Pflanzenbau | 29. August 2019

Weniger Pflanzenschutzmittel im Obstbau

Von Michael Götz
Die Schweizer Güttinger-Tagung Mitte August zeigte Möglichkeiten und Grenzen von Versuchen auf, im Obstbau synthetische Pflanzenschutzmittel zu reduzieren.
Die Feldtagung ermöglichte in der komplett eingenetzten Modellanlage das direkte Gespräch mit den Forschenden.
Offensichtlich gibt es beim Pflanzenschutz keine Schwarz-Weiß-Lösungen. Nicht zuletzt sind auch Kosten-Nutzen-Analysen erforderlich, um geeignete rückstandsarme Strategien zu entwickeln.
Anja Ackermann vom Bildungs- und Beratungszentrum Arenenberg (BBZ) und Diana Zwahlen von Agroscope arbeiten im Projekt „Modellanlagen für den Integrierten Pflanzenschutz”. Die Modellanlage in Sommeri bei Güttingen ist komplett mit einem Hagelnetz umgeben, das nicht nur Hagel, sondern auch Schädlinge so gut wie möglich abhalten soll. Zur Förderung der Nützlinge in der Anlage wurden an den Rändern Begleitsträucher wie beispielsweise Holunder oder Geißblatt gepflanzt sowie Blühstreifen in den Fahrgassen angelegt.
Die Verwirrungstechnik soll den Apfel- und Schalenwickler sowie den Kleinen Fruchtwickler dezimieren, aber auch vornehmlich nützlingsschonende Insektizide kommen nach dem Schadschwellenprinzip zum Einsatz. Diese Strategie funktioniere grundsätzlich gut, lassen die Forscherinnen wissen. Der Apfelwicklerdruck ließ sich so auf niedrigem Niveau halten. Allerdings hat sich die Population des Schalenwicklers über die Jahre hinweg trotz Verwirrung mit Dispensern aufgebaut. Die Forscherinnen mussten deswegen im Jahr 2019 zusätzlich mit einem Insektizid eingreifen, um den Schädlingsdruck zu reduzieren und um – wie sie hoffen – in Zukunft auf solche Maßnahmen verzichten zu können.
In einer anderen Modellanlage in Wädenswil wird der Einsatz einer Folienabdeckung beim Apfel als Schutz vor Pilzkrankheiten untersucht. Bisher war die Folie ein guter Schutz vor Schorf, aber Mehltau trat häufiger auf.
Spritzen richtig reinigen
Die äußere Verschmutzung von Spritzmitteltanks ist mit Blick auf eine Umweltgefährdung nicht zu unterschätzen.
Um zu verhindern, dass Pflanzenschutzmittel in Gewässer gelangen, müssen die Rückstände an den Spritzmitteltanks, die innen und außen haften bleiben, fachgerecht entsorgt werden. Lisa Honegger vom BBZ demonstrierte das. Bleiben nach dem Einfüllen des Präparates auch nur 6 g davon im Messbecher zurück, dann sind darin 3 g Aktivsubstanz enthalten. Gelangen diese in einen Bach von einem Meter Breite und einem Meter Tiefe, so verschmutzen sie ihn auf einer Länge von 30 km so stark, dass die gesetzlichen Anforderungen von 0,1 Millionstel Gramm/Liter nicht eingehalten werden.
Pflanzenschutzgeräte reinigt man am besten auf dem Feld. Der Boden ist ein guter Puffer. Die Spritzmittelreste dürfen auch nicht via Waschbecken in die Kläranlage gelangen, da sie dort nicht abgebaut werden. Wo nicht auf dem Feld gereinigt wird, sollte es auf einem mobilen Waschplatz geschehen, von wo das Waschwasser in die Güllegrube gelangt oder es in einem Osmofilm-Sack aufgefangen wird, der die Wirkstoffe zurückhält. Der Sack muss nach der Verdunstung des Wassers in die Verbrennungsanlage.
Vorteile der Gentechnik
Eine weitere Strategie, um immer mehr auf synthetische Spritzmittel zu verzichten, ist die Zucht robuster oder sogar resistenter Sorten. Mit herkömmlichen Methoden ist das sehr aufwendig und dauert 25 bis 26 Jahre, erklärt Giovanni Broggini von der molekularen Pflanzenzüchtung der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) in Zürich. Ziel der Biotechnologie sei es, eine Eigenschaft schnell und treffsicher in den Apfel zu bringen. Prozessoren mit sehr großer Rechenleistung prüfen, ob die richtigen Gene oder Gensequenzen vorhanden sind. So ließ sich zum Beispiel die Apfelsorte Gala resistent gegen Schorf und Feuerbrand machen, indem Gene vom Wildapfel übertragen wurden. Seit etwa fünf Jahren besteht die Möglichkeit, direkte und gezielte Eingriffe im Genom durch CRISPR/Cas vorzunehmen. Oft lasse sich am Genom nicht feststellen, ob die Veränderung durch eine natürliche oder durch eine gezielte Mutation verursacht wurde. Auch wenn die Gentechnik zurzeit nicht direkt für den Obstanbau eingesetzt werden dürfe, liefere sie wichtige Erkenntnisse für die Züchtung und das Resistenzmanagement.