Von wegen „Relikt aus früheren Zeiten”
Die Melktechnik und der Aufbau des 6er-Fischgrätenmelkstands stammen von der Firma DeLaval, der Anhänger wurde im Auftrag nach eigenen Konstruktionsplänen gebaut. Eine Treppe führt als Aufgang in den Melkstand, diese darf eine „Kuhbreite” nicht überschreiten, damit es kein Gerangel beim Eintrieb gibt. Rampen haben sich in der Praxis als Aufgänge nicht bewährt, da hier eine gewisse Rutschgefahr besteht.
Der Melkwagen wiegt circa 4,5 t und würde heute komplett etwa 25 000 € kosten. Die Stromversorgung erfolgt über einen Generator und verbraucht etwa 4 l Diesel am Tag. Der Strom wird für die Wasserpumpe, die Vakuumpumpe, Licht und zum Erhitzen des Spülwassers benötigt. Die Milch wird im 350-l-Tank mit einem Pickup mit Anhänger zum Stall transportiert, dort in den Hoftank umgepumpt und gekühlt.
Das Wasser für die Reinigung von Melkstand und Melkanlage wird mit zwei Tauchsiedern am Melkstand erhitzt. Es werden etwa 40 l kaltes Wasser zum Vorspülen, 40 l heißes Wasser als Spülwasser sowie 50 l Wasser zum Nachspülen benötigt. Der Hauptspülgang, der über eine Kanne als Kreislaufspülung erfolgt, dauert etwa fünf bis zehn Minuten. Das benötigte Spülwasser nimmt Wetzel vom Hof in drei Kannen mit. Zusätzlich hat er beim Melkstand einen Wassertank mit 2000 l stehen. Dieses Wasser nutzt er zum Reinigen des Melkstands. Dank der Wasserpumpe kann er diesen genau wie zuhause mit dem Schlauch abspritzen. Das Spülwasser der Melkanlage wird mit zum Hof zurückgenommen und dort entsorgt. Das Melken dauert circa 40 bis 50 Minuten pro Melkzeit. Kraftfutter wird im Melkstand gefüttert, etwa 100 g/kg Milch.
Die Weiden liegen im Umkreis von etwa 2 km Luftlinie um den Hof, aufgrund der Tal- und Höhenlagen bedeutet das aber meist mehrere Kilometer Wegstrecke. Der Weidemelkstand wird nach Bedarf umgestellt, das ist auf den kleineren Weiden im Schnitt alle zehn Tage, auf den größeren Flächen sind die Abstände länger. Mit der jetzigen Routine ist das Umstellen und Umrüsten des Melkstandes in etwa zwei Stunden je nach Entfernung erledigt.
Wetzels Ziel ist eine möglichst lange Weidesaison. Diese dauert je nach Witterung von der ersten Maiwoche bis Anfang November. Etwa zwei Drittel der Abkalbungen erfolgen zwischen August und Weihnachten, da während der Herbstweide auf den Mähflächen, im Winter sowie im Frühjahr bei Weidebeginn die meiste Milch erzeugt wird. Während der Weidesaison werden die Kühe zum Kalben in den Stall geholt und kommen am zweiten oder dritten Tag danach wieder zurück zur Herde auf die Weide, während das Kalb im Stall bleibt.
Mit der Melkroutine läuft es gut, da Mensch und Tier sich auf das Verfahren eingestellt haben. Laut Wetzel kommen die Kühe lediglich bei sehr schlechtem Wetter ungern zum Melkstand, da sie dann den Schutz unter den Bäumen nur ungern verlassen. Bei Hitze sind für die Tiere schattige Plätze am Waldrand oder unter Bäumen wichtig. Sie dienen auch als Insektenschutz. Zusätzlich werden im Sommer Maßnahmen zur Insektenabwehr am Melkstand ergriffen.
Für Klaus Wetzel ist das Freiluftmelken kein Problem: „Es verschafft frische Luft und wechselnde Aussicht.” Geschützt ist der Melker durch ein einklappbares Vordach, zudem sind es nach Angaben von Wetzel meist nur zwei, drei Melkzeiten im Jahr, die witterungsmäßig extrem ungemütlich sind.
