Politik | 14. November 2019

Verbändegespräch zur Halbzeitbilanz

Von AgE
Die Aufstockung der Gemeinschaftsaufgabe (GAK), umfangreiche Hilfen zur Bewältigung der Dürrefolgen sowie der Beschluss für ein staatliches Tierwohlkennzeichen sind zentrale Vorhaben im Agrarbereich, die die Bundesregierung eigenen Angaben zufolge in dieser Legislaturperiode bislang umgesetzt hat.
In der Liste der weiteren Vorhaben, die die Bundesregierung abarbeiten will, findet sich die Ackerbaustrategie mit umwelt- und klimafreundlicher Ausrichtung.
n ihrer  Halbzeitbilanz, die vergangene Woche Thema im Bundeskabinett war, führt die Regierung auf der Habenseite auch das von ihr beschlossene Aktionsprogramm Insektenschutz an. Unterdessen hat Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner eine umfassende Beteiligung von Interessenvertretern an der Erarbeitung des Insektenschutzprogramms zugesichert.
DBV will kooperativen Naturschutz
„Es wird mehrere runde Tische der Bundesregierung mit den Vertretern der Landwirtschaft und Umweltverbänden geben, um Einzelheiten des Aktionsprogramms Insektenschutz zu diskutieren”, sagte Klöckner bei einem Treffen mit den Spitzen des Deutschen Bauernverbandes (DBV) und von Landesbauernverbänden in Berlin. DBV-Präsident Joachim Rukwied hatte dabei die Forderung nach
einer grundlegenden Überarbeitung des Aktionsprogramms Insektenschutz bekräftigt: „Der Weg wird nur über kooperativen Naturschutz und nicht über Verbote gehen”, mahnte Rukwied. Bei der Opposition stieß die Halbzeitbewertung im Agrar- und Ernährungsbereich auf scharfe Kritik.
Fehlende Investitions- und Planungssicherheit
Die Verbandspräsidenten forderten in dem Gespräch mit Klöckner ein klares Signal der Wertschätzung für den Berufsstand und eine Politik mit Zukunftsperspektiven für den landwirtschaftlichen Nachwuchs. Hier seien vor allem die fehlende Investitions- und Planungssicherheit für die Tierhalter ein zentrales Thema gewesen, teilte der DBV im Anschluss an das Treffen mit.
Klöckner beklagte dabei Ministeriumsangaben zufolge eine Spaltung zwischen Teilen der Gesellschaft und der Landwirtschaft. Landwirte würden oft pauschal als „Tierquäler” und „Umweltvergifter” in die Ecke gestellt. Diese Spaltung zu überwinden und zu versöhnen, sei „eine drängende, wenn auch langwierige Aufgabe”. Augenmaß, Praxisgerechtheit und Umsichtigkeit für Gemeinwohlinteressen müssten dabei Hand in Hand gehen.
Im neuen Jahr will Klöckner eine Informations- und Aufklärungskampagne starten. Ziel sei es, das gegenseitige Verständnis in der Gesellschaft und Landwirtschaft zu erhöhen und die Wertschätzung für die landwirtschaftliche Urproduktion zu steigern. Daneben werde man ein nationales Dialogforum im Rahmen einer „Road-Show” durch Deutschland einrichten. Dabei werde es eine Reihe von Diskussionsveranstaltungen an verschiedenen Orten im Bundesgebiet geben. Hier solle öffentlich darüber gesprochen werden, „was Bauern leisten, was die Gesellschaft erwartet und wie die Finanzierung gewährleistet wird”.
Ernährungspolitische Strategien
In der Halbzeitbewertung führt die Bundesregierung eine Reihe weiterer Maßnahmen an, die sie bislang in dieser Legislaturperiode auf den Weg gebracht habe. So habe man die rechtlichen Voraussetzungen dafür geschaffen, dass Landwirte die Ferkelkastration unter Vollnarkose selbst durchführen könnten. Mit einer beschlossenen Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes habe man eine „ausgewogene Regelung zum Umgang mit Wölfen” geschaffen. Zu ihren ernährungspolitischen Erfolgen zählt die Regierung die nationale Strategie zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung mit dem Ziel, diese bis 2030 zu halbieren, sowie die Nationale Reduktions- und Innovationsstrategie, um die Zucker-, Fett- und Salzgehalte bis 2025 nachhaltig zu verringern. Das Nährwertkennzeichnungssystem für verarbeitete und verpackte Lebensmittel zählt zu den Vorhaben, die in der zweiten Halbzeit in Angriff genommen werden sollen.
Weniger Treibhausgas
In den verbleibenden zwei Jahren will die Bundesregierung auch ihr Ziel verfolgen, die Treibhausgasemissionen in der Landwirtschaft schrittweise zu senken. Durch weniger Stickstoffüberschüsse, mehr Ökolandbau und weniger Emissionen in der Tierhaltung solle die Landwirtschaft klimafreundlicher werden, heißt es in der Bilanz.
In der Liste der weiteren Vorhaben, die man noch abarbeiten will, findet sich auch die Ackerbaustrategie. Als deren Ziele werden insbesondere genannt, die umwelt- und naturverträgliche Anwendung von Pflanzenschutzmitteln zu verbessern und die Anpassung des Ackerbaus an den Klimawandel zu gewährleisten.
Ferner steht eine Verschärfung der Düngeverordnung an, um den Anforderungen des europäischen Rechts nachzukommen. Schließlich bekennt sich die Regierung zu einer bundesweit einheitlichen Regelung für ein Gentechnik-Anbauverbot auf Grundlage der Brüsseler Opt-out-Richtlinie.
Der landwirtschaftspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Gero Hocker, reagierte enttäuscht: „Die Halbzeitbilanz der GroKo im Bereich Ernährung, Land- und Forstwirtschaft wirkt eher verzweifelt und zeigt die fehlende Einigkeit von SPD und Union”, erklärte Hocker. Es gebe keine Antworten auf wichtige Fragen der Landwirte wie etwa zur Zukunft der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP). Im Ausblick fehlten wichtige Themen wie ein dringend benötigter fachlich fundierter Umgang mit Pflanzenschutzmitteln, die Beseitigung der Unsicherheiten zur Düngeverordnung. Zukunftsthemen wie Digitalisierung und neue Züchtungsmethoden würden ebenfalls ausgelassen.
„Mehr ungelöste Probleme denn je”
Aus Sicht von Grünen-Agrarsprecher Friedrich Ostendorff gibt es „mehr ungelöste Probleme denn je”. Ostendorff mahnte dringend politisches Handeln an: „Es muss definiert werden, welche Landwirtschaft es in Deutschland geben soll und wie dieses Ziel mit welchen Mitteln erreicht werden soll”, so der Politiker der Grünen.
Versäumnisse hielt auch die agrarpolitische Sprecherin der Linken im Bundestag, Kirsten Tackmann, der Bundesregierung vor. Als ihre Hauptkritikpunkte nannte sie „fehlende oder falsche Strategie, zu große Konzernnähe und Unentschlossenheit in der Koalition sowie im Bundeslandwirtschaftsministerium”.