Waldwirtschaft | 01. August 2019

Wassermangel und Hitze stressen auch Buchen

Von Dr. Reinhold John, FVA
Bei Rotbuchen sind auf unterschiedlichsten Standorten seit dem Blattaustrieb 2019 ungewöhnlich hohe Absterbeerscheinungen zu konstatieren – auch flächenhaft.
Absterbende Buchen auf dem Schönberg bei Freiburg
Es sind offensichtlich vor allem Bäume auf schlecht wasserversorgten Standorten betroffen. Die Ausfälle häufen sich auch an Waldrändern und Auflichtungen. Ursache sind meist Niederschlagsdefizite, lang anhaltende Hitze und hohe Sonneneinstrahlung in Verbindung mit einer starken Fruchtbildung. 2018 haben diese Faktoren an vielen Standorten die Vitalität der Buchen herabgesetzt.
Beobachtungen im Odenwald, Bodenseekreis, Oberrheingraben, südlichen Schwarzwald und Schwäbisch-Fränkischen Wald bestätigen, dass an meist älteren Buchen vielerorts die Kronen absterben oder die Äste nicht ausreichend belaubt sind. Oftmals finden sich nur noch im unteren Bereich des Baumes Äste mit grünen Blättern, während sie weiter oben bereits abgestorben sind. Dort zeigen sich an Süd- und Südwestseiten der Stämme Sonnenbrandphänomene, abplatzende Rinde, Schleimflussflecken, Astabbrüche und Rindennekrosen, in vielen Fällen sind mit dem Fernglas auch Brutbilder von Käfern zu sehen.
2019 wurden bisher schon deutlich mehr 50000 Fm Buchenholz aufgrund von Dürre und Insektenbefall eingeschlagen. Das ist mehr als im gesamten Jahr 2004, das dem Trockenjahr 2003 folgte. Und da die meisten geschädigten Buchen noch gar nicht gefällt worden sind, sondern immer noch im Wald stehen, muss von einem weit höheren als dem bisher dokumentierten Schadholzanfall ausgegangen werden. Auch in den kommenden Jahren sind analog zur Entwicklung nach dem Trockenjahr 2003 noch weitere Ausfälle zu befürchten.
Etwa 50 Prozent der Stämme absterbender oder abgestorbener Buch zeigen derzeit keinerlei Auffälligkeiten, die auf die Beteiligung biotischer Schaderreger hinweisen. Bei der anderen Hälfte gibt es deutlichen Schleimfluss und Pilzbefall. Derzeit aber überwiegen Schäden durch den Kleinen Buchenborkenkäfer (Taphrorychus bicolor Hrbst.) und den Buchenprachtkäfer (Agrilus viridis L.). Auch der Buchenspringrüssler (Rhynchaenus fagi) wird immer wieder an Buchen gefunden und kann sie durch seine Schäden an Blättern schwächen. Es gibt aber nach eigenen Beobachtungen und Meldungen durchaus viele Buchen, die ohne Beteiligung dieser Schadinsekten absterben; hier ist wohl „nur” die Trockenheit in Verbindung mit einer starken Fruktifikation die Ursache.
Krankheitsursachen
Rindenschäden durch Prachtkäfer und Sonnenbrand
Das Jahr 2019 muss in Verbindung mit seinen Vorjahren betrachtet werden: 2014 hatte eine Massenvermehrung des Buchenspringrüsslers verbreitet zu gravierenden Blattschäden geführt. 2015 gab es einen trockenen Sommer, im Jahr 2016 war das Frühjahr trocken und die Buche wies Vollmast auf, 2017 schädigte Spätfrost lokal deutlich die Buchen. Es folgte 2018 ein langer trockener und heißer Sommer; und wieder zeigte die Buche Vollmast.
Eine starke Fruchtbildung, die in jüngster Vergangenheit alle zwei bis vier Jahre auftritt, führt zu einem Verlust an Vitalität. Selbst noch im vergangenen Winter 2018/2019 stachen auffällig viele Buchen mit starkem Laub- und Fruchtbehang ins Auge. Eine starke Fruchtbildung bedeutet für die Bäume eine hohe physiologische Belastung. Oftmals ist eine Verringerung der Blattmasse, der Seitenverzweigung und des Zuwachses die Folge.
