Tierhaltung | 14. Januar 2021

Was sich bei BVD und Blauzunge ändert

Von Dr. Albrecht Schwarzmaier und Dr. Hans-Jürgen Seeger
Ab dem 21. April 2021 gilt das neue EU-Tiergesundheitsrecht, mit dem die bisherigen Rechtsvorschriften zusammengefasst und an neue Erkenntnisse angepasst werden. Damit ändern sich insbesondere bei der Bekämpfung der BVD und der Blauzungenkrankheit (BTV) einige Regeln.
Tiere ohne Befund und älter als 30 Tage – sogenannte O9-Tiere – können mit den grünen Ohrmarken nachträglich auf BVD untersucht werden.
Die Pflichtbekämpfung der Bovinen Virusdiarrhoe (BVD) seit 2011 in Deutschland hat die Zahl der Fälle in Baden-Württemberg von über 2000 Tieren in 725 Betrieben im ersten Jahr auf wenige Einzelfälle in den letzten Jahren reduziert. Die besondere Eigenschaft des BVD-Virus ist die Infektion des ungeborenen Kalbes in der Gebärmutter frühtragender Kühe. Die mit einer Infektion geborenen Kälber scheiden das Virus massiv aus und infizieren weitere Tiere, wenn sie nicht umgehend aus dem Bestand entfernt werden. Die gültige nationale BVD-Verordnung gibt daher vor, dass diese Dauerausscheider umgehend geschlachtet oder euthanasiert werden müssen. Die Erfahrung hat gezeigt, dass jeder Tag zählt und Verzögerungen zu weiteren Fällen führen.
Nach dem neuen EU-Tiergesundheitsrecht sind BVD und Blauzungenkrankheit Tierseuchen der Kategorie C, die für einige Mitgliedstaaten von Bedeutung sind und für die Maßnahmen getroffen werden, damit sie sich nicht in anderen Teilen der Union ausbreiten, die amtlich seuchenfrei sind oder in denen es Tilgungsprogramme gibt, wie beispielsweise in Deutschland.
Sofern in einem Bundesland oder einer Zone BVD in den vergangenen 18 Monaten nicht aufgetreten ist, kann das Bundesland für das gesamte Land oder die Zone bei der EU-Kommission den Status „seuchenfrei” beantragen. In nicht seuchenfreien Zonen, die eine Mindestgröße von ungefähr einem Landkreis in Deutschland haben, kann dagegen ein Tilgungsprogramm bei der EU-Kommission eingereicht  werden.
Baden-Württemberg hat jetzt für das ganze Land, mit Ausnahme des Landkreises Ravensburg, die Anerkennung als „BVD-frei” bei der Kommission beantragt. Da im Kreis Ravensburg im Jahr 2020 noch ein Seuchenausbruch mit mehreren positiven Tieren festgestellt wurde, wurde für diesen Kreis ein Antrag auf Anerkennung eines Tilgungsprogrammes gestellt. 18 Monate nach dem letzten BVD-Ausbruch kann für dieses Gebiet ebenfalls ein Antrag auf BVD-Freiheit gestellt werden, sofern bis dahin kein neuer Fall festgestellt wird.
Impfverbot
BVD-Ausbrüche in Baden-Württemberg seit Beginn der Bekämpfung bis heute, Anzahl der Betriebe.
Änderungen ergeben sich durch das neue EU-Recht bei der Frist für die Ohrstanzprobe, die nach spätestens 20 Tagen statt bisher 30 Tagen durchgeführt werden muss. Weitere Änderungen stellen das künftige Impfverbot und das Einstallverbot für geimpfte Rinder in BVD-freie Betriebe dar. Über den Begriff „Impfverbot” mag man auf den ersten Blick stolpern. Dies ist jedoch ein übliches Verfahren in der Tiergesundheitsüberwachung. Ohne Impfung soll kontrolliert werden, ob der Erreger sich nicht unerkannt in Reservoirs hält. Zudem besteht so die Möglichkeit einer Überwachung durch Blut- oder Tankmilchproben. Bei diesen Verfahren kann nicht zwischen Impf-Antikörpern und Antikörpern infolge einer natürlichen Infektion unterschieden werden, weshalb die Rinderbestände weitgehend frei von Impf-Antikörpern sein müssen.
Das Impfverbot hat in der Praxis in Baden-Württemberg keine großen Auswirkungen, da mit zunehmendem Erfolg der BVD-Bekämpfung immer weniger geimpft wurde. Insgesamt ergeben die neuen Regelungen einen besseren Außenschutz. Es können dann nicht mehr Rinder ohne Untersuchung aus infizierten Beständen aus dem Ausland eingestallt werden. Für den Fall, dass es doch zu einem Viruseintrag kommt und eine Bestandsimpfung zur Verhinderung der Ausbreitung im Bestand und der Verschleppung in andere Betriebe notwendig wird, werden bezüglich der Impfung noch Ausnahmeregelungen getroffen.
Was bedeutet BVD-frei
Zentrales Element des Antrags auf BVD-Freiheit ist nach der Freiheitsstatusanerkennung durch die EU-Kommission, dass mindestens 99,8 % der Betriebe im betreffenden Gebiet BVD-frei sind beziehungsweise 99,9 % der Rinder. Diese sind dann BVD-frei, wenn in den letzten 18 Monaten kein positiver Fall aufgetreten ist. Entweder müssen alle Tiere auf das BVD-Virus untersucht sein (davon die in den letzten 12 Monaten geborenen Kälber spätestens nach 20 Tagen), oder es wird nach einem vorgeschriebenen Schema auf Antikörper untersucht.
