Politik | 03. November 2016

„Was noch nicht gut ist, wollen wir besser machen”

Von AgE
Die Ausrichtung der nationalen und der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) ist am 25. Oktober beim vierten Landwirtschaftstag der LVM Versicherung in Bonn kontrovers diskutiert worden. Aus aktuellem Anlass wurden dabei auch Tierschutz-Missstände in Schweineställen aufgegriffen.
Angesichts der jüngsten Medienberichte über Missstände in Schweineställen stellte Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt klar, dass Tierschutzverstöße bestraft werden müssten. Er warnte jedoch davor, die „Tierhalter pauschal unter Verdacht” zu stellen.
Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt unterstrich dabei die Wichtigkeit der Landwirtschaft und die Notwendigkeit von Planungssicherheit für die bäuerlichen Betriebe: „Wenn es um die Zukunft der Landwirtschaft geht, dann geht es um einen gesellschaftlich akzeptierten Umgang mit unseren Nutztieren, um eine nachhaltige Nutzung der Umwelt, um die Attraktivität unserer ländlichen Räume und es geht um die bäuerliche Existenz.” Die Landwirtschaft gehöre in die Mitte der Gesellschaft.
Er betonte jedoch auch, dass sich die Agrarpolitik in Zukunft breiter aufstellen müsse, um gesellschaftlichen Ansprüchen, beispielsweise in Klima- und Umweltschutz, gerecht zu werden. Allerdings könne das Thema Klimaschutz „nicht nur aus Umweltsicht” angegangen werden, und die Landwirtschaft könne „die Kosten auch nicht alleine tragen”.
Angesichts der jüngsten Medienberichte über Missstände in Schweineställen stellte Schmidt klar, dass Tierschutzverstöße bestraft werden müssten; er warnte jedoch davor, die „Tierhalter pauschal unter Verdacht” zu stellen. Notwendig seien  ein gesellschaftlicher Dialog, wirksame Maßnahmen der Wirtschaft und praxistaugliche Lösungen aus der Forschung zur Verbesserung des Tierwohls.
Dialogbereit zeigten sich auch die Präsidenten des Rheinischen Landwirtschafts-Verbandes (RLV), Bernhard Conzen, und des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Nassau (BWV), Michael Horper, als Mitveranstalter des Landwirtschaftstages. Conzen betonte die Bereitschaft der Landwirtschaft zu Veränderungen: „Was noch nicht gut ist, wollen wir besser machen”. Allerdings bringe die meist unsachliche und negative Medienberichterstattung die Landwirtwirtschaft im Misskredit, worunter die Bauern sehr litten.
Horper betonte: „Wir wissen, dass wir noch Baustellen haben und uns ändern müssen.” Es werde jedoch viel über die Tierhalter und seltener mit ihnen geredet. In zehn Jahren sehe die Tierhaltung in Deutschland sicher anders aus, doch gehe das nur mit dem Vertrauen der Verbraucher.
Staatliches Tierwohllabel
Schmidt bekräftigte in Bonn seine Absicht, im kommenden Jahr ein staatliches Tierwohllabel für Produkte einführen zu wollen, bei deren Erzeugung höhere als die gesetzlichen Mindeststandards eingehalten werden. Volle Unterstützung erhält der Minister dabei vom Vorsitzenden des Wissenschaftlichen Beirats für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz (WBAE), Professor Harald Grethe, für den es keine „Alternative zum staatlichen Tierschutzlabel” gibt. Im Beiratsgutachten „Wege zu einer akzeptierten Nutztierhaltung” seien jährliche Kosten für ein höheres Tierschutzniveau in Deutschland von drei bis fünf Milliarden Euro geschätzt worden. Diese Summe könne durch privatwirtschaftliche Labels nicht annähernd aufgebracht werden.
Tierproduktion herunterfahren
Grethe geht davon aus, dass 15  bis 30 Prozent der Verbraucher mit solch einem Siegel erreicht werden könnten, wenn es breit beworben werde. Zudem bestehe durch Verschieben von Geldern in die Zweite Säule die Möglichkeit, mit staatlichen Tierschutzprämien Anreize für die Erzeuger zu schaffen.
Mit Blick auf den Klimaschutz wies Grethe darauf hin, dass zwei Drittel der landwirtschaftlichen Emissionen aus der Tierhaltung kämen. Deshalb müssten hier Produktion und Konsum heruntergefahren werden, was auch den Schutz von Wasser, Boden und Luft verbessere.
Wenig begeistert von den Vorschlägen Grethes zeigte sich der Inhaber der Tönnies Lebensmittel GmbH & Co. KG, Clemens Tönnies. Das bedeute „Wir sollen weichen”, kritisierte der Fleischfabrikant aus Rheda-Wiedenbrück. Er halte jedoch nichts davon, „hier die Schweineställe abzureißen, um dann Fleisch aus Ländern mit niedrigeren Standards zu importieren”. Der Unternehmer hob hervor, dass im Bereich der Tierhaltung Änderungen notwendig seien, „aber nicht so, dass wir eine Vielzahl von Produzenten verlieren”. Mit Blick auf die steigenden Anforderungen an die Tierhaltung stellte Tönnies klar: „Wenn wir dem Erzeuger viel abverlangen, dann muss er auch Geld in der Kasse haben, um entsprechend zu investieren.”
Unterschiedliche Zielsetzungen
Sehr unterschiedliche agrarpolitische Zielsetzungen prallten bei der Podiumsdiskussion des Landwirtschaftstages aufeinander. Einen erheblichen Korrekturbedarf sieht der Fraktionsvorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Anton Hofreiter, weil die „Bauern vom jetzigen System nicht profitieren” und dieses auf „Wachsen oder Weichen” ausgerichtet sei. Zudem gefährde die intensive Landwirtschaft das ökologische Gleichgewicht.  Der Grünen-Politiker sprach sich für die Erzeugung von „hochpreisigen Qualitätsprodukten” in Deutschland aus; der Produktion für den Weltmarkt erteilte er eine  Absage.
Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Gitta Connemann, warf Hofreiter mit Blick auf seine Exportkritik eine „ideologische statt sachliche” Argumentation vor. Connemann warnte zudem davor, Finanzmittel von der Ersten in die Zweite Säule umzuschichten, da diese Gelder dann auch für Programme wie die Dorferneuerung ausgegeben würden und nicht mehr als Einkommenshilfe für die Landwirte zur Verfügung stünden.
Priesmeier will mehr umschichten
Für eine weitere Umschichtung von Mitteln in die Zweite Säule sprach sich dagegen der agrarpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion,  Wilhelm Priesmeier, aus. Es sei davon auszugehen, dass die Gelder der Ersten Säule von Brüssel gekürzt würden und dann verloren gingen. Besser sei es, mit der Zweiten Säule Investitionen und Anreize für gesellschaftlich gewünschte Leistungen zu fördern, beispielsweise im Tierschutz.