Tierhaltung | 17. April 2019

Was nach dem 31. Mai gefordert wird

Von Redaktion
Zum 31. Mai endet die Übergangsfrist,die Nutztierhaltern in der „Förderkulisse Wolfprävention” eingeräumt wurde, um Schutzmaßnahmen gegen Wolfsrisse zu treffen. Welche Vorgaben müssen dann erfüllt sein, um Nutztierrisse entschädigt zu bekommen?
In der „Förderkulisse Wolfprävention” sollen laut Informationen aus dem Umweltministerium ab dem 1. Juni Wolfsrisse von Schafen, Ziegen und Gehegewild nur noch dann entschädigt werden, wenn die Anforderungen des Ministeriums an den Herdenschutz erfüllt sind.
Ab dem 1. Juni 2019  werden Risse von Schafen, Ziegen oder nutztierartig gehaltenem Gehegewild innerhalb der Förderkulisse Wolfsprävention im Nordschwarzwald  laut Informationen  aus dem Umweltministerium nur noch entschädigt, wenn die Tiere „ordnungsgemäß mit einer lückenlosen Umzäunung geschützt waren”. Die BBZ hat beim Stuttgarter Umweltministerium nachgefragt, was dann konkret gefordert wird.
Das wird als „Grundschutz” verlangt
Die Zäunung muss, so das Ministerium,  allseitig geschlossen sein – auch an oder über Gewässern –, sie muss straff gespannt und bei Elektrozäunen mit einer wirksamen Erdung versehen sein zur Gewährleistung einer ausreichenden Impulsenergie.
Werden  Schafe oder Ziegen in einem Flexinetz oder Litzenzaun (fest oder mobil) gehalten, so müssen folgende  Kriterien erfüllt sein:
  • Bei Flexinetz mindestens 90 cm Höhe, empfohlen werden mindestens 105 cm
  • bei Litzenzaun mindestens vier Litzen (Leiterhöhen: 20 |~40 |~60 | 90 cm, empfohlen wird eine fünfte Litze bei 120 cm), unterer Leiter durchgängig mit maximal 20 cm Höhe
  • ≥4000 Volt Spannung überall am Zaun
  • Spannung an der Erdung  ≤600 Volt (zu messen bei simulierter Tierberührung durch an den E-Zaun angelegte Eisenstange in etwa 100 m Entfernung zum Weidezaungerät), gilt nicht für ±-Zäune
  • Weidezaungerät mit einer Impulsenergie von ≥1 Joule
Werden Schafe oder Ziegen in Festzäunen (in Form stabiler Drahtgeflechtzäune) gehalten,  so müssen diese eine  Gesamthöhe von  mindestens 120 cm haben. Niedrigere Zäune können durch zusätzliche Elektrolitzen (Litzenhöhen: ~90|~120 cm) erhöht werden (Volt-/Joule-Werte wie bereits genannt), der Abstand zwischen Litze und Festzaun darf maximal 30 cm betragen. Eine Elektrifizierung der Festzäune ist laut Umweltministerium grundsätzlich empfehlenswert. Gefordert wird zudem ein Untergrabschutz durch:
  • eine Litze mit Abstandsisolator (~20 cm) in maximal 20 cm Höhe (Volt-/Joule-Werte wie genannt) auf der Außenseite des Zauns oder
  • eine verzinkte, außen am Zaun 1 m breit auf den Boden aufgelegte Zaunschürze (Drahtgeflecht-Durchmesser ≥2 mm), die am Boden und am Zaun (≥40 cm Überstand) fest fixiert wird, oder
  • bei Neuanlagen alternativ Drahtgeflecht senkrecht, 40 cm oder tiefstmöglich in den Boden einlassen.
Für Wildgehege wird eine Zaunhöhe von mindestens 180 cm gefordert mit allseitigem Untergrabschutz wie beschrieben.
 
