Wenn das Abwehrsystem überaktiv ist
Als Reaktion auf schädliche Reize werden verschiedene Botenstoffe ausgeschüttet. Interleukin und andere Stoffe bewirken eine Erweiterung der Blutgefäße, so dass das betroffene Gebiet stärker durchblutet wird, die Gefäße werden durchlässiger für Immunzellen und Blutplasma, die sich im Gewebe anreichern. Histamin, Prostaglandine, Bradykinin und andere Botenstoffe locken die Abwehrzellen in den betreffenden Bereich und lösen durch die leichtere Erregbarkeit der Schmerzrezeptoren Schmerzen aus. Damit sorgen sie für die Ruhigstellung des erkrankten Körperteiles und die Schonung von Energiereserven durch verminderte Aktivität.
Eine zentrale Rolle in diesen Kaskaden spielen Prostaglandine (PG), die mittels spezieller Enzyme aus verschiedenen Fettsäuren synthetisiert werden. Prostaglandine kommen fast überall im Körper vor und übernehmen im Organismus verschiedene physiologische Funktionen. So ist PGF 2α im Sexualhaushalt für die Auflösung der Gelbkörper und die Auslösung der Geburt verantwortlich, PG E reguliert die Magensäurefreisetzung, aktiviert die Bicarbonat- und Schleimproduktion und verhindert dadurch im Magen-Darm-Trakt die Entstehung von Geschwüren und Schädigungen der Schleimhaut.
Bei Entzündungen werden durch verschiedene Immunzellen Prostaglandine freigesetzt. Diese verstärken oder verursachen Entzündungen, verengen die Blutgefäße, verstärken die Blutgerinnung und die Schmerzwahrnehmung. Sie lösen im Körper die notwendigen Maßnahmen aus, um auf Wunden, Verletzungen oder andere Veränderungen zu reagieren.
In der ersten Phase der Entzündung (Anschwemmung von Abwehrzellen sowie Freisetzung von biochemischen Substanzen, die die Entzündungsreaktion einleiten) wird manchmal schon der Grundstein für chronisch-zerstörerische Erkrankungsformen gelegt, die durch autoaggressive Gewebeschäden verursacht werden. Der Körper bzw. das Abwehrsystem reagiert über das Ziel hinaus, die Abwehrreaktionen gegen Erreger oder andere Ursachen können selbst teils enorme Schäden verursachen.
Zusätzlich kann es durch die Botenstoffe zu einer unnötigen Auslösung von Schmerzen und Fieber kommen. Dieser Zustand der Krankheit bzw. des Leidens schwächt den Körper schnell, die Abwehrprozesse verbrauchen ein hohes Maß an Energie und Nährstoffen und der „angeschlagene Zustand” führt weiterhin zu einer verminderten Aufnahme von Nährstoffen und Flüssigkeit.
Ziel des Einsatzes von Entzündungshemmern ist es, überschießende Entzündungsreaktionen frühzeitig zu verhindern. Sie sollten vor allem in der Anfangsphase eines Krankheitsgeschehens eingesetzt werden. Ihr Nutzen liegt in der Regulation, im Abbremsen von überschießenden Abwehrreaktionen.
Ihre Wirkung ist fiebersenkend, schmerzstillend und entzündungshemmend. Die eingesetzten nichtsteroidalen Entzündungshemmer differieren, je nach enthaltenem Wirkstoff, in ihren Wirkungen. Die fiebersenkende Wirkung kann teils durch Einwirken vor Ort im Gebiet der Entzündung, teils durch den Angriff im Gehirn, im Fieberzentrum, erklärt werden. Die sogenannten sauren NSAIDs (ASS, Ibuprofen u. a.) werden eher in dem entzündeten Gewebe angereichert und wirken hier stärker gegen die Entzündungen als die nichtsauren Entzündungshemmer wie Paracetamol oder Metamizol.
Acetylsalicylsäure (ASS) wird den schwachen Analgetika (schmerzstillende bzw. -lindernde Medikamente) zugeordnet. Sie wirkt entzündungshemmend, peripher und zentral schmerzstillend sowie fiebersenkend und sie hemmt die Thrombozytenaggregation (Zusammenlagern von Blutplättchen). Eine Hemmung der physiologischen Blutgerinnung kann sporadisch auftreten. Diese ist reversibel und klingt innerhalb von etwa sieben Tagen ab.
Natriumsalicylat besitzt eine entzündungshemmende sowie schmerzlindernde und fiebersenkende Wirkung.
Paracetamol besitzt schmerzlindernde und fiebersenkende Eigenschaften. Die fiebersenkende Wirkung wird erklärt durch die Fähigkeit, die für die PG-Synthese wichtigen Enzyme auch im Gehirn zu blockieren. Paracetamol zeigt kaum Nebenwirkungen auf den Magen-Darm-Trakt und keinen hemmenden Effekt auf die Blutplättchenaggregation.
