Tierhaltung | 22. Februar 2019

Was die Kuh von ihrem Menüplan hält

Von Dr. Michael Götz, Eggersriet/Schweiz
Verhaltensweisen wie das Lecken oder die Beschaffenheit des Kotes kommen nicht von ungefähr. Ein Tierarzt zeigte an schweizerischen landwirtschaftlichen Beratungszentren auf, wie sie mit der Fütterung zusammenhängen.
Bruno Giboudeau, übersetzt von Nathalie Roth vom Landwirtschaftlichen Zentrum St. Gallen, erklärt die „Kärtchenmethode" im Stall.
Man kann eine Futterration genau berechnen, aber man weiß dann immer noch nicht, wie das Futter bei der Kuh ankommt. Hier hilft eine einfache Methode aus Frankreich weiter, die der Landwirt selbst anwenden kann. Sie nennt sich „Obsalim”, abgeleitet von „Observation alimentaire”, was auf Deutsch Fütterungsbeobachtung heißt.
Kollektive Symptome suchen
Wer hätte gedacht, dass das Schlecken der Kühe an ihrer Schulter etwas mit der Pansenfunktion zu tun hat? „Das Lecken hängt stark mit Schwankungen des Pansen-pH-Wertes zusammen”, sagt Bruno Giboudeau, der Erfinder der Obsalim-Methode. Das Lecken ist leicht am glänzenden, mit Speichel geglätteten Fell hinter der Schulter zu erkennen. Weitere Symptome lassen sich an den Augen, der Nase, der Futteraufnahme, bis hin zur Beschaffenheit des Kotes feststellen. Sie müssen aber bei mehr als zwei Dritteln der Tiere in Erscheinung treten, um aussagekräftig für die Fütterung der ganzen Herde zu sein. Giboudeau nennt sie deswegen kollektive Symptome.
Um gesicherte Rückschlüsse auf die Fütterung ziehen zu können, sind bei der Obsalim-Methode Symptome von mindestens drei  Organen nötig. Viele Symptome würden dem Tierhalter gar nicht auffallen. Deswegen hat der Tierarzt insgesamt 61 Kärtchen mit je einem Symptom entworfen. Unten an den Kärtchen stehen positive und negative Zahlen, die Hinweise auf die Energie- und Eiweißversorgung, den Fasergehalt der Nahrung und die Stabilität der Pansenflora geben.
Der Tierhalter sucht mindestens drei Symptome, legt die Kärtchen untereinander und zählt die entsprechenden Zahlen der Kärtchen zusammen. Das zeigt ihm, wo das Problem liegt. Auf den ersten Blick etwas kompliziert, aber mit der Zeit wird der Landwirt mit dem „Kartenspiel” vertraut.
Auf dem besuchten Betrieb waren bei fast allen Kühen Spuren vom Lecken an den Schultern zu erkennen, die Haut war trocken, die Kuhfladen waren klebrig und häufig kam Nasenausfluss vor. Die Auswertung der Kärtchen zeigte, dass die Energie schlecht verwertet wird und der pH-Wert im Pansen stark schwankt. Bei den Kühen, die  mit einer totalen Mischration aus Heu und Silage gefüttert wurden, fiel auf, dass sie oft nur am Futter schleckten und selten richtige Bissen nahmen. Giboudeau empfahl dem Landwirt, etwas Stroh in die Ration zu mischen, und zwar runde, nicht gequetschte, weiche Strohstängel. „Das Volumen ist da, aber die Struktur fehlt”, war seine Diagnose. Auch die zusätzliche Fütterung von Natriumbikarbonat könnte helfen. Er empfahl, das Futter nicht in einem großen Haufen vor die Tiere zu legen, sondern es sukzessive nachzuschieben und nicht alles auf einmal zu geben.
Die Rückmeldung kommt schnell
„Der Vorteil der Methode ist, dass man ein schnelles Feedback kommt”, betont Giboudeau. Auf jedem Kärtchen steht, wie lange es dauert, bis sich eine Verbesserung einstellt. Die Stabilität der Pansenflora lässt sich schon innerhalb zweier Stunden verbessern, das heißt, schon dann lecken sich die Kühe nicht mehr an der Schulter.
Mehr im Internet
Bruno Giboudeau ist ein homöopathisch geschulter Tierarzt in Frankreich. Er legt  bei der Diagnose großen Wert auf das Verhalten der Kühe und auf unauffällige Körpermerkmale. Er hat interessante Zusammenhänge mit der Fütterung entdeckt und  in den 90er-Jahren die Obsalim-Methode entwickelt. Obsalim lässt sich für Rindvieh, aber auch für Ziegen und Schafe anwenden. Weitere Infos: www.obsalim.com