Pflanzenbau | 08. April 2016

Vielfalt der Wachstumsregler in Getreide

Von Dr. Friedrich Merz, Regierungspräsidium Stuttgart
Die Getreidebestände zeigen sich nach dem Winter sehr unterschiedlich. Bei geringer Pflanzendichte ist zu prüfen, ob der frühe Einsatz eines CCC-Mittels erforderlich ist. In dichten, gut entwickelten Beständen sind im Stadium Schossen Trinexapac-Mittel oder Medax Top die erste Wahl.
In Trockenjahren ist Vorsicht beim Einsatz von Wachstumsreglern geboten. In feuchten Jahren sind weniger nachteilige Auswirkungen zu befürchten. Keine Anwendung, wenn Nachtfrostgefahr besteht.
Im nachfolgenden Beitrag wird die Wirkungsweise der Wachstumsregler in Getreide beschrieben und aufgezeigt, ob und mit welchem Aufwand ein Einsatz sinnvoll ist.
Die Standfestigkeit des Getreides ist hauptsächlich von der Länge und Dicke seines Halmes abhängig. Die Ausbildung dieser Eigenschaften wird durch verschiedene Pflanzenhormone, die sogenannten Gibberelline, gesteuert. Die Wachstumsregler greifen in die Entwicklungsprozesse der Getreidepflanze auf unterschiedliche Weise ein.
  • Die CCC-Mittel (Chlormequat) hemmen früh die für das Längenwachstum verantwortlichen Pflanzenhormone und verkürzen dadurch hauptsächlich die Halmlänge. Sie verstärken aber auch die Halmwand. Das Wachstum des Haupttriebes wird gehemmt und das der Nebentriebe gefördert. Dadurch erhalten mit CCC-Mitteln behandelte Bestände ein einheitliches Aussehen. Für eine gute Wirkung brauchen diese Mittel bei Sonnenschein Mindesttemperaturen von 6 bis 8 °C, bei bedecktem Himmel von 10 °C.
  • Die Trinexapac-Mittel Calma, Countdown, Moddus, Modus Start, Flexa und Moxa 250 hemmen die Gibberelline später. Sie verkürzen die Länge und verstärken die Wand des Getreidehalmes. Sie wirken gleichmäßig auf Haupt- und Nebentriebe. Behandelte Bestände sind ungleichmäßig und sehen fast wie unbehandelte aus. Für eine gute Wirkung sind sonniges Wetter und Temperaturen von mindestens 12 °C erforderlich.
    Moddus Start bietet sich vor allem für den frühen Einsatz bis Ende der Bestockung als Alternative zu CCC-Mitteln, insbesondere in dichten Weizenbeständen, an. Eine Förderung der Seitentriebbildung würde sich unter diesen Umständen negativ auf den Ertrag auswirken.
  • Das Mittel Medax Top enthält zwei Wirkstoffe. Mepiquat-Chlorid wirkt ähnlich wie das Chlormequat früh auf die Gibberelline, verkürzt die Länge und verstärkt die Wand des Halmes. Der Haupttrieb wird gehemmt und die Nebentriebe gefördert. Die Ansprüche an die Witterung sind mit denen von CCC-Mitteln vergleichbar. Der zweite Wirkstoff, Prohexadion-Calcium, hat eine ähnliche Wirkungsweise wie der Wirkstoff Trinexapac. Er hemmt später die Gibberelline, verkürzt die Länge und verstärkt die Wand der Halme. Er wirkt gleichmäßig auf Haupt- und Nebentriebe. Er benötigt Mindesttemperaturen von 12 °C für eine gute Wirkung.
  • Die Ethephon-Mittel Camposan Extra, Cerone 660 und Orlicht wirken über das Pflanzenhormon Ethylen. Es verkürzt die Halmlänge. Die Halmwand wird nicht beeinflusst. Es reduziert auch das bei der Gerste gefürchtete Ährenknicken.
    Von allen Wachstumsreglern hat Ethephon  die höchsten Temperaturansprüche von mindestens 14 °C und benötigt wüchsiges Wetter für eine sichere Wirkung. Orlicht ist nur in Wintergerste mit maximal 1 l/ha in 200 bis 400 l Wasser/ha zugelassen.
  • Das neu zugelassene Mittel Bogota Ge enthält die Wirkstoffe Chlormequat und Ethephon. Die Kombination der beiden Wirkstoffe verkürzt und verfestigt den Halm.
Einsatz der Wachstumsregler
Für die Bemessung des erforderlichen Aufwandes von Wachstumsreglern müssen viele Faktoren berücksichtigt werden. Die nebenstehende Tabelle hilft bei der Entscheidung über einen Einsatz von Wachstumsreglern und die Höhe des Aufwandes. Die Anwendungsgebiete und die empfohlenen Aufwandmengen der verschiedenen Wachstumsregler sind im Merkblatt „Integrierter Pflanzenschutz 2016” in Tabelle 18 auf Seite 30 aufgelistet, das der BBZ in ihrer Ausgabe 4-2016 beigelegt war und bei allen Landwirtschaftsämtern erhältlich ist.