Ketoprofen wirkt entzündungshemmend, fiebersenkend und schmerzlindernd. Es hat eine Hemmwirkung auf Bradykinin (an der Steuerung von Entzündungsprozessen beteiligtes Hormon, das auch die Schmerzempfindlichkeit steigert) und auf Superoxidanionen, die infolge ihrer hohen Reaktivität Zellmembranen und -strukturen irreversibel schädigen können. Dadurch hat Ketoprofen auch eine stabilisierende Wirkung auf die Membranen verschiedener Abwehrzellen.
Meloxicam wirkt entzündungshemmend, fiebersenkend, schmerzlindernd und antiexsudativ (gefäßwandschützend). Es reduziert das Eindringen von Leukozyten in entzündetes Gewebe. Meloxicam hat ebenfalls antiendotoxische Eigenschaften. Es konnte gezeigt werden, dass es die durch E. coli-Endotoxin ausgelöste Thromboxan B-Produktion bei Kälbern, Milchkühen und Schweinen hemmt. Thromboxan kann den Querschnitt von Blutgefäßen verengen, fördert die Verklumpung von Blutplättchen und kann so zum Verschluss kleiner Blutgefäße führen.
Metamizol zeigt eine deutliche zentrale schmerzlindernde und fiebersenkende, aber nur eine geringe entzündungshemmende Wirkung. Metamizol besitzt zusätzlich noch eine krampflösende Wirkung an glattmuskulären Organen.
Tolfenaminsäure hat entzündungshemmende, schmerzstillende und fiebersenkende Eigenschaften.
Flunixin führt zu einem signifikanten Abfall der Konzentration von Prostaglandin E2, Thromboxanen und Prostacyclin-Metaboliten im Serum (Blutflüssigkeit) und im Entzündungsexsudat (Flüssigkeit, die durch den Entzündungsprozess aus den feinen Blutgefäßen ausgetreten ist). Es hat eine ausgezeichnete schmerzstillende und eine gute entzündungshemmende und fiebersenkende Wirkung.
Noch wichtiger erscheint der Einfluss auf das Verdauungssystem. Die Anwendung von nichtsteroidalen Entzündungshemmern, vor allem den sauren wie Acetylsalicylsäure, kann zur Entstehung oder Verschlimmerung bereits bestehender Reizungen des Magen-Darm-Traktes und – in schweren Fällen – zu Geschwüren führen. Mögliche Nebenwirkungen sind Blutungen, Reizung und Schädigungen des Magen-Darm-Traktes. Irritationen können sich klinisch durch schwarzen Kot infolge von Blutverlust in den Magen oder Darm manifestieren. Der Einsatz in der Tiermedizin erfolgt aber nur selten als Langzeitbehandlung, so dass hier eher wenig Bedenken hinsichtlich dieser Probleme bestehen.
Kastration: Bereits sehr oft werden NSAIDs eingesetzt, um Schmerzen nach der Kastration vorzubeugen. Hierbei werden durch die Injektion von Meloxicam oder Flunixin vor der Operation in geringem Maße die operativen Schmerzen, aber vor allem die Schmerzen nach der Kastration verringert. Verschiedene Untersuchungen zeigen, dass damit behandelte Ferkel nach der Kastration einer bessere Gewichtszunahme hatten als unbehandelte Tiere.
Entzündungen mit Endotoxinfreisetzung bzw. -belastung: Bei Erkrankungen wie MMA oder der Colienterotoxämie der Absetzferkel werden durch den Zerfall von Coli- und anderen Bakterien (gerade auch nach dem Einsatz von Antibiotika) zellwandständige Endotoxine freigesetzt, die massive Entzündungserscheinungen auslösen können. Der Einsatz bei diesen Erkrankungen vermindert die Entzündungen und wirkt zugleich auch antiendotoxisch.
Unspezifischer Reizhusten
Infektiöse Erkrankungen – vor allem virale Infektionen wie Influenza oder PRRS mit hohem Fieber: Der Einsatz dient hier vor allem der Senkung des Fiebers und der Beseitigung der anderen Entzündungssymptome, um die Schweine schneller wieder zum Fressen und zum Saufen zu bringen.
Muskelschmerzen und Verletzungen
Schmerzen und Schwellungen infolge einer Geburt: Hierzu veröfffentlichte Untersuchungen zeigen, dass Ferkel von behandelten Muttersauen mehr Biestmilch und damit auch mehr maternale Schutzstoffe nach der Geburt aufnehmen konnten.
Ohrrandnekrosen: Auch hier werden NSAIDs teilweise mit gutem Erfolg eingesetzt.
NSAIDs werden gewöhnlich verwendet, um Entzündungserscheinungen zu reduzieren, Schmerzen zu verringern, die Schmerzempfindlichkeit zu erniedrigen und die Körpertemperatur (Fieber) zu senken. Damit kann eine Verbesserung der Begleiterscheinungen der Erkrankung erreicht werden. Der Stress für das Tier (Schmerzen, Unwohlsein etc.) wird verringert und die Aussichten auf eine bessere und schnellere Heilung werden vergrößert.