Tierhaltung | 07. September 2017

Unkupierte Hennen verzeihen weniger Fehler

Von Christian Weik
Seit dem 1. Januar befasst sich das Beratungsprojekt „Haltung unkupierter Legehennen”, das vom Land Baden-Württemberg gemeinsam mit dem Geflügelwirtschaftsverband initiiert wurde, mit der Frage, wie man Federpicken und Kannibalismus vorbeugen kann. Hier die bisherigen Erfahrungen.
Der wichtigste Grundstein für eine erfolgreiche Legeperiode wird bereits bei der Planung der einzelnen Durchgänge und der damit verbundenen Bestellung der Junghennen gelegt.
Junghennen rechtzeitig bestellen
Bei jeder Stallkontrolle sollten Einzeltiere aufgenommen und genauer beurteilt werden. So werden Probleme früher erkannt.
Damit man als Legehennenhalter Einfluss darauf nehmen kann, wie die  Junghennen aufgezogen werden, und vor allem  auch darauf, dass sie gemeinsam aufgezogen werden, muss man sie rechtzeitig bestellen. Bei drei  Wochen Brutdauer und etwa  18 Wochen Aufzucht müssen – die Planungszeit mit einkalkuliert – die Junghennen gut ein halbes Jahr vor der geplanten Einstallung bestellt werden. Nur  wenn man dieses   Kriterium erfüllt, kann man gegenüber dem  Junghennenlieferanten Ansprüche und Wünsche äußern.
Wichtig  ist, dass das Haltungssystem in der Aufzucht möglichst viel Ähnlichkeit mit dem späteren Legehennenstall hat. Dies ist für eine gute Eingewöhnung der Junghennen und eine Akzeptanz der Stallanlage entscheidend und hilft, unnötigen Stress bei den Tieren zu vermeiden.
Wenn nun die Junghennen auf dem eigenen Betrieb ankommen, muss  man bedenken, dass sie  durch das Fangen, Verladen und Transportieren sehr strapaziert worden sind und man jeglichen unnötigen Stress bei der Einstallung vermeiden sollte. Außerdem sollte man den Tieren ausreichend Zeit lassen, um sich an die Anlage und Einrichtung zu gewöhnen. Für gewöhnlich erhält man  mit dem Lieferschein Daten zur Junghennenherde (Lichtprogramm, Fütterungszeiten etc.) übermittelt. Mit  diesen vorgegebenen Systemeinstellungen sollte man die Junghennenaufzucht zu Ende führen. Die  neu erworbenen Tiere sind nämlich erst einige Wochen später voll ausgewachsen.
Auch mit der Verlängerung des Lichttages (Lichtprogramm) und der damit verbundenen Stimulation der Legehennen zum Eintritt in die Legetätigkeit sollte man erst dann beginnen, wenn die Tiere ausreichend entwickelt sind (Vergleich Soll – Ist der Lebendgewichte). Unterentwickelte Tiere, die durch Verlängerung des Lichttags vorzeitig bereits „ins Legen getrieben” werden, haben einen schweren Start und weniger Reserven, um negative Ereignisse besser wegstecken zu können. Zudem hat man  dann sehr lange  kleine, schwer vermarktungsfähige Eier. 
Tränke und Fütterung
Wöchentliche Einzeltierwiegungen, vor allem bei den Junghennen, sind wichtig, um den richtigen Zeitpunkt für die Verlängerung des Lichttags und die damit verbundene Legestimulation zu treffen. Aber auch später bei den Legehennen sollte mindestens einmal pro Monat gewogen werden.
Zu den  wichtigsten Einflussfaktoren gehören   die Wasser- und Futterversorgung.  Nur bedarfsgerecht versorgte Tiere können die gewünschten Leistungen erbringen und zugleich gesund und vital bleiben. Bei der Wasserversorgung ist  darauf zu achten,  dass die  Tiere ausreichend und vor allem qualitativ hochwertiges Wasser aufnehmen. Dazu muss man  die tägliche Wasseraufnahme kontrollieren und  dokumentieren sowie regelmäßig Tränkwasseruntersuchungen durchführen. Da das Wasser-Futter-Verhältnis mit 2:1 in der Regel relativ konstant ist, führt eine dauerhaft zu niedrige Wasseraufnahme automatisch zu einer   verminderten Futteraufnahme und in der Folge zu einer schlechteren Legeleistung. Da bei einer sich anbahnenden Krankheit der Wasserverbrauch vor dem Futterverbrauch absinkt, kann die Höhe des Wasserverbrauchs auch  als Frühwarnsystem dienen.