Keine Anwendung oder eine Anwendung mit geringerer Aufwandmenge ist empfehlenswert auf leichten Böden, bei spätem Aussaattermin, bei einer standfesten Sorte, bei einem späten Vegetationsbeginn, bei trockenem Wetter (unsicherer Wasserversorgung), bei niedriger Stickstoffversorgung, bei geringer Bestandesdichte, bei hohen Temperaturen und hoher Sonneneinstrahlung und bei allgemein geringer Lagergefahr.
Anwendungen von Wachstumsreglern mit höherer Aufwandmenge sind angezeigt auf schweren Böden, bei frühem Aussaattermin, in einer weniger standfesten Sorte, bei frühem Vegetationsbeginn, bei hoher Stickstoffversorgung (Gülledüngung), bei hoher Bestandesdichte, bei niedrigen Temperaturen und schwacher Sonneneinstrahlung sowie bei einer hohen Lagergefahr durch Witterungsereignisse wie zum Beispiel Starkregen.
Empfehlungen
Grundsätzlich sollte bei der Anwendung von Wachstumsreglern beachtet werden, dass eine gute Standfestigkeit erreicht wird, wenn die unteren Halminternodien verkürzt werden. Dies wird durch einen möglichst frühzeitigen Einsatz der entsprechenden Mittel erreicht. Ein verspäteter Einsatz bewirkt eine Verkürzung der oberen Halminternodien mit der nicht erwünschten Folge, dass die Ähren nur wenig über das oberste Blatt hinausragen. Unter solchen Bedingungen trocknen die Ähren schlechter ab und werden anfälliger für Krankheitsbefall.
Auf der Basis von dreijährigen Versuchen des amtlichen Pflanzenschutzdienstes Baden-Württemberg in Winterweizen kann festgestellt werden, dass CCC-Mittel, im Vergleich zur Kontrolle, die Halme am geringsten einkürzen. Eine Kombination mit Moddus wirkt besser. Diese beiden Komponenten sind zum Beispiel auch im Stabilan-Comfort-Pack erhältlich. Die stärksten Einkürzungen erzielen Medax Top + Turbo. In Tankmischungen mit Azolfungiziden kann die Aufwandmenge reduziert werden. Dies gilt auch für Behandlungen der Wintergerste.
In Sommergetreide ist nur bei sehr hoher Lagerneigung eine Behandlung mit Wachstumsreglern zu empfehlen. Höhere Lagergefahr besteht in Hafer. In dieser Getreideart können zum Beispiel CCC-Mittel, Moddus, Countdown, Flexa, Moxa 250 oder Medax Top während des Schossens zur Anwendung kommen.
Vorsicht ist geboten bei Tankmischungen von Wachstumsreglern mit Azolfungiziden oder Herbiziden, wie beispielsweise Wuchsstoffen. Dazu sind die Empfehlungen der Herstellerfirmen in der Gebrauchsanleitung zu beachten.
Mit CCC-Mitteln oder Medax Top behandeltes Stroh darf nicht für Kultursubstrate, zum Beispiel im Gartenbau, verwendet werden (VV835). Zum Schutz des Grundwassers muss bei Anwendungen von Stabilan 720 (Chlormequat) zwischen behandelten Flächen mit einer Hangneigung von über zwei Prozent und Oberflächengewässern ein mit einer geschlossenen Pflanzendecke bewachsener Randstreifen mit einer Mindestbreite von fünf Metern vorhanden sein (NG404).
Zusammenfassung
Beim Einsatz von Wachstumsreglern sind Fingerspitzengefühl und langjährige Erfahrung am jeweiligen Standort gefragt. Es sollten nur die Mittelmengen eingesetzt werden, die unbedingt erforderlich sind. Besonders in Trockenjahren muss der Einsatz von Wachstumsreglern mit großer Vorsicht erfolgen. In feuchten Jahren ist ihre Anwendung mit weniger nachteiligen Auswirkungen verbunden. Wachstumsregler sollten nicht bei Nachtfrostgefahr angewendet werden.
Vorsicht ist insbesondere bei Tankmischungen mit Azolfungiziden geboten. In diesen Tankmischungen sollten die sorten- und standortspezifischen Aufwandmengen der Wachstumsregler, auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten, verringert werden.
Insbesondere zu Tankmischungen, aber auch insgesamt zum Einsatz von Wachstumsreglern, sind die Hinweise und örtlichen Empfehlungen der Hersteller zu beachten.