Waldwirtschaft | 19. Juli 2018

Weißtanne ist auch in Frankreich ein Thema

Von Ewald Elsäßer
Wie es gehen kann, wenn die Weißtanne nicht mehr so nachgefragt wird, wie es sich Waldbesitzer vorstellen, wurde bei einer Exkursion von 60 französischen Privatwaldbesitzern aus dem Massif central (Region Auvergne – Clermont-Ferrand/Thiers) im Juni in der Ortenau deutlich.
Die französischen Waldbesitzer waren vor allem von der Nadelholz-Vielfalt der Bestände mit Tanne, Fichte und Douglasie begeistert.
Die notwendige Verbesserung der Marktchancen für die Weißtanne war der Hauptgrund für den Besuch der französischen Waldbesitzer. Sie wunderten sich über den hohen Anteil von Tanne, aber auch Laubholz, auf den Wiederbewaldungsflächen in Deutschland nach dem Sturm Lothar und klagten ganz offen, dass es bei ihnen sehr oft vorkomme, dass Tannen-Buchen-Mischbestände „abrasiert” und „douglasiert ” werden.
Vor allem zwei Gründe seien dafür maßgeblich:
  • Erstens die sich seit Jahren verschlechternden Holzmarktbedingungen für die Weißtanne und
  • zweitens die massive Werbung für Douglasien.
Douglasie lässt mehr Erlös erwarten
Die Ertragssituation in dem Realteilungsgebiet des Massif central mit viel Privatwald wird für die Besitzer zunehmend uninteressant. Die Landflucht der jüngeren Generation verstärkt die Situation. Dies macht es Douglasien-Lobbyisten leicht: Sie rechnen dem Waldbesitzer vor, was man mit einem reinen Douglasienbestand mit einer Umtriebszeit von 60 Jahren im Vergleich zu den natürlich vorkommenden Tannen-Buchen-Beständen verdienen kann. Außerdem kaufen private Investoren in großem Stil „verwaiste” tannenreiche Privatwaldparzellen auf, machen einen Kahlschlag und pflanzen 100 Prozent Douglasie nach oder wandeln den ehemaligen Wald in landwirtschaftliche Flächen um.
Weder naturgemäß noch nachhaltig
Da lacht das Herz: bestes Tannenholz, vorbereitet für ein Blockhaus. Es freuen sich Forumssprecher Ewald Elsäßer (links) und Guy Guedon, der Präsident des Privatwaldverbundes Auvergne-Thiers.
Die französischen Waldbesitzer waren sich mit dem Autor einig, dass diese forstliche Entwicklung weder naturgemäß noch nachhaltig ist. Ein Privatwald müsse aus wirtschaftlichen Gründen zwar immer nadelholzreich sein, aber großflächige Douglasien-Monokulturen seien trotzdem abzulehnen.
Für den Privatwald im Massif central könne man sich eine ideale, nachhaltige Baumartenzusammensetzung von 50 Prozent Douglasie, 30 Prozent Tanne und 20 Prozent Buche vorstellen. Die Fichte kommt dort bisher nur in Erstaufforstungen vor, sie soll komplett durch die Douglasie ersetzt werden.
Der Autor hält für den privatwaldreichen Schwarzwald ein Baumartenverhältnis von insgesamt 30 Prozent Tanne, je 25 Prozent Douglasie und Fichte und 20 Prozent Laubholz, vor allem Buche, für nachhaltig und wirtschaftlich zweckmäßig.
 Frankreich ist mit rund 600000 Hektar und sieben Prozent der Waldfläche insgesamt das tannenreichste Land Mitteleuropas. Vor allem die Vogesen, der französische Jura und das Zentralmassiv sind tannenreich. Jenseits des Rheins stehen mehr Tannen als in Deutschland (230000 Hektar), der Schweiz (125000 Hektar) und Österreich (100000 Hektar) zusammen.
Etwas verzögert zeigen sich nun auch in Frankreich ähnliche Vermarktungsdiskussionen zur Weißtanne wie in Deutschland. Im Grundsatz ähnelt die Holzverwendung den hiesigen Verhältnissen. Dies erfordert in zunehmendem Maße eine getrennte und spezifische Bearbeitung von Fichte und Tanne. Die unterschiedlichen Ansprüche bei der Trocknung sind dabei der Knackpunkt. An den globalisierten Holzmärkten orientiert sich derzeit noch alles an der gesamteuropäischen Hauptbaumart Fichte. Da hat es die Weißtanne mit bundesweit gerade mal zwei Prozent Anteil sehr schwer.
Schöne Waldbilder alleine bringen noch keinen Ertrag. Nur wenn man für die Tanne einen angemessenen Preis erzielt, ist der auf den Ertrag angewiesene Privatwaldbesitzer auch bereit, diese Baumart wieder langfristig und nachhaltig anzubauen. Wie in Deutschland ist es jetzt auch in Frankreich dem tannenreichen Privatwald zu verdanken, dass der Wirtschaftlichkeit von Tannen-Mischbeständen wieder besondere Aufmerksamkeit zukommt.
Die erfolgreiche Arbeit des Forums Weißtanne wurde in den vergangenen Jahren auch in Frankreich beobachtet und dortige Waldbauern und Säger zeigen zunehmendes Interesse an der Entwicklung in den deutschen Tannen-Regionen.
Gedankenaustausch
Die französischen Besucher im Juni waren bereits die dritte Gruppe, die sich vom Forum Weißtanne über die baden-württembergischen Verhältnisse informieren ließ. Es wurden bei der zweitägigen Lehrfahrt auch waldbauliche Themen diskutiert wie die Folgen von Sturm Lothar. Über die Vermarktung wurde vor allem bei einem Besuch der Waldservice Ortenau in Ohlsbach informiert. Weitere wichtige Exkursionspunkte waren das Starkholzsägewerk Echtle in Nordrach und das größte Tannenbauprojekt Europas, die Geroldsauer Mühle in Baden-Baden.
Vor Jahrzehnten gingen viele Exkursionen deutscher Interessenten zu den elsässischen Nachbarn, um die dortigen naturnahen, laubholzreichen und extensiv bewirtschafteten Tannenbestände zu bewundern. Heute geht es in die andere Richtung. Durch den Kostendruck auf den globalisierten  Holzmärkten  war man sich beim deutsch-französischen Gedankenaustausch einig: Der Weißtanne wieder zu ihrer früheren regionalen Marktposition zu verhelfen, ist eine große Herausforderung diesseits und jenseits des Rheins.