Außerdem ist es nicht nur wichtig, dass ein ausgeglichenes, am Bedarf der Legehennen orientiertes Futter eingesetzt wird, sondern auch, dass dieses  bei jedem einzelnen Tier in ausreichender Menge ankommt. Dabei sind die in der Tabelle genannten Punkte zu beachten, die erfahrungsgemäß  in der Praxis oft zu Problemen führen.
Die meisten Legehennen-Alleinfutter sind von ihrer Nährstoffzusammensetzung auf eine Futteraufnahme von etwa 120 g pro Tier und Tag ausgerichtet. Diese sollte täglich erfasst und kontrolliert werden. Durch Futterzusätze (z. B. Molkenpulver) oder durch das Anfeuchten von Futter kann die Futteraufnahme gesteigert werden. Durch das Anlaufenlassen der Futterkette werden die Tiere animiert, zum Trog zu gehen. Deshalb sollte man  die Futterkette lieber öfters am Tag mit geringerer Menge pro Umlauf laufen lassen. An die richtige Mengeneinstellung muss man sich herantasten, und zwar je nachdem, wieviel die Tiere zwischen den eingestellten Fütterungen fressen. Darüber hinaus hat es sich aber bewährt, den Trog mindestens einmal am Tag durch eine Fütterungspause leerfressen zu lassen. Damit ist gewährleistet, dass zumindest einmal am Tag alle Bestandteile des Futters aufgenommen wurden, und es wird einer Selektion entgegengewirkt. Wie lange dabei die Fütterungspause sein muss, ist herdenspezifisch und sollte deshalb vorsichtig ausprobiert werden. Durch eine sogenannte Blockfütterung (erneutes Anlaufenlassen der Futterkette bereits nach etwa 15 bis 20 Minuten) wird erreicht, dass auch die rangniederen Tiere in den Genuss aller Futterbestandteile kommen und nicht nur die „Reste” fressen müssen.
 Durch die passende Futterstruktur kann überwiegend dem Selektieren einzelner Bestandteile begegnet, aber auch die Futteraufnahme verbessert werden. Eine sehr feine Vermahlung ist nicht zu empfehlen, da dies zu Magengeschwüren führen könnte. Eine recht grobe Struktur führt zu stärkerer Selektion. Der goldene Mittelweg ist hier das Richtige. Weitergehende Informationen hierzu und zur Legehennen-Fütterung allgemein sind zu finden auf der  Homepage des Beratungsprojekts  in einer Broschüre der Landesanstalt für Landwirtschaft  Bayern (www.landsiedlung.de/leistungsspektrum/beratungsprojekt-zur-haltung-unkupierter-legehennen).
Beschäftigungsmaterial
Picksteine sind gerade für den „Grundstock” an dauerhaft verfügbarem Beschäftigungsmaterial gut geeignet und sind zugleich ein „Anzeiger” für den Zustand der Herde. Achtung: Picksteine gibt es in verschiedenen Härtegraden, was die Annahme durch die Hennen beeinflussen kann.
Nach dem Motto „viel hilft viel” zu handeln, ist beim Beschäftigungsmaterial falsch. Man sollte   den Tieren  nur einen gewissen Grundstock an dauerhaft verfügbaren Beschäftigungsmöglichkeiten (z. B. Pickblöcke und Luzerneballen) anbieten. Denn  man muss sich  immer  Luft nach oben lassen, quasi noch „ein Ass im Ärmel” behalten, wenn die Tiere durch irgendwelche Umstände gestresst werden.
Der Grundstock an Beschäftigungsmaterial sollte dabei stets ersetzt/erneuert werden und somit nie ausgehen. Dadurch bietet man den Tieren dauerhaft Beschäftigungsmöglichkeiten an, welche gleichzeitig als „Anzeiger” für den Zustand der Herde dienen. Ist der Verbrauch gleichbleibend oder steigt er kurzfristig an?! Dies kann bereits ein erstes Zeichen für ein Problem in der Herde sein. Zum anderen kann man den Tieren bei Bedarf immer noch Neues bzw. Unbekanntes anbieten, wodurch man sie vom Federpicken ablenken und insgesamt beruhigen kann.
