei etwa 15 °C. Ein Silostock wirkt jedoch sehr gut isolierend, vor allem in warmen Jahren ist mit einer verzögerten Auskühlung zu rechnen. In den Randpartien folgt die Temperatur schneller der Umgebungstemperatur,  sinkt also im Winter und steigt im Sommer eher an. Da diese Zonen problematisch zu verdichten sind, ist dort das Nacherwärmungsrisiko am höchsten. Weist also der Silostock in der Mitte höhere Temperaturen auf und die Anschnittsfläche ist direkt nach der Entnahme wärmer als am folgenden Tag, so ist dieser Zustand bei einem guten Vorschub unproblematisch. Auch geruchlich zeigt sich dies: Bei Nacherwärmung riecht das Futter alkoholisch bis zu muffig oder gar faulig, eine gute, noch nicht ausgekühlte Silage riecht jedoch aromatisch säuerlich.
 
Silagen neigen in Trockenjahren zur Erwärmung
Wird der Silostock jedoch nach der Entnahme zunehmend wärmer und es zeigen sich Temperaturen über 20 °C bzw. mehr als 5 °C Temperaturunterschiede am Anschnitt, dann handelt es sich um Nacherwärmung. Verursacher sind hauptsächlich Hefepilze, doch auch Essigsäurebakterien können beteiligt sein. Hohe TM-Gehalte beim Einsilieren führten in diesem Jahr häufig zu Verdichtungsproblemen. Die unerwünschten Schadkeime nutzten den höheren Restsauerstoffgehalt, um sich bereits zu Beginn der Konservierung stark zu vermehren. Beim Öffnen des Silos steht ihnen wieder Sauerstoff zur Verfügung, eine explosionsartige Vermehrung ist möglich.
 Zudem führt erfahrungsgemäß das Silieren bei höheren Außentemperaturen zu geringeren Milchsäure- und Essigsäuregehalten in Silagen, so dass auch aufgrund des Gärsäurenmusters mit einer schlechteren Haltbarkeit (aeroben Stabilität) zu rechnen ist. Hefepilze werden von einer Essigsäurekonzentration von 2–2,5 % i. d. TM in ihrer Vermehrung gebremst. Diese Essigsäure wird wünschenswerterweise von heterofermentativen Milchsäurebakterien (MSBhetero) gebildet. Die Produktion findet jedoch erst im späteren Gärverlauf statt, daher wirkt sich eine längere Gärdauer positiv auf die Haltbarkeit einer Silage aus.
 
Jedes Silo reagiert anders
Nacherwärmung senkt die Grundfutterleistung, neben der reduzierten Futteraufnahme treten hohe Nährstoffverluste auf.
Das Ausmaß einer Nacherwärmung ist von vielen Faktoren abhängig. Die wichtigsten sind: Keimdichte an Mikroorganismen, die Verdichtung, die Gärdauer und der Vorschub. Entsprechend zeigt sich eine Nacherwärmung in den Silos auch in einem unterschiedlichen Ausmaß. Mal wird erst das Futter im Trog warm, mal zeigt sich eine leichte Erwärmung am Rand und im oberen Silobereich, mal ist die gesamte Anschnittsfläche betroffen. Entsprechend können unterschiedliche Maßnahmen zum Erfolg führen (siehe Übersicht). Warme Partien sollten nicht in den Trog kommen, und vor allem Schimmel muss großzügig (30 cm Radius) abgeräumt werden. Grundsätzlich wäre eine Erhöhung des Vorschubs von Vorteil, dies ist in der Praxis jedoch kaum möglich. Umgekehrt ist eine Verringerung des Vorschubs zu vermeiden. Da die Luftzufuhr eine große Rolle spielt, sollte täglich nur die benötigte Menge an Futter aufgedeckt werden. Ein Querriegel aus Kiessäcken auf der Folie direkt am Anschnitt verringert die Luftzufuhr deutlich.
TMR stabilisieren
Wird das Futter erst im Trog warm, so wäre es von Vorteil, zweimal täglich frisch zu füttern, auch wenn dies einen erheblichen zusätzlichen Arbeitsaufwand bedeutet. Oder die Futtermischung muss mit chemischen Zusätzen zur TMR-Stabilisation behandelt werden. Der Markt bietet eine vielfältige Auswahl an Mitteln unterschiedlichster Zusammensetzung. Je nach vorhandener Ausgangssituation kann die notwendige Dosierung, aber auch das zu wählende Mittel variieren. So ist zum Beispiel Kaliumsorbat kostengünstig und nicht korrosiv, jedoch sind Mittel auf der Basis von Propionsäure in vielen Fällen wirkungssicherer. Die Herstellerangaben sind zu beachten! Eine sehr gute Einmischung in die Ration ist selbstverständlich.
Anschnittsfläche stabilisieren
Aulendorfer Versuche zeigten, dass eine Anschnittsflächenbehandlung mit Propionsäure zwar keine signifikante Verbesserung der Energiegehalte bewirkte, jedoch verzögerte sich dadurch die Nacherwärmung 24 Stunden nach der Behandlung im Vergleich zur Kontrolle um 1,7 Tage. Die Maissilage blieb nun 2,3 Tage kalt und wies eine Hefekonzentration weit unter dem Grenzwert von 100000 Koloniebildenden Einheiten (KbE)/g Frischmasse (FM) auf. Die unbehandelte Silage enthielt bereits nach 24 Stunden 4 Mio. KbE Hefen/g FM. Aufgrund der geringen Eindringtiefe des Mittels (max. 6 cm) ist eine tägliche Behandlung des kalten Anschnittes notwendig. An einem leicht schrägen Anschnitt lässt sich ein Mittel leichter ausbringen. Zudem sollte nach der Behandlung die Folie stramm über den Anschnitt gezogen werden, um ein Abdampfen des Zusatzes zu verhindern. Auch hier gilt: Mittel und Dosierung sind an die Situation anzupassen und die Sicherheitsvorschriften einzuhalten, bei chemischen Mitteln ist häufig ein HACCP-Protokoll zu führen.
 
