Politik | 14. Januar 2021

Universität Freiburg: Der Wolf gefährdet Naturschutzziele

Von der BBZ-Redaktion
Der Wolf polarisiert zwischen „Inbegriff intakter Natur” und „bedrohlichem Raubtier”. Ein Forscherteam der Universität Freiburg und der Hochschule Geisenheim ist jetzt nach umfangreichen Analysen zum Schluss gekommen, dass sich die Ausbreitung des Wolfes negativ auf rechtlich verbindliche Naturschutzziele auswirken könnte.
BLHV-Position zum Wolf wissenschaftlich untermauert: „Es droht eine partielle Aufgabe der Weidewirtschaft gerade auf naturschutzfachlich essenziellen Standorten”, erklärt Nicolas Schoof, Universität Freiburg.
„Die wachsende Population des Raubtieres birgt Konflikte mit Weidetierhaltern und gefährdet einige Naturschutzziele”, schlussfolgert die Albert-Ludwigs-Universität am 7. Januar in einer   Pressemitteilung zu den Forschungsergebnissen.
Laut der Mitteilung hat ein Team um Nicolas Schoof und Professor  Albert Reif von der Professur für Standorts- und Vegetationskunde der Universität Freiburg und Professor Eckhard Jedicke, Leiter des Kompetenzzentrums Kulturlandschaft sowie des Instituts für Landschaftsplanung und Naturschutz der Hochschule Geisenheim, die bestehende Rechts-
lage ausgewertet und  auf Basis verschiedener ökologischer Daten Konfliktlinien und mögliche Lösungsansätze aufgezeigt. Die Forschenden stellen demnach in einer Publikation in der Fachzeitschrift „Naturschutz und Landschaftsplanung” detailliert vor, dass sich die Ausbreitung des Raubtieres negativ auf rechtlich verbindliche Naturschutzziele auswirken könnte.
Hohe Wachstums- und Überlebensrate
Expertinnen und Experten ordneten die in Deutschland wieder vorkommenden Wölfe zunächst der mitteleuropäischen Flachlandpopulation zu, wobei davon ausgegangen wurde, dass diese weitgehend isoliert sei, erklärt Schoof gegenüber der Presse. Neuere genetische Untersuchungen zeigten jedoch, dass die Population zumindest im Austausch mit der baltischen Wolfspopulation stehe und deshalb nur ein geringes Inzuchtrisiko existiere. Das europäische Recht sei sehr streng und lasse, anders als oft behauptet, keine Bestandsregulierung zu: „Dadurch kommt es zu einer hohen Wachstums- und Überlebensrate der Jungtiere”, sagt der Freiburger Forscher, „sodass sich der Wolf in vielen Ländern ausbreiten kann.”
Das Team um Schoof analysiert, welche Konsequenzen die wachsende Wolfspopulation und die damit einhergehenden zunehmenden Nutztierrisse sowie die erforderlichen Herdenschutzerfordernisse in Deutschland für den Biodiversitätsschutz haben werden. „Es droht eine partielle Aufgabe der Weidewirtschaft gerade auf naturschutzfachlich essenziellen Standorten”, erklärt Schoof. Betroffen könnten zum Beispiel Heiden oder Grünland in Steillagen und auf steinigen Böden sein.
Lebensräume im Bestand bedroht
Diese Lebensräume stehen – wie der Wolf auch – im Fokus des rechtsverbindlichen Naturschutzes und sind zwingend auf die Fortführung der Beweidung angewiesen. Anders als der Wolf sind diese Lebensräume in ihrem Bestand bedroht, so die Universität Freiburg gegenüber der Presse.
In vielen Fällen kann der Herdenschutz durch neue Zäune stark verbessert werden, was aber zum Beispiel in steilen Gebirgslagen nicht umsetzbar ist, teilt die Universität dazu mit.  Abhängig von der Größe und Beschaffenheit der Weiden könnten Herdenschutzhunde eingeführt werden. Das sei jedoch eine ausgesprochen arbeits- und kostenintensive Option, die nur für wenige Tierhaltende infrage komme. Vor allem in halboffenen Weidelandschaften, die – so die Universität – ein essenzieller Baustein des Biodiversitätsschutzes sind, können Herdenschutzhunde nicht effektiv eingesetzt werden. Da aber gerade auf diesen Flächen die Probleme durch Wölfe ansteigen können, seien nur feststehende, wolfabweisende Zäune eine Lösung, die wiederum großflächige Weideprojekte in ihrer Raumwirkung beschränken würden.
Einzeltiere bejagen
Generell stelle die zu erwartende Aufrüstung der Zaunanlagen eine massive Einschränkung anderer Wildtiere dar, die auf Weiden einen optimalen Lebensraum finden. Für die Wissenschaftler besteht aufgrund dieser Konflikte kein Zweifel, dass die ordnungsrechtlich mög-
liche jagdliche Entnahme problematischer Einzeltiere wesentlich vereinfacht und stringent durchgeführt werden muss. Perspektivisch müsse auch über ein umfassendes aktives Management der Wolfspopulation nachgedacht und dafür ordnungsrechtliche Änderungen ergriffen werden. Die Wolfspopulation sei aufgrund der erreichten Individuenzahlen, des eher geringen Inzuchtrisikos und des aktuell exponentiellen Populationswachstums nicht gefährdet, argumentieren sie. Einfachere Lösungen seien nicht in Sicht oder rechtlich noch nicht möglich, betont Schoof.
Zudem schlagen die Forschenden in ihrer Studie vor, dass zum einen alle erforderlichen Herdenschutzmaßnahmen vollumfänglich gefördert werden sollen. „Zum anderen könnte eine bessere finanzielle Förderung der wirtschaftlich oft unattraktiven Weidetierhaltung etwas zur Mäßigung bei den bestehenden Konflikten beitragen”, sagt Schoof. „Dadurch würde den Halterinnen und Haltern von Weidetieren deutlich gezeigt werden, dass sie wichtige Partnerinnen und Partner sind, wenn es darum geht, praktischen Naturschutz umzusetzen.”
Der BLHV sieht sich bestätigt
„Die Ergebnisse der Untersuchung der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg bestätigen viele Aussagen des BLHV zum Wolf”,  so reagiert dessen 1. Vizepräsident Bernhard Bolkhart auf deren Bekanntgabe. Ebenso wie jetzt die Universität habe der BLHV stets bekundet, dass 
  • der Wolf keine vom Aussterben bedrohte Tierart ist,
  • in vielen Regionen ein Schutz mit Herdenschutzhunden nicht möglich ist,
  • ein großflächiger Zaunbau für andere Tierarten eine Bedrohung ist,
  • der Wolf  zur Aufgabe von Weidehaltung führen wird und somit zum Verlust wertvoller Lebensräume des Offenlandes,eine schnelle Entnahme von Problemwölfen  erfolgen muss.
Der BLHV betrachtet die Aussagen der Universität als  „absolut neutrale Bewertung”.    „Mit unseren Argumenten lagen wir also absolut richtig, und wir sind mit unserem bedachten Vorgehen auf dem einzig richtigen Weg”, schlussfolgert Bolkart.