Waldwirtschaft | 06. Dezember 2018

Was aus den Franzosenhieben geworden ist

Von Hans-Ulrich Hayn, Landratsamt Breisgau- Hochschwarzwald
Nach dem Zweiten Weltkrieg ließen England und Frankreich in Deutschland Wälder als Reparationsleistung für eigene Schäden abholzen. Die Kahlschläge waren meist mehrere Hektar groß. Die deutsche Forstverwaltung forstete danach wieder auf, aber die Folgen wirken bis heute nach.
Trotz geringer Tannenanteile im Altbestand kommt die Baumart in der Naturverjüngung zurück, unterstützt durch eine Jungbestandspflege unter Schirm.
Nach dem Zweiten Weltkriegs beschlossen die Siegermächte Frankreich und England, Holz für den Wiederaufbau in Deutschland zu beschaffen, um so eigene Schäden zu kompensieren.
In Südwestdeutschland forderte die französische Militärverwaltung hierzu Kartenmaterial über geeignete Nadelholzbestände mit mittleren Durchmessern über 35 cm und einem Holzvorrat über 400 fm je ha bei den deutschen Förstern an. Mit diesen Grundlagen wurden die Hiebe festgelegt, wobei die Transportmöglichkeiten eine wichtige Rolle spielten. Vorrangig waren Staatswälder und größere Gemeindewälder von den folgenden Reparationshieben betroffen.
Unsachgemäße Nutzung und Wiederaufforstung
Eingeschlagen wurde meist von französischen Arbeitskräften und das Holz wurde an Ort und Stelle mit mobilen Sägeanlagen zu Bauholz gesägt. Damit war der Transport nach Frankreich einfacher. Bei den großen Kahlhieben, oft auf mehr als zehn Hektar, waren Waldfacharbeiter nur in geringem Umfang beteiligt, so dass die Aufarbeitungsqualität der Hölzer nicht optimal war, Bodenschäden häufiger vorkamen und auch eine gegebenenfalls vorhandene Naturverjüngung nicht geschont wurde. Anschließend gingen die kahlen Flächen zur Aufforstung in die Verantwortung der deutschen Förster zurück.
Diese wollten leistungsstarke und stabile Mischwälder begründen. Hierzu ein Beispiel aus dem Stadtwald Freudenstadt im Nordschwarzwald:  Dort wurden auf einer F-Hiebsfläche, so war die allgemeine Bezeichnung („F” für Franzosen), folgende Bäume je Hektar gepflanzt: 1500 Fichten, 500 Buchen, 800 Tannen, 200 Bergahorne und 500 Lärchen. Zusätzlich wurden auch noch Birkensamen ausgestreut. Insgesamt war dies weit mehr, als heute für erforderlich gehalten wird.
Diese reiche Mischkultur wurde intensiv gepflegt. Zunächst wurden aufwendige Zäune gebaut, um den Verbiss durch Rehe zu verhindern. In der Vegetationszeit entfernten viele „Kulturfrauen” Gräser, Kräuter und andere Konkurrenzvegetation. Lange Zeit waren diese Frauen noch durch ihre Darstellung auf dem alten 50-Pfennig-Stück präsent. Die Arbeit wurde über einen Zeitraum von fünf bis acht Jahren jedes Jahr zweimal wiederholt.  
Das Ergebnis dieser Mischwaldbemühungen war frustrierend. 50 Jahre später bestand beispielsweise das Waldstück in Freudenstadt aus 90 % Fichte und 10 % Lärche. Alle anderen Baumarten waren verschwunden.
Trendwende geschafft
Wie der Wald in 30 bis 40 Jahren aussehen wird, kann niemand genau sagen. Aber im Trockensommer 2018 haben sich die Fichten so gehalten, dass die Zeit voraussichtlich ausreicht, um im Schutz dieser Bäume den Nachwuchs entsprechend weiterzuentwickeln. Ziel wäre ein stufiger Bestand mit den guten Einzelbäumen aus Lärchen, Buchen und Bergahornen in der Oberschicht und nachwachsenden Tannen, Buchen und Douglasien. Ergänzt wird die Vielfalt durch einzelne aufgeführte ökologische Raritäten wie Ulme, Esskastanie, Kiefer und Eiche.