Bereits zum Zeitpunkt der Waldzustandserhebung im Sommer 2018 hatte sich der Kronenzustand der Buchen verschlechtert, aber damals war noch kein außerordentliches Absterben offenkundig geworden. Vereinzelt wurden selbst grüne Blätter abgeworfen – zurückzuführen war dies auf die extreme Trockenheit. Durch den Verlust dieses sogenannten Hitzelaubes gehen dem Baum immer wichtige Nährstoffe verloren, die vor einem normalen Blattfall im Herbst in der Pflanze gespeichert werden würden.
Das außergewöhnlich trockene und heiße Wetter im Jahr 2018 hat in Verbindung mit einer starken Fruchtbildung vor allem in locker bis lückig stehenden Buchenbeständen zu erheblichen Trockenschäden geführt.
Dies hat in den Kronen in der Pflanze lebende Rindenpilze aktiviert, nachfolgend entstand Holzfäule durch Organismen, die tote pflanzliche Substanzen zersetzen. Das Vorkommen von Kleinem Buchenborkenkäfer und Buchenprachtkäfer ist aktuell noch als sekundäre Erscheinung zu werten. Allerdings dürfen diese beiden Arten nicht unterschätzt werden: Lange trocken-warme Perioden beschleunigen die Entwicklungszeiten der Käfer und führen zu einer größeren Population. Trockenheitsgeschädigte Buchen sind der ideale Lebensraum für diese Rindenbrüter.
Das Schadphänomen lässt sich grob in folgende Kategorien unterteilen:
  • Schaden ohne Käfer
  • Schaden mit Käfern
    1. Akutes Auftreten
    2. Chronisches Auftreten
Schäden ohne Käfer
Bei Schäden ohne Käferbefall  hat eine allgemeine Kronenverschlechterung eingesetzt. Es gibt keine Vollkrone mehr, aus den Terminalknospen entwickeln sich Langtriebe, aus den Seitenknospen dagegen fast nur noch Kurztriebe. Der Raum zwischen den Wipfeltrieben wird nicht mehr ausgefüllt, sie ragen wie Spieße aus der Krone. Feinreisig stirbt ab und fällt zu Boden. Schließlich sind fast nur noch Grobäste in der Krone, immer mehr Triebe sterben ab und brechen heraus. Am Stamm entstehen Rindennekrosen und Schleimflussflecken. Sonnenbrand und abplatzende Rinde sind an Starkästen und am Stamm zu finden. Immer mehr Starkäste brechen durch Trockenheit und/oder Fäulnis ab. Zeitgleich können untere Äste noch grün belaubt sein.
Schäden mit Käfern
Bei Schäden mit akutem Käferbefall zerstören sowohl der Kleine Buchenborkenkäfer als auch der Larvenfraß des Buchenprachtkäfers die Kambialzone und den Rindenbast. Dadurch wird die Saftleitung der befallenen Bäume beeinträchtigt. Je nach Abwehrkraft und Intensität des Befalls führt diese physiologische Schädigung in vielen Fällen zum unmittelbaren Absterben der Buchen. Dem folgen vor allem während der Vegetationsperiode meist rasche Holzentwertungen durch holzbrütende Insekten, Verfärbungen und Weißfäulepilze, die sich über den gesamten Baum erstrecken.
Auch bei Schäden mit chronischem Käferbefall werden die Buchen oft nicht sofort tödlich geschädigt. Aber wenn Rindenbrüter sich festsetzen, sterben am gesamten Baum zunächst immer mehr Teilbereiche des Bastes ab, bis später die ganze Buche eingeht. Dieser Vorgang kann sich über mehrere Jahre erstrecken. Aber bereits vor dem völligen Absterben wird das Holz durch Rindenbrüter entwertet. Bei den Holzbrütern sind vor allem der Buchennutzholzborkenkäfer (Trypodendron domesticum L.) und der Sägehörnige Werftfkäfer oder Bohrkäfer (Hylecoetus dermestoides L.) zu nennen. Des Weiteren wird das Holz unter anderem auch von Bockkäferarten befallen.
