Tierhaltung | 02. August 2023

Vielfältige Darmflora gegen Salmonellen bei Schweinen

Von Dr. Anja Rostalski vom Schweinegesundheitsdienst Bayern und BBZ-Redaktion
Die Schweinegesundheitsdienste haben den Leitfaden „Salmonellen beim Schwein” an die aktuellen Erkenntnisse angepasst. Ein Kapitel zum Darm-Mikrobiom ist neu dazugekommen. Zwar ist die Forschung hier noch ganz am Anfang, dennoch sind einige Aspekte bereits bekannt.
Wird die Muttersau rechtzeitig in die Abferkelbucht umgestallt, kann sie dort ihre Keime verteilen und so die Darmflora der Ferkel stärken.
Der Darm ist Bindeglied zwischen Umwelt und Körperinnerem. Was ab dem Zeitpunkt der Geburt über den Mund-Nasen-Rachen-Raum eintritt und den Magen passiert hat, hinterlässt einen „Fußabdruck” im Darm und prägt dessen Mikrobiom sowie das sich entwickelnde Immunsystem. Dabei ist besonders die Ernährung prädestiniert, die Art und Anzahl der Mikrobiota zu steuern.
 Deshalb ist es kein Zufall, dass zur Bekämpfung von Salmonellen  im Schweinebestand immer auch diätetische Maßnahmen herangezogen werden. Die Diversität des Darmmikrobioms von klinisch gesunden im Vergleich zu an Salmonella typhimurium erkrankten Schweinen einer Gruppe nimmt signifikant ab. Das Mikrobiom infizierter Schweine, die den Erreger nicht ausscheiden, gleicht in der Zusammensetzung dem der gesunden Tiere. Es stellt sich die Frage, ob Tiere bevorzugt anfällig werden, weil die Diversität des Mikrobioms bereits im Vorfeld gestört war, oder ob erst durch die Infektion eine Reduktion der Artenvielfalt im Darm stattfindet. 
Gröbere Futterstruktur von Vorteil
Der Effekt  diätetischer Maßnahmen zur Bekämpfung von Salmonellen beruht weitgehend auf dem Aufbau einer stabilen, vielfältigen Darmflora. Eine gröbere Futterstruktur bremst die Magen-Darm-Passage, wodurch das Futter besser einsäuert und sich der physiologischen pH-Wert absenkt. Der positive Effekt: Mikroben der Art Firmicutes, die Zellulose verdauen,  finden optimale Lebensbedingungen im Darm und  besetzen Nischen, die potenziell pathogenen Bakterien wie Salmonellen dann nicht mehr zur Verfügung stehen. Die pH-Wert-Absenkung, die auch über die Verabreichung organischer Futtersäuren erreicht wird, selektiert Keime aus, die es nicht gerne sauer mögen. 
Prä- und Probiotika in der Schweinefütterung
Präbiotika wie Laktulose oder Inulin bieten vielen Mikroben im Darm ein dankbares Substrat: Sie lassen sich schneller zu Energie in Form von Acetat, Propionat und Butyrat umsetzen. Gelegentlich werden diese kurz- und mittelkettigen Fettsäuren auch direkt verfüttert, wie auch lebende Bakterienkulturen als probiotische Zusätze gegeben werden, um ein Ungleichgewicht im Darm vorübergehend zu überbrücken. Hat sich wieder eine stabile Darmflora etabliert, können Prä- oder Probiotika schadlos wieder abgesetzt werden. Der Einsatz von Säuren und/oder grobstrukturiertem Futter bleibt jedoch essenziell, um die „guten” Mikroben im Darm zu fördern und pathogene zu unterdrücken.
Um dauerhaft eine intakte und vielfältige Darmflora zu etablieren muss bereits vor der Geburt ein Milieu geschaffen werden, in dem die neugeborenen Ferkel optimal „begrüßt” werden. Das fängt bei der gut konditionierten, gesunden Muttersau an: Sie sollte am besten schon eine Woche vor dem Abferkeltermin in ihre Abferkelbucht umgestallt werden und dort ihre Keime verteilen. Stressvermeidung innerhalb der ersten fünf Lebenstage durch den vorübergehenden Verzicht auf Ferkeltausch und zootechnische Maßnahmen sorgt für mehr Stabilität bei Sau und Ferkeln. Festes Futter und organisches Beschäftigungsmaterial bringen zusätzliche Keime in den Stall, die später für die Zelluloseverdauung benötigt werden.
Im Gegenzug sind alle Faktoren zu vermeiden, die sich negativ auf die Darmgesundheit auswirken. Dazu gehören in erster Linie alle bakteriellen Infektionen, die mit Antibiotika bekämpft werden. Aber natürlich sind auch alle akuten Darmerkrankungen viraler oder parasitärer Ursache beim Aufbau einer stabilen Darmflora hinderlich. Zudem gilt es in der Aufzucht, abrupte Futterwechsel oder Fehler in der Ration genauso wie Stress und Überforderung bei der Futteraufnahme zu vermeiden. Das betrifft vor allem die ersten acht Lebenswochen und die Zeit des Absetzens.
„Gute” und „schlechte” Mikrobiota
Mittlerweile sind verschiedene „Leitmikrobiota” bekannt, die positive Effekte auf die Gesundheit und Entwicklung der Ferkel haben. In der Säugephase sind es Ruminococcaceae, die für besondere Frohwüchsigkeit entscheidend sind, während Prevotella offenbar nach dem Absetzen die Tageszunahmen steigern. Dagegen zeigen Untersuchungen von 2021, dass große Mengen Actinobacteria im Darmmikrobiom vor dem Absetzen auf ein erhöhtes Risiko für Absetzdurchfall bei Ferkeln hinweisen; während große Mengen Bakterien in Form von Chlamydien und Helicobacter sich als Marker für eine stabile Darmgesundheit beim Absetzferkel erwiesen haben. Bislang ist das nur für die Forschung von Interesse. Dieses Wissen hilft aber irgendwann zu verstehen, wie das „optimale” Mikrobiom eines gesunden und widerstandsfähigen Schweins aussehen sollte und wie man es steuern kann.    
 
Hier gibt es den kompletten Leiftaden.