In diesen Fällen wird stets entschädigt
Bei Rissen von Rindern oder Pferdeartigen innerhalb der Förderkulisse Wolfprävention wird ein Schadensausgleich auch dann gewährt, wenn die hier genannten Grundschutzmaßnahmen nicht vorliegen. Unabhängig davon seien die Tierhaltenden gehalten, ihrer Sorgfaltspflicht nachzukommen, so das Umweltministerium.
Außerhalb der Förderkulisse Wolfprävention erfolgt eine Ausgleichszahlung für vom Wolf gerissene Tiere unabhängig von der Durchführung von speziellen Schutzmaßnahmen. Hier  sei  es unverhältnismäßig, den Ersatz für die von einem Wolf gerissenen Nutztiere von der vorherigen Durchführung von speziellen Wolfs-Präventionsmaßnahmen abhängig zu machen, so das Umweltministerium. Denn in diesem Gebiet bestehe  das Risiko von Wolfsangriffen auf Nutztierherden allenfalls durch vereinzelt durchziehende Wölfe  und sei daher als vergleichsweise gering anzusehen. Unabhängig davon seien die Tierhaltenden  auch außerhalb der Förderkulisse gehalten, ihrer Sorgfaltspflicht nachzukommen.
Förderung
Das Stuttgarter Umweltministerium fördert die Anschaffung folgender Materialien:
  • Elektrozaungerät, mindestens 4000 Volt bei 500 Ohm, Impulsenergie mindestens 1 Joule, Zubehör (Grundausstattung) mit/ohne Solar,
  • Elektronetzzaun (mindestens 90 cm Höhe, mindestens fünf Litzen, maximal 20 cm Bodenabstand der unteren stromführenden Litze),
  • Flatterband/Breitbandlitze und Zaunpfosten sowie Zubehör,
  • Litzen-Festzaun (mindestens 120 cm Höhe, mindestens fünf elektrifizierte Litzen, maximal 20 cm Bodenabstand der untersten stromführenden Litze),
  • Zaunmaterial (zum Beispiel Drahtgeflecht) zur untergrabungssicheren Ergänzung bestehender Festzäune,
  • Elektrolitze und Zubehör zur untergrabungssicheren Ergänzung bestehender Festzäune,
  • dauerhaft installierte Erdungsstäbe.
Darüber hinaus kann der Unterhalt von ausgebildeten Herdenschutzhunden gefördert werden. Grundsätzlich ist ein Herdenschutzhund ab 60 Muttertieren (Schafe oder Ziegen) förderfähig. Bei einer Herdengröße ab 200 Schafen oder Ziegen kann für jeweils weitere 100 Schafe oder Ziegen ein weiterer Herdenschutzhund gefördert werden bis zu einer Obergrenze von maximal sechs Hunden je Betrieb. Ein darüber hinausgehender berechtigter Bedarf kann gefördert werden, wenn die betriebliche Notwendigkeit hierfür nachgewiesen wird.
 
Das sind die Ansprechpartner
Antragsberechtigt sind die Halter von Schafen, Ziegen und nutztierartig gehaltenem Gehegewild, deren beweidete Flächen innerhalb der Förderkulisse Wolfprävention liegen. Ansprechpartner ist die jeweils  zuständige untere Naturschutzbehörde bei den Landratsämtern Böblingen, Calw, Enzkreis, Freudenstadt, Karlsruhe, Ortenaukreis, Rastatt, Rottweil beziehungsweise im Stadtkreis Baden-Baden.
BLHV: Die Anforderungen sind praxisfremd
Kritik an den hier genannten Anforderungen des Umweltministeriums an den Herdenschutz in der „Förderkulisse Wolfprävention”  übt der BLHV. Hier dessen Stellungnahme.

  Die Anforderungen gehen   an der Praxis vorbei. Der geforderte lückenlose Zaun ist in Steillagen, schwierigem Gelände, unter Einbeziehung von Bächen und Felsen in der Praxis unmöglich. Im Ergebnis wird die landwirtschaftliche Nutzung dieser für den Naturschutz wertvollen Gebiete aufgegeben und diese werden zuwachsen.
 Der BLHV erneuert seine Forderung, bei allen  Herdenschutzmaßnahmen das Kriterium der Zumutbarkeit in die Förderung aufzunehmen – sowohl was den finanziellen als auch den Zeitaufwand angeht.
Es ist  bedauerlich, dass dieser berechtigten Forderung nicht entsprochen wurde. Die Anforderungen an den Herdenschutz überfordern die Tierhalter im Wolfsgebiet. Das Umweltministerium stellt sie vor die Wahl zwischen Pest und Cholera: Entweder einen nicht zumutbaren Herdenschutz einzuführen oder bei Angriffen des von der Gesellschaft und nicht von den Bauern gewünschten Wolfes auf ihren Schäden sitzen zu bleiben. Ein Nebeneinander von Wolf und Weidehaltung wird so unmöglich. Der BLHV fordert ferner:
  • Bei Erweiterung der Landschaftspflegerichtlinie um neue Fördertatbestände zum Herdenschutz muss das Land aus Mitteln des Naturschutzes frisches Geld zur Verfügung stellen – keine Förderung auf Kosten bestehender Fördertatbestände.
  • Eine Förderung der Arbeitskosten beim Herdenschutz, die nach Ansicht der EU-Kommission möglich ist,  kann nur der erste Schritt sein. Da viele Tierhalter keine freien Arbeitskapazitäten mehr haben, muss das Land (Naturschutz) qualifizierte Hilfskräfte zur Verfügung stellen, die diese Arbeiten für den Tierhalter übernehmen.