Empfehlungen abhängig von Schadstufen
Die Schäden an Buchen treffen die Waldeigentümer in einer Situation, in der sie bereits alle verfügbaren Kräfte auf die Aufarbeitung von Nadelbaum-Schadholz, verursacht durch den Borkenkäfer, konzentrieren. In der rasanten Entwicklung der Borkenkäferpopulation liegt auch nach wie vor das höchste Risiko für den Nadelwald. Im Vergleich dazu ist in Laubbaumbeständen ein weitaus geringeres Infektionsrisiko gegeben. In Abwägung aller Aspekte, einschließlich des Nachbarschutzes, sind daher weiterhin alle verfügbaren Kräfte auf die Eindämmung und Bewältigung der Borkenkäferschäden in den Nadelholzbeständen auszurichten. Auf einen Sommereinschlag in der Buche sollte verzichtet werden, außer wenn die Verkehrssicherheit dies dringend erforderlich macht. Bei der Beurteilung und Klassifizierung der Buchenschäden helfen zwei Entscheidungsschemata. Folgende Schadstufen eins bis vier sind zu unterscheiden:
  • Schadstufe 1: Keine dringende Entnahme notwendig. Baum kann sich revitalisieren, daher beobachten, markieren und vormerken.
  • Schadstufe 2: Entnahme im Herbst/Winter 2019/2020 voraussichtlich notwendig. Jedoch erneute Beurteilung im Herbst/ Winter erforderlich. Stammholz bis dahin in der Regel ohne Faulstellen.
  • Schadstufe 3: Entnahme im Herbst/Winter 2019/2020 sehr wahrscheinlich notwendig. Eine Erholung/Vitalisierung der Individuen im Jahr 2020 ist nicht zu erwarten. Das Stammholz weist mit hoher Wahrscheinlichkeit  Faulstellen auf.
  • Schadstufe 4: Entnahme in der Saison 2019/2020 nur, wenn Wanderwege, Schutzhütten und andere Einrichtungen im Gefahrenbereich vorhanden sind und/oder in den nächsten fünf Jahren eine Pflege oder Holzernte auf der Fläche stattfinden soll und/oder aus Arbeitsschutzgründen eine Fällung notwendig ist.
Wie die Buchenschäden einzuschätzen sind
In und nach Jahren mit extremer Trockenheit, Hitze, hoher Sonneneinstrahlung und starker Fruktifikation sind Buchen oft derart geschwächt, dass sie von Rindenbrütern stehend befallen werden können. Dieser Befall verhindert, dass sich die Bäume wieder erholen. In der Folge kann es zu Massenvermehrungen kommen, wodurch grundsätzlich auch gesündere Buchen gefährdet sind.
Zuwachseinbußen früherer Jahre können von Buchen kompensiert werden. Das Jahr 2018 hat einen außergewöhnlichen Einfluss auf Buchen, dessen Ausmaß heute noch nicht abschließend beurteilt werden kann.
Buchen ab einem Alter von 100 Jahren sind nach erster Einschätzung stärker betroffen.
Infolge der offenen Rindenpartien kommen bekannte Holzzersetzer wie beispielsweise der Angebrannte Rauchporling (Bjerkandera adusta) vor allem durch Ausbildung von Weißfäulen hinzu. Vornehmlich über die durch Vertrocknen von oben zurücksterbenden Kronenpartien dehnen sich die Holzfäulen aktuell bis auf Starkastbereiche aus und können im weiteren Verlauf auch auf Stammpartien übergreifen.
Ohne Käferbefall und Schleimfluss sind die Stammholzpartien größtenteils noch gesund. Wenn sich der Kronenzustand verschlechtert, ist aber mit einer Zunahme von Einlauf und Holzfäulen zu rechnen.
Für die Holznutzung gilt Folgendes: Das Ergebnis einiger Probefällungen zeigt, dass Buchen, die offenbar erst 2018 deutlich geschädigt worden sind, wenig bis keine Holzverfärbung und -entwertung aufweisen. In den bereits 2015 bis 2017 vorgeschädigten Buchen dagegen wird eine deutliche Holzverfärbung registriert.
Derzeit sind die Schäden von 2018 großteils noch nicht aufgearbeitet, sodass davon auszugehen ist, dass noch eine sehr große Menge Buchen-Schadholz in den Wäldern steht.
Eine weitere Zunahme der Schadfälle im Jahresverlauf 2019 ist dann zu erwarten, wenn die Witterung der Sommermonate weiterhin deutlich zu warm und trocken ausfällt.
Wenn sich die Situation ähnlich wie nach dem Trockenjahr 2003 entwickeln sollte, dann könnten sich Borken- und Prachtkäfer dynamisch zu einem Waldschutzproblem der nächsten drei bis fünf Jahre entwickeln, da diese Schädlinge die vorgeschädigten Buchen zum Absterben bringen.