Um die genannten 99,8 % an BVD-freien Betrieben zu erfüllen, müssen alle Tiere, bei denen die Untersuchung auf das BVD-Virus bisher noch nicht durchgeführt wurde, versäumt wurde oder nicht gültig war, bis zum April 2021 untersucht werden. Aktuell gibt es davon in Baden-Württemberg rund 2000 Rinder. Häufig sind dies Fälle, bei denen die ursprüngliche Ohrstanze ein fragliches Ergebnis geliefert hatte oder leer war. Ohne Nachuntersuchung bleibt das Tier ohne Status. Für einen erfolgreichen Antrag auf BVD-Freiheit müssen diese Tiere bis zum Inkrafttreten des neuen Rechts nachuntersucht werden. Die Veterinärämter werden auf die entsprechenden Betriebe zukommen.
Es kann aber leicht selbst kontrolliert werden, ob „Lücken” im Bestand bestehen. Dazu einfach das Bestandsregister mit Gesundheitsdaten im Herkunfts- und Informationssystem für Tiere (HIT) abrufen. Die Kurzbezeichnungen des BVD-Status beginnen mit „N” für einen negativen Befund. „O” steht für ohne Befund und „O9” steht speziell für ohne Befund und älter als 30 Tage. „P” sollte nicht auftreten, diese Tiere wären positiv. Eine Nachuntersuchung solcher O9-Tiere kann mit den grünen Ohrmarken erfolgen, die die Betriebe vom Landeskontrollverband (LKV) erhalten haben.
Blauzungenvirus
Derzeit liegt noch ganz Baden-Württemberg in einer Restriktionszone aufgrund der BTV-Ausbrüche in 2019 und 2020. Ausgangspunkt des Seuchengeschehens war der erste Ausbruch im Kreis Rastatt im Dezember 2018. In Baden-Württemberg sind zwar seit dem letzten Ausbruch am 29. Mai 2019 bereits 17 Monate vergangen, in Rheinland-Pfalz und im Saarland kam es aber Ende 2019 und im Oktober 2020 zu Ausbrüchen, sodass die hieraus resultierende Restriktionszone mit einem Radius von 150 Kilometern ungefähr die westliche Hälfte Baden-Württembergs mit Ausnahme der südlichsten Kreise umfasst. Bei der Bekämpfung des Blauzungenvirus wird daher ein Antrag auf Anerkennung des Status „frei von einer Infektion mit BTV” beziehungsweise auf Durchführung eines Tilgungsprogramms erst im Jahr 2021 möglich sein. Das Tilgungsprogramm wird sich dann auf das in der Restriktionszone verbleibende Gebiet beziehen.
Vorgaben für den Kälberverkehr
Unter welchen Voraussetzungen dann Kälber in BTV-freie Gebiete innerhalb Deutschlands verbracht werden können, steht noch nicht endgültig fest. Neben den Kälbern mit maternalem Impfschutz wird es zukünftig eventuell auch möglich sein, ungeimpfte Kälber mit negativem Bluttest und Repellentbehandlung innerhalb Deutschlands zu verbringen.
Sollen Kälber nach Spanien oder in die Niederlande verbracht werden, gilt Folgendes:
Kälber, die jünger als 70 Tage sind, können nach Spanien verbracht werden, sofern der Herkunftsbestand vollständig gegen BTV 8 geimpft ist (Bestandsimpfung) und die Grundimmunisierung der Mutter vor der Belegung abgeschlossen wurde. Das heißt, dass bei einer Erstimpfung zweimal geimpft wurde und gegebenenfalls notwendige jährliche Wiederholungsimpfungen durchgeführt wurden. Zudem muss dem Kalb Biestmilch von dieser Kuh verabreicht worden sein. Sofern die Grundimmunisierung der Mutter erst während der Trächtigkeit erfolgte, ist eine Blutuntersuchung mit negativem Virusnachweis des Kalbes innerhalb von sieben Tagen vor dem Verbringen der Kälber notwendig.
Eine Bestandsimpfung liegt vor, wenn alle zum Zeitpunkt der Impfung im Bestand vorhandenen, impffähigen Rinder nach den Angaben des Impfstoffherstellers geimpft wurden. Dies bedeutet, dass alle Rinder, die älter als drei Monate sind, eine Grundimmunisierung oder eine Wiederholungsimpfung erhalten. Masttiere sind bei der Bestandsimpfung grundsätzlich miteinzubeziehen. Ist eine Impfung von Tieren aufgrund der Nutzungsart und/oder des Alters nicht ohne Gefahr für Leib und Leben von Mensch und Tier möglich, kann von der Impfung einzelner Tiere oder Tiergruppen abgesehen werden.
Kälber, die jünger als 90 Tage alt sind, können in die Niederlande verbracht werden, sofern bei ihnen eine Repellentbehandlung zum Zeitpunkt der Blutprobenahme und die Blutuntersuchung mit negativem Virusnachweis innerhalb von sieben  Tagen vor dem Verbringen erfolgt.
Die Anforderungen an das Verbringen von Rindern und Kälbern aus Baden-Württemberg in BTV 8-freie Gebiete sind auf der Internetseite des Staatlichen Tierärztlichen Untersuchungsamtes Aulendorf – Diagnostikzentrum (STUA) unter dem Suchbegriff „Handelsbestimmungen” abrufbar.