Grundsätzlich werden im Folgebestand Tanne und Buche die größten Flächenanteile einnehmen. Mit den zukünftigen Anteilen an Douglasien entsteht ein ökonomischer Ausgleich für die stärkere Beimischung der Laubhölzer. Diese Douglasien kommen auch wieder den Tannen zugute. Das rasche Höhenwachstum der Baumart schafft genau die Stufigkeit, die für die Gesundheit und die Qualität der jungen Tannen so wichtig ist. Tannen fühlen sich am wohlsten, wenn sie im Schutz höherer Nachbarn aufwachsen. Genau das hat ihnen auf den Kahlflächen der Franzosenhiebe gefehlt.
2050 soll alles gut sein
pdf-Dokument - 51-256914916.PDF Die Baumartenzusammensetzung der Franzosenhiebe wird sich in den kommenden Jahrzehnten völlig ändern. Durch ausbleibende Fichten in der Verjüngung und die Pflegemaßnahmen entsteht aus dem Fichtenbestand ein Tannenmischwald mit Laubholz und Douglasie.
Die Fichte ist leider in der Verjüngung nur in einem geringen Umfang enthalten. Als Beimischung könnte sie gerne über die geschätzten fünf Prozent kommen, aber sie verjüngt sich kaum natürlich und angesichts der langfristigen Klimaprognosen lohnt es sich auch nicht mehr, auf einem Südhang in dieser Höhenlage den notwendigen hohen Aufwand der systematischen Pflanzung zu betreiben. Damit entwickelt sich nach rund 75 Jahren das Waldökosystem in die ursprüngliche Richtung zurück. Die Franzosen schlugen ein Tannenaltholz kahl. Auf den Freiflächen entwickelte sich ein Fichtenreinbestand, der sich nun wieder zurück in einen Wald mit hohen Tannenanteilen verwandelt. Das Balkendiagramm auf Seite 22 zeigt, welche Baumartenanteile für das Jahr 2050 angestrebt werden.
Dieser neue Wald hätte klare Vorteile. Die natürlich am Standort vorkommenden Baumarten haben einen Anteil von 80 Prozent im Vergleich zu 15 Prozent im derzeitigen Franzosenhieb. Damit ist eine hohe Naturnähe gegeben. Der neue Wald ist auch deutlich stabiler. Dies wird verstärkt durch den bereits jetzt erreichten Mischungseffekt in den Jungbäumen. Die Laubbäume, die Douglasie, aber auch die Tanne halten deutlich mehr Trockenheit aus als die Fichte. Borkenkäfer sind im neuen Wald ebenfalls nicht mehr so gefährlich wie bisher für die Fichte. Fäule tritt bei den Nichtfichten in wesentlich geringerem Umfang auf. Dies verringert das Schadrisiko und reduziert Verluste im Holzverkauf. Und sollte durch bislang nicht kalkulierbare Umstände eine Baumart ausfallen, so sind Alternativen vorhanden.
Wirtschaftlichkeit
pdf-Dokument - 51-256914917.PDFSetzt man für die Baumarten den am Beispielstandort erzielbaren Rohertrag ein, ist der zukünftige Wald bei mehr Naturnähe und höherer Stabilität dem Fichtenwald sogar überlegen. Entscheidend dabei sind die Tannen- und Douglasienanteile im Bestand.
 
Erfreulich für den Waldbesitzer ist, dass dieser ökologisch wertvolle und stabile Wald auch mehr Wertertrag bringt als der alte, siehe Balkendiagramm auf Seite 23. Die geringere Wertleistung der Laubhölzer wird durch die – zwar immer noch bescheidenen − Douglasienanteile  mehr als ausgeglichen, so dass ein Bruttorohertrag von 700 Euro je Hektar erzielt wird, was um rund 60 Euro über dem Ertrag der aktuellen Bestockung liegt.
Grundvoraussetzung für die Erreichung des Ziels ist eine konsequente Rehwildbejagung. Damit entwickelt sich die Tannenverjüngung weiter und Fegeschäden an den Douglasien verhindern nicht deren Beimischung. Weiter muss die vorhandene Fichtenbestockung zur Baumarten- und Qualitätssteuerung verwendet werden und die Möglichkeiten zur Anreicherung der Baumartenpalette und zur Einbringung des Wertträgers Douglasie sind weiter konsequent auszunutzen.