Politik | 08. Februar 2018

Weniger Pflanzenschutz, mehr Tierwohl

Von AgE
Am Mittwochvormittag, kurz vor Redaktionsschluss dieser BBZ, stand fest, dass sich die Verhandlungspartner von Union und SPD auf einen Koalitionsvertrag geeinigt haben. Die Landwirtschaft gehörte nicht bis zum Schluss zu den Streitthemen. Die Einigung auf die Inhalte fand schon vorher statt.
CDU, CSU und SPD halten an ihrem Ziel fest, die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes” (GAK) weiterzuentwickeln. Die GAK soll „bei finanzieller Stärkung” um den Bereich ländliche Entwicklung ergänzt werden.  Im Gespräch ist ein Volumen von 250 Millionen Euro im Jahr.
Staatliches Tierwohllabel
Für ein staatliches Tierwohllabel auf freiwilliger Basis will man bis Mitte der Legislaturperiode die rechtlichen und organisatorischen Voraussetzungen schaffen. Verstärkt werden soll die Investitionsförderung für mehr Tierwohl in der Nutztierhaltung. Angekündigt wird ein Verzicht auf nicht-kurative Eingriffe wie das Kupieren von Schweineschwänzen oder das nicht schmerzfreie Enthornen von Rindern. Das Schreddern von Küken soll beendet werden. Stalleinbrüche sollen künftig als Straftatbestand effektiv geahndet werden. Die Länder soll der Bund bei der Novellierung bodenrechtlicher Vorgaben unterstützen. Ziel sei eine ausgewogene Agrarstruktur und „die Abwehr von außerlandwirtschaftlichen Investoren”.  Eine Ackerbaustrategie will man ebenfalls bis Mitte der Legislaturperiode vorlegen. Insbesondere über die Erforschung von alternativen Verfahren soll der Einsatz von chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln wirksam reduziert werden.
Glyphosat-Ausstieg
Der Einsatz von Glyphosat soll national zunächst beschränkt und dann „so schnell wie möglich grundsätzlich beendet” werden. Das 20-Prozent-Ziel für den Ökolandbau wollen CDU, CSU und SPD bis 2030 erreichen.
Union und SPD unternehmen einen neuen Anlauf für eine Bundeskompensationsverordnung. Darauf hat sich die Arbeitsgruppe „Umwelt, Klima, Energie” in den Koalitionsverhandlungen verständigt.  Genehmigungsbehörden sollen demnach Spielraum erhalten, die Flächeninanspruchnahme bei der Errichtung von Erneuerbare-Energien-Anlagen und beim Netzausbau möglichst gering zu halten.
Insektensterben bekämpfen
Eine maßgebliche Rolle soll dem Schutz der biologischen Vielfalt als „Querschnittaufgabe” in der Umweltpolitik der großen Koalition eingeräumt werden. Das Programm Nationales Naturerbe soll mit einer vierten Tranche über insgesamt 30000 Hektar fortgeführt werden. Davon sollen 20000 Hektar aus dem Bestand der Bodenverwertungs- und -verwaltungsgesellschaft kommen. Zur Bekämpfung des Insektensterbens will man ein „Aktionsprogramm Insektenschutz” auflegen. Zudem soll ein wissenschaftliches Monitoringzentrum zur Biodiversität aufgebaut werden. Auf europäischer Ebene wollen sich CDU, CSU und SPD gemeinsam für einen eigenständigen EU-Naturschutzfonds einsetzen.
Den Wolf „vernünftig managen”
Die „voranschreitende Ausbreitung” des Wolfes in Deutschland wollen die  Koalitionspartner „vernünftig managen”. Oberste Priorität habe dabei die Sicherheit des Menschen. Zudem will man sicherstellen, dass die Weidewirtschaft nicht beeinträchtigt wird. Der Schutz der Nutztiere müsse verbessert werden. Kosten für Schutzmaßnahmen sowie Schäden müssten „schnell und zu 100 Prozent” ausgeglichen werden. Wölfe, die Schutzmaßnahmen „mehrfach überwinden”, sollen dem Text zufolge entnommen werden.
Betont werden die großen Potenziale von Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft für den Klimaschutz und die Bewahrung der Biodiversität. Schutzmaßnahmen will man deshalb „verstärkt in Zusammenarbeit mit diesen Sektoren” voranbringen und die vorhandenen Instrumente dafür nutzen.
DBV zuversichtlich
Zum Abschluss der Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD zeigt sich der Präsident des Deutschen Bauernverbands, Joachim Rukwied, zuversichtlich: „Die Koalitionsvereinbarung ist eine gute Arbeitsgrundlage für die neue Bundesregierung. Wir hoffen, dass diese Koalition jetzt auch tatsächlich zustande kommt. Denn mit Blick auf  die anstehenden Entscheidungen in Brüssel brauchen wir dringend eine stabile und handlungsfähige Regierung.”
Klöckner als Nachfolgerin von Schmidt genannt
Das Bundeslandwirtschaftsministerium soll zukünftig von der stellvertretenden CDU-Bundesvorsitzenden Julia Klöckner geführt werden, wurde aus Berlin am frühen Mittwochnachmittag  gemeldet. Wenig später hat deren Sprecher dies jedoch  noch nicht bestätigt. Die Meldungen zur Personalentscheidung die CDU-Landes- und Fraktionsvorsitzende Klöckner betreffend „sind zum jetzigen Zeitpunkt reine Spekulation”, wird der Sprecher von ntv zitiert. Die Kanzlerin werde erst in den nächsten Tagen über das Personal entscheiden. Zuvor hatte es in der Bundeshauptstadt geheißen, Klöckner wechsle von Mainz nach Berlin und löse Christian Schmidt von der Schwesterpartei CSU an der Spitze des Agrarressorts ab. Zuletzt war dieses Ministerium in den Neunzigerjahren von einem CDU-Politiker geleitet worden, und zwar von Jochen Borchert. Seine Amtszeit reichte von 1993 bis 1998.
Klöckner (45) ist mit dem Bundeslandwirtschaftsministerium indes bestens vertraut, denn sie war von 2009 bis 2011 Parlamentarische Staatssekretärin des Agrarressorts, als dieses von Ilse Aigner von der CSU geführt wurde. Die CDU-Vizevorsitzende hatte für ihre Partei auch die Koalitionsverhandlungen im Bereich Landwirtschaft und Ernährung federführend geleitet. Die Rheinland-Pfälzerin stammt aus einer Winzerfamilie. Im Jahr 1994 wurde Klöckner zur Nahe-Weinkönigin und 1995 zur Deutschen Weinkönigin für die Amtszeit 1995/96 gewählt. Seit 2010 ist sie Mitglied des CDU-Bundesvorstandes und seit 2012 stellvertretende Bundesvorsitzende der Partei.