Beim Bau des Melkstandes orientierte sich Hubert Schätzle an seinem Kollegen Klaus Wetzel und konnte von dessen Erfahrungen profitieren. So wählte er dieselbe Melktechnik. Der Wagen wurde mit etwas breiteren Rädern ausgestattet und lässt etwas mehr Platz für die Technik im vorderen Wagenteil. Auch sonst wurden ein paar kleine Verbesserungen umgesetzt. Eine Teilförderung konnte über das LEADER-Programm in Anspruch genommen werden.
Zu Beginn haben Mensch und Tier einige Zeit für die Ein-/Umgewöhnung an den Weidemelkstand gebraucht. Die Kühe mussten lernen, zu den Melkzeiten zu kommen und den Weidemelkstand zu betreten, die Menschen, ihnen die nötige Zeit dazu zu geben. Ohne das Beharren seines Sohnes Felix hätte er damals fast aufgegeben, meint Hubert Schätzle. Doch inzwischen klappt es für alle Beteiligten sehr gut.
Seit Januar 2014 werden die derzeit 17 Milchkühe, überwiegend der Rasse Braunvieh, im selbstgebauten 1×5-Fischgräten-Weidemelkstand gemolken. Im Unterschied zu den Melkständen zuvor besteht dieser aus zwei Einheiten, dem Wagen mit den Melkeinheiten sowie dem ebenfalls selbst konstruierten Pkw-Anhänger für die Melktechnik und den Milchtank. Größere Mengen Frischwasser müssen bei diesem System nicht transportiert und aufwendig mittels Tauchsiedern erhitzt werden, da die Reinigung und Desinfektion der technischen Melkeinheit direkt auf dem Hof nach jeder Melkzeit erfolgen, was arbeitswirtschaftlich positiv zu Buche schlägt.
Die zusätzliche Weidefläche bildet eine räumliche Einheit, so reichen zwei Standorte für den Melkstand aus – während der Weidesaison auf dem Weidberg und in den Wintermonaten im Melkhaus auf dem Betrieb. Der Standplatz auf der Weide wurde befestigt, um ein Aufweichen des Bodens bei Nässe zu verhindern und den Arbeitskomfort für das Melkpersonal zu erhöhen. Die Rüstzeit beim Standortwechsel des Weidemelkstands beträgt etwa eine Stunde zuzüglich der Montage/Demontage des Vordaches, das ausschließlich auf der Weide als Witterungsschutz benötigt wird. Um den Zeitaufwand für den Viehzutrieb am Morgen zu den Melkzeiten zu minimieren, wird die Nachtweidefläche nahe dem Standort des Melkstands abgeteilt. Kraftfutter wird in der Vollweidezeit ausschließlich als Lockfutter (etwa 500 g je Tier und Melkzeit) genutzt. Um die Aufwüchse zur Weidezeit optimal nutzen zu können, plant Marx, zukünftig auf saisonale Abkalbung im Frühjahr umzustellen.
Der Weidemelkstand wurde von Matthias Marx, der gelernter Metallbauer ist, in Eigenregie konstruiert und gebaut. Ein Teil der Melktechnik wurde aus dem „Altstall” wiederverwendet. Die Gesamtkosten von etwa 7500 € waren vergleichsweise niedrig. Aufgrund der bisherigen Erfahrungen zog Marx eine positive Bilanz.
Laut den Erfahrungen der drei Landwirte aus dem Oberen Wiesental ist es jedoch entscheidend, ein für die eigenen betrieblichen Verhältnisse geeignetes Melkstandsystem zu entwickeln. Im Berggebiet und bei häufigem Umsetzen muss der Melkstand gut handhabbar und wenig störanfällig sein. Mit entscheidend für den Erfolg des Systems ist es, die Kühe mit Ruhe und Geduld an das neue System zu gewöhnen. „Wenn sie es einmal verinnerlicht haben, klappt es gut”, können alle drei besuchten Landwirte bestätigen.
Der Einsatz der mobilen Melktechnik auch im Winter im Stall spart Kosten. Kostensparend und arbeitserleichternd ist natürlich auch die eigene Anpassungen des Systems. Am Schluss waren sich alle einig: Je nach betrieblicher Konstellation können mobile Weidemelkstände die Weidemilchproduktion im Schwarzwald unterstützen. Weidemelkstände bieten die Möglichkeit, die im Vergleich zur Mutterkuhhaltung rentablere Milchkuhhaltung auch im Berggebiet aufrechtzuerhalten.