Haltungssystem
Die Einrichtung, meist ein- oder mehretagige Volieren oder erhöhte Roste, sollte von den Hühnern gut angenommen werden, damit sie die unterschiedlichen Funktionsbereiche (Scharren, Ruhen, Fressen, Legen ...) ausreichend nutzen können. Es ist außerdem für eine erfolgreiche Bestandesführung wichtig, dass ausreichend Fressplätze, Tränkenippel und Nestflächen vorhanden sind und die gesetzlichen Vorgaben nicht bis an die Grenze ausgereizt sind. Auch bei der Besatzdichte kann man ähnliche Beobachtungen machen. Man erhält durch ein eher großzügigeres Angebot eine ruhigere Herde. Nehmen die Tiere die Anlagen, vor allem bei Volieren, schlecht an, sollte mit Aufstiegshilfen, separat steuerbaren Lichtsträngen und dem konsequenten Hochsetzen der Tiere in den ersten Wochen gegengesteuert werden.
Das Licht ist bei der Legehennenhaltung ein nicht zu unterschätzender Schlüsselfaktor – nicht nur, weil man dadurch die Annahme der Nester und der Anlage steuern kann. Nein, vor allem auch die Steuerung, wann die  Hühner ins Legen kommen und vielleicht auch wieder damit aufhören, lässt dem Licht eine große Bedeutung zukommen. Außerdem können Lichtflecken im Stall, zu intensives Sonnenlicht oder insgesamt zu helle Ställe sehr schnell zu Verhaltensstörungen führen. Leider ist man sich in der Wissenschaft noch immer nicht einig, wie das perfekte Licht für Hühner sein sollte. Fest steht nur, dass man sein Lichtprogramm dem Alter der Hühner anpassen muss, dass das Licht  auf jeden Fall flackerfrei und dimmbar sein muss und dass ihm in Hinsicht auf Federpicken und Kannibalismus eine große Bedeutung zukommt. Deshalb sollte man bei der Lichtsteuerung immer überlegt handeln. Ebenso zu beachten ist die Untergrenze von 20 Lux, die den Tieren mindestens zur Verfügung stehen muss.
Auch das Klima – im Sommer mit der Temperatur, im Winter mit der Luftfeuchtigkeit und den Schadgasen als Problemfelder – ist ein entscheidender Faktor für das Wohlbefinden der Tiere und dadurch auch für das Auftreten von Verhaltensstörungen. Deshalb ist es wichtig, dass die eingebaute Technik sowohl im Winter als auch im Sommer den Ansprüchen der Tiere genügt und dies auch regelmäßig kontrolliert wird. Gerade in der Leerphase können Sensorangaben und Stellgrößen auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Dabei sollte auch immer kritisch hinterfragt werden, ob die Angaben der Steuerung mit denen der Realität übereinstimmen.
Management
Mit dem Verzicht auf die Schnabelbehandlung steigen die Anforderungen an das Wissen und das Können der Betreuungsperson deutlich an. Somit nimmt das Management schnabelunbehandelter Legehennen generell mehr Zeit in Anspruch. Vor allem für den täglichen Stalldurchgang und die Tierkontrolle sollte mehr Zeit eingeplant werden. Es ist sehr wichtig, frühzeitig Probleme im Bestand zu erkennen. Dafür muss man die Tiere intensiv beobachten, sich regelmäßig die Zeit nehmen, einfach mal für 10 bis 20 Minuten ruhig im Stall zu stehen, die Tiere zu beobachten und bei jeder Stallkontrolle Einzeltiere aufzunehmen und genauer zu beurteilen. Dies hilft, Probleme frühzeitig zu erkennen und rechtzeitig gegensteuern zu können. Denn wenn man bereits Anzeichen für Federpicken und/oder Kannibalismus an den Tieren sieht, ist die Verhaltensstörung bereits weit vorangeschritten. Darüber hinaus erleichtert es das Management erheblich, wenn man die wichtigsten Parameter wie Futteraufnahme, Wasserverbrauch und Gewichtsentwicklung regelmäßig erhebt, dokumentiert und kontrolliert. 
Kostenlose Hilfe
Das bei der Landsiedlung Baden-Württemberg angesiedelte Beratungsprojekt „Haltung unkupierter Legehennen” bietet neben der kostenlosen Vor-Ort-Beratung in ganz Baden-Württemberg die Möglichkeit zur kostenlosen Durchführung von Futter-/Wasseranalysen,  Erfahrungsaustausch, Organisation und Durchführung von Fachveranstaltungen etc. Projektlaufzeit: bis 28. Februar 2018, danach Überführung in Modulberatung Projektleitung: René Roux, Tel. 0176/64456641
Berater:  Christian Weik, Tel. 0711/66774160