Die Ausrichtung der nationalen und der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) ist am 25. Oktober beim vierten Landwirtschaftstag der LVM Versicherung in Bonn kontrovers diskutiert worden. Aus aktuellem Anlass wurden dabei auch Tierschutz-Missstände in Schweineställen aufgegriffen.
Angesichts der jüngsten Medienberichte über Missstände in Schweineställen stellte Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt klar, dass Tierschutzverstöße bestraft werden müssten. Er warnte jedoch davor, die „Tierhalter pauschal unter Verdacht” zu stellen.
Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt unterstrich dabei die Wichtigkeit der Landwirtschaft und die Notwendigkeit von Planungssicherheit für die bäuerlichen Betriebe: „Wenn es um die Zukunft der Landwirtschaft geht, dann geht es um einen gesellschaftlich akzeptierten Umgang mit unseren Nutztieren, um eine nachhaltige Nutzung der Umwelt, um die Attraktivität unserer ländlichen Räume und es geht um die bäuerliche Existenz.” Die Landwirtschaft gehöre in die Mitte der Gesellschaft.
Er betonte jedoch auch, dass sich die Agrarpolitik in Zukunft breiter aufstellen müsse, um gesellschaftlichen Ansprüchen, beispielsweise in Klima- und Umweltschutz, gerecht zu werden. Allerdings könne das Thema Klimaschutz „nicht nur aus Umweltsicht” angegangen werden, und die Landwirtschaft könne „die Kosten auch nicht alleine tragen”.
Angesichts der jüngsten Medienberichte über Missstände in Schweineställen stellte Schmidt klar, dass Tierschutzverstöße bestraft werden müssten; er warnte jedoch davor, die „Tierhalter pauschal unter Verdacht” zu stellen. Notwendig seien ein gesellschaftlicher Dialog, wirksame Maßnahmen der Wirtschaft und praxistaugliche Lösungen aus der Forschung zur Verbesserung des Tierwohls.
Dialogbereit zeigten sich auch die Präsidenten des Rheinischen Landwirtschafts-Verbandes (RLV), Bernhard Conzen, und des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Nassau (BWV), Michael Horper, als Mitveranstalter des Landwirtschaftstages. Conzen betonte die Bereitschaft der Landwirtschaft zu Veränderungen: „Was noch nicht gut ist, wollen wir besser machen”. Allerdings bringe die meist unsachliche und negative Medienberichterstattung die Landwirtwirtschaft im Misskredit, worunter die Bauern sehr litten.
Horper betonte: „Wir wissen, dass wir noch Baustellen haben und uns ändern müssen.” Es werde jedoch viel über die Tierhalter und seltener mit ihnen geredet. In zehn Jahren sehe die Tierhaltung in Deutschland sicher anders aus, doch gehe das nur mit dem Vertrauen der Verbraucher.
Staatliches Tierwohllabel
Schmidt bekräftigte in Bonn seine Absicht, im kommenden
Jahr ein staatliches Tierwohllabel für Produkte einführen zu wollen, bei
deren Erzeugung höhere als die gesetzlichen Mindeststandards
eingehalten werden.
Volle Unterstützung erhält der Minister dabei vom Vorsitzenden des
Wissenschaftlichen Beirats für Agrarpolitik, Ernährung und
gesundheitlichen Verbraucherschutz (WBAE), Professor Harald Grethe, für
den es keine „Alternative zum staatlichen Tierschutzlabel” gibt. Im
Beiratsgutachten „Wege zu einer akzeptierten Nutztierhaltung” seien
jährliche Kosten für ein höheres Tierschutzniveau in Deutschland von
drei bis fünf Milliarden Euro geschätzt worden. Diese Summe könne durch
privatwirtschaftliche Labels nicht annähernd aufgebracht werden.
Tierproduktion herunterfahren
Grethe geht davon aus, dass 15 bis 30 Prozent der
Verbraucher mit solch einem Siegel erreicht werden könnten, wenn es
breit beworben werde. Zudem bestehe durch Verschieben von Geldern in die
Zweite Säule die Möglichkeit, mit staatlichen Tierschutzprämien Anreize
für die Erzeuger zu schaffen.
Mit Blick auf den Klimaschutz wies Grethe darauf hin, dass zwei Drittel
der landwirtschaftlichen Emissionen aus der Tierhaltung kämen. Deshalb
müssten hier Produktion und Konsum heruntergefahren werden, was auch den
Schutz von Wasser, Boden und Luft verbessere.
Wenig begeistert von den Vorschlägen Grethes zeigte sich der Inhaber
der Tönnies Lebensmittel GmbH & Co. KG, Clemens Tönnies. Das bedeute
„Wir sollen weichen”, kritisierte der Fleischfabrikant aus
Rheda-Wiedenbrück. Er halte jedoch nichts davon, „hier die
Schweineställe abzureißen, um dann Fleisch aus Ländern mit niedrigeren
Standards zu importieren”. Der Unternehmer hob hervor, dass im Bereich
der Tierhaltung Änderungen notwendig seien, „aber nicht so, dass wir
eine Vielzahl von Produzenten verlieren”. Mit Blick auf die steigenden
Anforderungen an die Tierhaltung stellte Tönnies klar: „Wenn wir dem
Erzeuger viel abverlangen, dann muss er auch Geld in der Kasse haben, um
entsprechend zu investieren.”
Unterschiedliche Zielsetzungen
Sehr unterschiedliche agrarpolitische Zielsetzungen
prallten bei der Podiumsdiskussion des Landwirtschaftstages aufeinander.
Einen erheblichen Korrekturbedarf sieht der Fraktionsvorsitzende der
Grünen-Bundestagsfraktion, Anton Hofreiter, weil die „Bauern vom
jetzigen System nicht profitieren” und dieses auf „Wachsen oder Weichen”
ausgerichtet sei. Zudem gefährde die intensive Landwirtschaft das
ökologische Gleichgewicht. Der Grünen-Politiker sprach sich für die
Erzeugung von „hochpreisigen Qualitätsprodukten” in Deutschland aus; der
Produktion für den Weltmarkt erteilte er eine Absage.
Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der
CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Gitta Connemann, warf Hofreiter mit Blick
auf seine Exportkritik eine „ideologische statt sachliche” Argumentation
vor. Connemann warnte zudem davor, Finanzmittel von der Ersten in die
Zweite Säule umzuschichten, da diese Gelder dann auch für Programme wie
die Dorferneuerung ausgegeben würden und nicht mehr als Einkommenshilfe
für die Landwirte zur Verfügung stünden.
Priesmeier will mehr umschichten
Für eine weitere Umschichtung von Mitteln in die Zweite
Säule sprach sich dagegen der agrarpolitische Sprecher der
SPD-Bundestagsfraktion, Wilhelm Priesmeier, aus. Es sei davon
auszugehen, dass die Gelder der Ersten Säule von Brüssel gekürzt würden
und dann verloren gingen. Besser sei es, mit der Zweiten Säule
Investitionen und
Anreize für gesellschaftlich gewünschte Leistungen zu fördern, beispielsweise im Tierschutz.