Der Wolf polarisiert zwischen „Inbegriff intakter Natur” und „bedrohlichem Raubtier”. Ein Forscherteam der Universität Freiburg und der Hochschule Geisenheim ist jetzt nach umfangreichen Analysen zum Schluss gekommen, dass sich die Ausbreitung des Wolfes negativ auf rechtlich verbindliche Naturschutzziele auswirken könnte.
BLHV-Position zum Wolf wissenschaftlich untermauert: „Es droht eine partielle Aufgabe der Weidewirtschaft gerade auf naturschutzfachlich essenziellen Standorten”, erklärt Nicolas Schoof, Universität Freiburg.
„Die wachsende Population des Raubtieres birgt Konflikte mit Weidetierhaltern und gefährdet einige Naturschutzziele”, schlussfolgert die Albert-Ludwigs-Universität am 7. Januar in einer Pressemitteilung zu den Forschungsergebnissen.
Laut der Mitteilung hat ein Team um Nicolas Schoof und Professor Albert Reif von der Professur für Standorts- und Vegetationskunde der Universität Freiburg und Professor Eckhard Jedicke, Leiter des Kompetenzzentrums Kulturlandschaft sowie des Instituts für Landschaftsplanung und Naturschutz der Hochschule Geisenheim, die bestehende Rechts-
lage ausgewertet und auf Basis verschiedener ökologischer Daten Konfliktlinien und mögliche Lösungsansätze aufgezeigt. Die Forschenden stellen demnach in einer Publikation in der Fachzeitschrift „Naturschutz und Landschaftsplanung” detailliert vor, dass sich die Ausbreitung des Raubtieres negativ auf rechtlich verbindliche Naturschutzziele auswirken könnte.
Hohe Wachstums- und Überlebensrate
Expertinnen und Experten ordneten die in Deutschland
wieder vorkommenden Wölfe zunächst der mitteleuropäischen
Flachlandpopulation zu, wobei davon ausgegangen wurde, dass diese
weitgehend isoliert sei, erklärt Schoof gegenüber der Presse. Neuere
genetische Untersuchungen zeigten jedoch, dass die Population zumindest
im Austausch mit der baltischen Wolfspopulation stehe und deshalb nur
ein geringes Inzuchtrisiko existiere. Das europäische Recht sei sehr
streng und lasse, anders als oft behauptet, keine Bestandsregulierung
zu: „Dadurch kommt es zu einer hohen Wachstums- und Überlebensrate der
Jungtiere”, sagt der Freiburger Forscher, „sodass sich der Wolf in
vielen Ländern ausbreiten kann.”
Das Team um Schoof analysiert, welche Konsequenzen die wachsende
Wolfspopulation und die damit einhergehenden zunehmenden Nutztierrisse
sowie die erforderlichen Herdenschutzerfordernisse in Deutschland für
den Biodiversitätsschutz haben werden. „Es droht eine partielle Aufgabe
der Weidewirtschaft gerade auf naturschutzfachlich essenziellen
Standorten”, erklärt Schoof. Betroffen könnten zum Beispiel Heiden oder
Grünland in Steillagen und auf steinigen Böden sein.
Lebensräume im Bestand bedroht
Diese Lebensräume stehen – wie der Wolf auch – im Fokus
des rechtsverbindlichen Naturschutzes und sind zwingend auf die
Fortführung der Beweidung angewiesen. Anders als der Wolf sind diese
Lebensräume in ihrem Bestand bedroht, so die Universität Freiburg
gegenüber der Presse.
In vielen Fällen kann der Herdenschutz durch neue Zäune stark verbessert
werden, was aber zum Beispiel in steilen Gebirgslagen nicht umsetzbar
ist, teilt die Universität dazu mit. Abhängig von der Größe und
Beschaffenheit der Weiden könnten Herdenschutzhunde eingeführt werden.
Das sei jedoch eine ausgesprochen arbeits- und kostenintensive Option,
die nur für wenige Tierhaltende infrage komme. Vor allem in halboffenen
Weidelandschaften, die – so die Universität – ein essenzieller Baustein
des Biodiversitätsschutzes sind, können Herdenschutzhunde nicht effektiv
eingesetzt werden. Da aber gerade auf diesen Flächen die Probleme durch
Wölfe ansteigen können, seien nur feststehende, wolfabweisende Zäune
eine Lösung, die wiederum großflächige Weideprojekte in ihrer
Raumwirkung beschränken würden.
Einzeltiere bejagen
Generell stelle die zu erwartende Aufrüstung der
Zaunanlagen eine massive Einschränkung anderer Wildtiere dar, die auf Weiden einen optimalen Lebensraum finden. Für die Wissenschaftler
besteht aufgrund dieser Konflikte kein Zweifel, dass die
ordnungsrechtlich mög-
liche jagdliche Entnahme problematischer Einzeltiere wesentlich
vereinfacht und stringent durchgeführt werden muss. Perspektivisch müsse
auch über ein umfassendes aktives Management der Wolfspopulation
nachgedacht und dafür ordnungsrechtliche Änderungen ergriffen werden.
Die Wolfspopulation sei aufgrund der erreichten Individuenzahlen, des
eher geringen Inzuchtrisikos und des aktuell exponentiellen
Populationswachstums nicht gefährdet, argumentieren sie. Einfachere
Lösungen seien nicht in Sicht oder rechtlich noch nicht möglich, betont
Schoof.
Zudem schlagen die Forschenden in ihrer Studie vor, dass zum einen alle
erforderlichen Herdenschutzmaßnahmen vollumfänglich gefördert werden
sollen. „Zum anderen könnte eine bessere finanzielle Förderung der
wirtschaftlich oft unattraktiven Weidetierhaltung etwas zur Mäßigung bei
den bestehenden Konflikten beitragen”, sagt Schoof. „Dadurch würde den
Halterinnen und Haltern von Weidetieren deutlich gezeigt werden, dass
sie wichtige Partnerinnen und Partner sind, wenn es darum geht,
praktischen Naturschutz umzusetzen.”
Der BLHV sieht sich bestätigt
„Die Ergebnisse der Untersuchung der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg bestätigen viele Aussagen des BLHV zum Wolf”, so reagiert dessen 1. Vizepräsident Bernhard Bolkhart auf deren Bekanntgabe. Ebenso wie jetzt die Universität habe der BLHV stets bekundet, dass
- der Wolf keine vom Aussterben bedrohte Tierart ist,
- in vielen Regionen ein Schutz mit Herdenschutzhunden nicht möglich ist,
- ein großflächiger Zaunbau für andere Tierarten eine Bedrohung ist,
- der Wolf zur Aufgabe von Weidehaltung führen wird und somit zum Verlust wertvoller Lebensräume des Offenlandes,eine schnelle Entnahme von Problemwölfen erfolgen muss.
Der BLHV betrachtet die Aussagen der Universität als „absolut neutrale Bewertung”. „Mit unseren Argumenten lagen wir also absolut richtig, und wir sind mit unserem bedachten Vorgehen auf dem einzig richtigen Weg”, schlussfolgert Bolkart.