Umsilieren
Wenn nach der Entnahme im Silostock der Anschnitt immer noch warm ist, also die Nacherwärmung bereits tiefer in das Silo eingedrungen ist, dann kann Umsilieren nötig werden. Dies kann auch nur für die oberen Schichten im Silo notwendig sein. Zuerst werden die Schimmelschichten entnommen und verworfen. Anschließend  werden die warmen Partien komplett entnommen und rasch in dünnen Schichten mit einem stabilisierenden Mittel auf Basis von Propionsäure mit mindestens 5 l/t FM intensiv verdichtet und sofort abgedeckt. Es ist eine niedrige Füllhöhe einzuhalten, um später einen raschen Vorschub zu erzielen. Das neue Silo sollte mindestens 14 Tage geschlossen bleiben. Wurden lediglich  die oberen Schichten entfernt, so ist die Oberfläche im übrigen Silo vor dem Abdecken ebenfalls zu behandeln.
 
Schimmelnester
Die  Maissilagen weisen dieses Jahr häufig auch Schimmelnester auf. Es zeigt sich vor allem der hartnäckige Penicillium roqueforti (blau-grau bis weiß) bzw. Monascus ruber (karminrot). Neben einer großflächigen Ausbreitung können sie auch als sogenannte Hotspots, also kugelförmige Nester, auftreten. Hier vermehrten sich die Pilze durch den Restsauerstoff bereits zu Silierbeginn. In der Entnahmephase reichen minimalste Mengen an eindringendem Sauerstoff, um das Wachstum erneut anzuregen. Ursache ist daher immer eine unzureichende Verdichtung, vor allem in Kombination mit einem knappen Vorschub. Eine Behandlung der Anschnittsfläche dringt wie gesagt nicht tief genug in den Silostock ein. Zudem ist auch die Mykotoxinbildung bereits erfolgt. Verschimmelte Partien müssen immer aussortiert werden. Um eine weitere Ausbreitung zu verhindern, muss der Abraum aus der Siloanlage entfernt werden.
 
Fazit
Wird eine Silage warm, so ist die nachträgliche Lösung des Problems immer mit einem sehr hohen Arbeitsaufwand und zusätzlichen Kosten verbunden. Wichtig ist es daher, zukünftig auf die Risikopunkte zu achten: insbesondere auf den rechtzeitigen Erntezeitpunkt (TM-Gehalt!), eine hohe Verdichtung (u. a. angepasste Häcksellänge, Abstimmung der Anlieferungsmenge an die mögliche Walzarbeit, feuchteste Feldpartien zuletzt häckseln), die Anpassung der Füllhöhe an den Tierbestand (Vorschub!), die sofortige Abdeckung und eine ausreichende Gärdauer (Futterplanung). Ein Siliermitteleinsatz mit Zusätzen der DLG-Wirkungsrichtung 2 kann ebenfalls das Nacherwärmungsrisiko mindern.