Am Mittwochvormittag, kurz vor Redaktionsschluss dieser BBZ, stand fest, dass sich die Verhandlungspartner von Union und SPD auf einen Koalitionsvertrag geeinigt haben. Die Landwirtschaft gehörte nicht bis zum Schluss zu den Streitthemen. Die Einigung auf die Inhalte fand schon vorher statt.
CDU, CSU und SPD halten an ihrem Ziel fest, die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes” (GAK) weiterzuentwickeln. Die GAK soll „bei finanzieller Stärkung” um den Bereich ländliche Entwicklung ergänzt werden. Im Gespräch ist ein Volumen von 250 Millionen Euro im Jahr.
Staatliches Tierwohllabel
Für ein staatliches Tierwohllabel auf freiwilliger Basis
will man bis Mitte der Legislaturperiode die rechtlichen und
organisatorischen Voraussetzungen schaffen. Verstärkt werden soll die
Investitionsförderung für mehr Tierwohl in der Nutztierhaltung.
Angekündigt wird ein Verzicht auf nicht-kurative Eingriffe wie das
Kupieren von Schweineschwänzen oder das nicht schmerzfreie Enthornen von
Rindern. Das Schreddern von Küken soll beendet werden. Stalleinbrüche
sollen künftig als Straftatbestand effektiv geahndet werden.
Die Länder soll der Bund bei der Novellierung bodenrechtlicher Vorgaben
unterstützen. Ziel sei eine ausgewogene Agrarstruktur und „die Abwehr
von außerlandwirtschaftlichen Investoren”. Eine Ackerbaustrategie will man ebenfalls bis Mitte der
Legislaturperiode vorlegen. Insbesondere über die Erforschung von
alternativen Verfahren soll der Einsatz von chemisch-synthetischen
Pflanzenschutzmitteln wirksam reduziert werden.
Glyphosat-Ausstieg
Der
Einsatz von Glyphosat soll national zunächst beschränkt und dann „so
schnell wie möglich grundsätzlich beendet” werden.
Das 20-Prozent-Ziel für den Ökolandbau wollen CDU, CSU und SPD bis 2030 erreichen.
Union und SPD unternehmen einen neuen Anlauf für eine
Bundeskompensationsverordnung. Darauf hat sich die Arbeitsgruppe
„Umwelt, Klima, Energie” in den Koalitionsverhandlungen verständigt. Genehmigungsbehörden sollen demnach Spielraum erhalten, die
Flächeninanspruchnahme bei der Errichtung von
Erneuerbare-Energien-Anlagen und beim Netzausbau möglichst gering zu
halten.
Insektensterben bekämpfen
Eine maßgebliche Rolle soll dem Schutz der biologischen
Vielfalt als „Querschnittaufgabe” in der Umweltpolitik der großen
Koalition eingeräumt werden. Das Programm Nationales Naturerbe soll mit
einer vierten Tranche über insgesamt 30000 Hektar fortgeführt werden.
Davon sollen 20000 Hektar aus dem Bestand der Bodenverwertungs- und
-verwaltungsgesellschaft kommen.
Zur Bekämpfung des Insektensterbens will man ein „Aktionsprogramm
Insektenschutz” auflegen. Zudem soll ein wissenschaftliches
Monitoringzentrum zur Biodiversität aufgebaut werden. Auf europäischer
Ebene wollen sich CDU, CSU und SPD gemeinsam für einen eigenständigen
EU-Naturschutzfonds einsetzen.
Den Wolf „vernünftig managen”
Die „voranschreitende Ausbreitung” des Wolfes in
Deutschland wollen die Koalitionspartner „vernünftig managen”. Oberste
Priorität habe dabei die Sicherheit des Menschen. Zudem will man
sicherstellen, dass die Weidewirtschaft nicht beeinträchtigt wird. Der
Schutz der Nutztiere müsse verbessert werden. Kosten für Schutzmaßnahmen
sowie Schäden müssten „schnell und zu 100 Prozent” ausgeglichen werden.
Wölfe, die Schutzmaßnahmen „mehrfach überwinden”, sollen dem Text
zufolge entnommen werden.
Betont werden die großen Potenziale von Land-, Forst- und
Fischereiwirtschaft für den Klimaschutz und die Bewahrung der
Biodiversität. Schutzmaßnahmen will man deshalb „verstärkt in
Zusammenarbeit mit diesen Sektoren” voranbringen und die vorhandenen
Instrumente dafür nutzen.
DBV zuversichtlich
Zum Abschluss der
Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD zeigt sich der Präsident
des Deutschen Bauernverbands, Joachim Rukwied, zuversichtlich: „Die
Koalitionsvereinbarung ist eine gute Arbeitsgrundlage für die neue
Bundesregierung. Wir hoffen, dass diese Koalition jetzt auch tatsächlich
zustande kommt. Denn mit Blick auf die anstehenden Entscheidungen in
Brüssel brauchen wir dringend eine stabile und handlungsfähige
Regierung.”
Klöckner als Nachfolgerin von Schmidt genannt
Das Bundeslandwirtschaftsministerium soll zukünftig von der stellvertretenden CDU-Bundesvorsitzenden Julia Klöckner geführt werden, wurde aus Berlin am frühen Mittwochnachmittag gemeldet. Wenig später hat deren Sprecher dies jedoch noch nicht bestätigt. Die Meldungen zur Personalentscheidung die CDU-Landes- und Fraktionsvorsitzende Klöckner betreffend „sind zum jetzigen Zeitpunkt reine Spekulation”, wird der Sprecher von ntv zitiert. Die Kanzlerin werde erst in den nächsten Tagen über das Personal entscheiden. Zuvor hatte es in der Bundeshauptstadt geheißen, Klöckner wechsle von Mainz nach Berlin und löse Christian Schmidt von der Schwesterpartei CSU an der Spitze des Agrarressorts ab. Zuletzt war dieses Ministerium in den Neunzigerjahren von einem CDU-Politiker geleitet worden, und zwar von Jochen Borchert. Seine Amtszeit reichte von 1993 bis 1998.
Klöckner (45) ist mit dem Bundeslandwirtschaftsministerium indes bestens vertraut, denn sie war von 2009 bis 2011 Parlamentarische Staatssekretärin des Agrarressorts, als dieses von Ilse Aigner von der CSU geführt wurde. Die CDU-Vizevorsitzende hatte für ihre Partei auch die Koalitionsverhandlungen im Bereich Landwirtschaft und Ernährung federführend geleitet. Die Rheinland-Pfälzerin stammt aus einer Winzerfamilie. Im Jahr 1994 wurde Klöckner zur Nahe-Weinkönigin und 1995 zur Deutschen Weinkönigin für die Amtszeit 1995/96 gewählt. Seit 2010 ist sie Mitglied des CDU-Bundesvorstandes und seit 2012 stellvertretende Bundesvorsitzende der Partei.