Die Aufstockung der Gemeinschaftsaufgabe (GAK), umfangreiche Hilfen zur Bewältigung der Dürrefolgen sowie der Beschluss für ein staatliches Tierwohlkennzeichen sind zentrale Vorhaben im Agrarbereich, die die Bundesregierung eigenen Angaben zufolge in dieser Legislaturperiode bislang umgesetzt hat.
In der Liste der weiteren Vorhaben, die die Bundesregierung abarbeiten will, findet sich die Ackerbaustrategie mit umwelt- und klimafreundlicher Ausrichtung.
n ihrer Halbzeitbilanz, die vergangene Woche Thema im Bundeskabinett war, führt die Regierung auf der Habenseite auch das von ihr beschlossene Aktionsprogramm Insektenschutz an. Unterdessen hat Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner eine umfassende Beteiligung von Interessenvertretern an der Erarbeitung des Insektenschutzprogramms zugesichert.
DBV will kooperativen Naturschutz
„Es wird mehrere runde Tische der
Bundesregierung mit den Vertretern der Landwirtschaft und
Umweltverbänden geben, um Einzelheiten des Aktionsprogramms
Insektenschutz zu diskutieren”, sagte Klöckner bei einem Treffen mit den
Spitzen des Deutschen Bauernverbandes (DBV) und von
Landesbauernverbänden in Berlin. DBV-Präsident Joachim Rukwied hatte
dabei die Forderung nach
einer grundlegenden Überarbeitung des Aktionsprogramms Insektenschutz
bekräftigt: „Der Weg wird nur über kooperativen Naturschutz und nicht
über Verbote gehen”, mahnte Rukwied. Bei der Opposition stieß die
Halbzeitbewertung im Agrar- und Ernährungsbereich auf scharfe Kritik.
Fehlende Investitions- und Planungssicherheit
Die Verbandspräsidenten
forderten in dem Gespräch mit Klöckner ein klares Signal der
Wertschätzung für den Berufsstand und eine Politik mit
Zukunftsperspektiven für den landwirtschaftlichen Nachwuchs. Hier seien
vor allem die fehlende Investitions- und Planungssicherheit für die
Tierhalter ein zentrales Thema gewesen, teilte der DBV im Anschluss an
das Treffen mit.
Klöckner beklagte dabei Ministeriumsangaben zufolge eine Spaltung
zwischen Teilen der Gesellschaft und der Landwirtschaft. Landwirte
würden oft pauschal als „Tierquäler” und „Umweltvergifter” in die Ecke
gestellt. Diese Spaltung zu überwinden und zu versöhnen, sei „eine
drängende, wenn auch langwierige Aufgabe”. Augenmaß, Praxisgerechtheit
und Umsichtigkeit für Gemeinwohlinteressen müssten dabei Hand in Hand
gehen.
Im neuen Jahr will Klöckner eine Informations- und Aufklärungskampagne
starten. Ziel sei es, das gegenseitige Verständnis in der Gesellschaft
und Landwirtschaft zu erhöhen und die Wertschätzung für die
landwirtschaftliche Urproduktion zu steigern. Daneben werde man ein
nationales Dialogforum im Rahmen einer „Road-Show” durch Deutschland
einrichten. Dabei werde es eine Reihe von Diskussionsveranstaltungen an
verschiedenen Orten im Bundesgebiet geben. Hier solle öffentlich darüber
gesprochen werden, „was Bauern leisten, was die Gesellschaft erwartet
und wie die Finanzierung gewährleistet wird”.
Ernährungspolitische Strategien
In der Halbzeitbewertung führt die
Bundesregierung eine Reihe weiterer Maßnahmen an, die sie bislang in
dieser Legislaturperiode auf den Weg gebracht habe. So habe man die
rechtlichen Voraussetzungen dafür geschaffen, dass Landwirte die
Ferkelkastration unter Vollnarkose selbst durchführen könnten. Mit einer
beschlossenen Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes habe man eine
„ausgewogene Regelung zum Umgang mit Wölfen” geschaffen. Zu ihren
ernährungspolitischen Erfolgen zählt die Regierung die nationale
Strategie zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung mit dem Ziel,
diese bis 2030 zu halbieren, sowie die Nationale Reduktions- und
Innovationsstrategie, um die Zucker-, Fett- und Salzgehalte bis 2025
nachhaltig zu verringern. Das Nährwertkennzeichnungssystem für
verarbeitete und verpackte Lebensmittel zählt zu den Vorhaben, die in
der zweiten Halbzeit in Angriff genommen werden sollen.
Weniger Treibhausgas
In den verbleibenden zwei Jahren will die
Bundesregierung auch ihr Ziel verfolgen, die Treibhausgasemissionen in
der Landwirtschaft schrittweise zu senken. Durch weniger
Stickstoffüberschüsse, mehr Ökolandbau und weniger Emissionen in der
Tierhaltung solle die Landwirtschaft klimafreundlicher werden, heißt es
in der Bilanz.
In der Liste der weiteren Vorhaben, die man noch abarbeiten will, findet
sich auch die Ackerbaustrategie. Als deren Ziele werden insbesondere
genannt, die umwelt- und naturverträgliche Anwendung von
Pflanzenschutzmitteln zu verbessern und die Anpassung des Ackerbaus an
den Klimawandel zu gewährleisten.
Ferner steht eine Verschärfung der Düngeverordnung an, um den
Anforderungen des europäischen Rechts nachzukommen. Schließlich bekennt
sich die Regierung zu einer bundesweit einheitlichen Regelung für ein
Gentechnik-Anbauverbot auf Grundlage der Brüsseler Opt-out-Richtlinie.
Der landwirtschaftspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Gero
Hocker, reagierte enttäuscht: „Die Halbzeitbilanz der GroKo im Bereich
Ernährung, Land- und Forstwirtschaft wirkt eher verzweifelt und zeigt
die fehlende Einigkeit von SPD und Union”, erklärte Hocker. Es gebe
keine Antworten auf wichtige Fragen der Landwirte wie etwa zur Zukunft
der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP). Im Ausblick fehlten wichtige Themen
wie ein dringend benötigter fachlich fundierter Umgang mit
Pflanzenschutzmitteln, die Beseitigung der Unsicherheiten zur
Düngeverordnung. Zukunftsthemen wie Digitalisierung und neue
Züchtungsmethoden würden ebenfalls ausgelassen.
„Mehr ungelöste Probleme denn je”
Aus Sicht von Grünen-Agrarsprecher Friedrich
Ostendorff gibt es „mehr ungelöste Probleme denn je”. Ostendorff mahnte
dringend politisches Handeln an: „Es muss definiert werden, welche
Landwirtschaft es in Deutschland geben soll und wie dieses Ziel mit
welchen Mitteln erreicht werden soll”, so der Politiker der Grünen.
Versäumnisse hielt auch die agrarpolitische Sprecherin der Linken im
Bundestag, Kirsten Tackmann, der Bundesregierung vor. Als ihre
Hauptkritikpunkte nannte sie „fehlende oder falsche Strategie, zu große
Konzernnähe und Unentschlossenheit in der Koalition sowie im
Bundeslandwirtschaftsministerium”.