Pflanzenbau | 06. Oktober 2017

Viren zurückdrängen, so gut es geht

Von Dr. Friedrich Merz, RP Stuttgart
Milde oder hohe Temperaturen im Herbst begünstigten den Flug von Blattläusen und Zikaden. Deshalb besteht die große Gefahr, dass durch diese Überträger Viren vom Ausfallgetreide, von Gräsern oder aus Maisbeständen auf die Keimlinge des Wintergetreides übertragen werden.
Vom Weizenverzwergungsvirus (WDV) stark geschädigter Winterweizen.
Im Getreide kommen sowohl insektenübertragbare als auch bodenbürtige Viren vor, wie in der Tabelle dargestellt ist.
Insektenübertragbare Viruskrankheiten
Erstens: die Gelbverzwergungsviren (Gersten- [BYDV] und Getreidegelbverzwergungsvirus [CYDV]). Bei der Übertragung dieser beiden Krankheiten haben Blattläuse die größte Bedeutung. Sie nehmen die Viren an Gräsern auf und übertragen sie beim Saugen auf die Getreidepflanzen. Das Ausfallgetreide ist das wichtigste Virusreservoir. Infiziertes Ausfallgetreide zeigt in der Regel eine gelbe Blattverfärbung.
Anhaltend warmes Wetter von Ende September bis Mitte Oktober begünstigt den Blattlausflug und eine Übertragung der Viren auf die Wintergerstenkeimlinge. Auch früh gesäter Winterweizen und Dinkel können infiziert werden. Selbst in milden Wintern können Blattläuse überleben und im Frühjahr weitere Pflanzen infizieren.
Befallene Getreidekeimlinge sind gelb verfärbt und bleiben im Wachstum zurück. Dieses Befallssymptom kann schon im Herbst beobachtet werden. Deutlicher ist der nestartig auftretende Befall im Frühjahr zu sehen. Befallene Pflanzen sind gelb verfärbt, bleiben klein und bestocken sich verstärkt.
Zweitens: die Verzwergungsviren. Es gibt ein Weizen- (WDV) und ein Gerstenverzwergungsvirus (BYD). Überträger ist die Zwergzikade.  Die ersten Befallssymptome ähneln denen der Gelbverzwergungsviren: Vergilbung, grüne bis gelbe Flecken, Verzwergung, verstärktes Bestocken, keine Ähren oder Ähren mit Kümmerkorn. Nach einer Infektion im Herbst sterben die Gersten- oder Weizenpflanzen oft im Winter ab.
Bodenbürtige Viren
Drittens: bodenbürtige Viruskrankheiten. Dazu gehören die Gersten-, Weizen- und Getreidemosaikviren. Sie werden, im Unterschied zu den oben genannten Virusarten, durch einen Bodenpilz übertragen. Sie sind also ortsfest über viele Jahre im Boden vorhanden. Das Schadbild der Gerstenmosaikviren, länglich geformte flächige Befallsherde mit vergilbten Keimlingen in Bearbeitungsrichtung, ist im zeitigen Frühjahr gut zu sehen. Das Ausmaß des Schadens durch diese Krankheit hängt von der Witterung ab. Ein feuchter Herbst begünstigt die Übertragung durch die Bodenpilze. In einem kalten Winter können die durch den Virusbefall geschwächten Pflanzen verstärkt auswintern. Ist das Wetter im Frühjahr anhaltend kühl und feucht, vermehren sich die Viren stark und die Gerstenpflanzen reagieren deutlich mit geringerem Wurzelwachstum und absterbenden Blättern. Ertragsausfälle bis zu 50 % sind möglich. In einem trockenen und warmen Frühjahr dagegen wachsen die Befallssymptome schnell aus und die Pflanzen können einen normalen Ertrag bringen.
Insekten bekämpfen
Um Infektionen durch insektenübertragbare Viren vermeiden zu können, sollte einem bewusst sein, dass Virenquellen in jedem Jahr vorhanden sind. Wenn außerdem in den Beständen Blattläuse zu finden sind, muss mit einer Übertragung auf die Getreidekeimlinge gerechnet werden. Folgende Gegenmaßnahmen sind zu empfehlen:
Ausfallgetreide rechtzeitig mit geeigneten Bodenbearbeitungsmaßnahmen einarbeiten. Totalherbizide müssen frühzeitig gespritzt werden.
Frühsaaten von Wintergerste sind zu unterlassen. Stichtag ist der 20. September, in wärmeren Gebieten der 30. September.
Aus denselben Gründen sind auch Frühsaaten von Dinkel und Weizen nicht ratsam.
Resistente Sorten sollten bevorzugt angebaut werden.
Nach dem Auflaufen des Wintergetreides sollte man die Felder bei anhaltend warmem Herbstwetter verstärkt auf das Vorhandensein von Blattläusen und Zikaden kontrollieren und bei Bedarf spritzen. Wenn 20 % oder mehr Pflanzen von Blattläusen besiedelt sind, ist eine Bekämpfung sinnvoll. Bei Frühsaaten und besonders in gefährdeten Lagen kann schon ab 10 % besiedelter Pflanzen eine Behandlung notwendig werden. Für die Bekämpfung der Zwergzikade gibt es keinen Bekämpfungsschwellenwert. Zugelassen sind beispielsweise die bienenungefährlichen B4-Mittel Kaiso Sorbie, Hunter, Karate Zeon, Lambda WG und Mavrik sowie die B2-Mittel Bulldock, Decis forte (keine Anwendung auf drainierten Flächen), Shock DOWN (nur in Weizen) und Sumicidin Alpha EC.
Die Schwierigkeit bei der Anwendung von Insektiziden gegen Virusvektoren besteht darin, den richtigen Bekämpfungstermin zu ermitteln. In einem jungen Getreidebestand sind Blattläuse nur schwer festzustellen. Am besten können die Insekten bei warmer Witterung an den Getreidekeimlingen beobachtet werden.
Gegen bodenbürtige Viren hilft nur Vorbeugen: weite Fruchtfolgen, insbesondere auf schweren Böden, nicht zu früh säen sowie resistente Getreidesorten anbauen.