Tierhaltung | 01. August 2019

Und wohin mit den Althennen?

Von Jutta van der Linde, Margit Jung
Eier aus der Mobilstallhaltung sind gefragt und werden gut bezahlt. Immer mehr Direktvermarkter überlegen daher, in diesen Betriebszweig einzusteigen. Was bei der Planung oft nicht ausreichend bedacht wird, ist die Vermarktung der Althennen.
Auch Mobilhennen gehen irgendwann den Weg aller Althennen.
Weil Direktvermarkter meist mit kleinen Herden einsteigen und mit steigendem Eierbedarf weiterwachsen, sind mehr kleine als große Mobilherden „auf Achse”. Der Bundesverband Mobile Geflügelhaltung (BVMG e. V.) schätzt, dass derzeit zwischen 2500 und 3000 kleine Herden deutschlandweit in Größenordnungen von 100 bis 450 Legehennen mobil gehalten werden. Spätestens nach zwölf bis vierzehn Monaten stellt sich für jede einzelne dieser Herden die Frage: „Wohin mit den Althennen?” Laut dem Verband zeigt sich dann immer wieder, dass sich viele Neueinsteiger beim Kauf des Stalles kaum bis wenig Gedanken über die Vermarktung der Althennen gemacht haben.
Rechtzeitig planen
Nicht jeder Mobilbetrieb liegt strategisch so günstig, dass er seine Tiere sämtlich oder gar überhaupt als Suppenhennen vermarkten kann. Da ist oft der Kontakt zu einem Althennenaufkäufer oder entsprechenden Großabnehmern (Schlachtereien) der bequemere Weg. Nicht selten wundert sich dann der Mobilhalter, dass er bei Abholung kein Geld für seine Tiere erhält, sondern für die Abholung gar einen Obulus entrichten muss.
Obwohl es logisch nachvollziehbar ist, dass der Spediteur bei Abholung von vielen kleinen Partien, üblicherweise geringen Althennenpreisen und weiten Strecken im Bundesgebiet am Markt kaum große Gewinne erzielen wird, kommt beim ein oder anderen Mobilhalter ein ungutes Gefühl auf. Oftmals war ja der Einstiegsgedanke, eine andere Art der Lebensmittelproduktion mit mehr Wertschätzung für Tier und Produkt erreichen zu wollen, da passt eine „Entsorgung” zum Nulltarif nicht ins Gesamtbild.
Hinzu kommt, dass kleine Partien bei den großen Schlachtunternehmen für Suppenhennen einen logistischen Mehraufwand bedingen und somit die Kosten bzw. den Ertrag des Unternehmens mindern. Einer von zwei Großschlachtbetrieben für Althennen in Deutschland gibt an, künftig keine Herden von unter 1000 Tieren mehr abholen zu wollen. Im Gegenzug hören immer mehr kleinere Schlachtereien auf, weil gesetzliche Auflagen und Kosten steigen. Diese Situation dürfte vor dem Hintergrund weiterer in Betrieb gehender Mobilställe irgendwann zum Problem werden, wenn die Betriebe nicht beim Start schon ein schlüssiges Vermarktungskonzept für ihre Althennen stehen haben. Einzelne Bundesländer fordern solche Konzepte bei Genehmigungs- oder Förderverfahren bereits ein.
 
Lohnschlachtung und mobiler Schlachtbetrieb
Mit Blick auf seine Erlössituation kommt bei so manchem direktvermarktenden Betrieb der Gedanke auf, die Althennen selbst an den Verbraucher zu veräußern. Dies mag für eine Herde von 70 bis 100 Tieren bei entsprechend aktiver Bewerbung noch einigermaßen gelingen, bei Beständen von 200 bis 400 Tieren wird es jedoch zur Herausforderung. Der überwiegende Teil der Mobilstallbetreiber gehört zu den sogenannten „Quereinsteigern”, die ohne tiefere Kenntnisse von Haltungs- und Gesetzesfragen ins Abenteuer mobile Legehennenhaltung starten.
Wohl dem, der vorher einen Intensiv- oder Einsteigerkurs besucht hat, um sich immerhin über grundlegende Dinge zu informieren. Zum Thema Althennen herrscht beim Hühnerhalter oft der Optimismus „Es wird schon werden, die verkaufe ich dann als Suppenhühner – bei den Kollegen klappt es ja auch.”
Was dabei nicht bedacht wird, ist, dass die günstigen Schlachtzeitpunkte für Altherden üblicherweise nach Ostern in den Sommer hinein liegen. Dann ist aber eher das saftige Steak für den Grillabend angesagt, bei sommerlicher Hitze sind die Gelüste nach einer heißen Hühnersuppe im Kundenkreis eher verhalten.
Erreicht eine Legehennenherde ihr übliches Alter zur Schlachtung und möchte der Mobilhalter diese Tiere über seine Direktvermarktung veräußern, stellt sich zunächst die Frage, wo die Tiere geschlachtet werden sollen. Eine Eigenschlachtung wird meist schnell verworfen, gesetzliche Auflagen und Anforderungen an Räume und Technik stellen sehr schnell dar, dass eine solche Investition für ein bis zwei Schlachtungen von Althennen im Jahr jegliche Ökonomie sprengt, ganz zu schweigen von der benötigten Sachkunde für die Schlachtung.
Mit viel Glück findet sich im Einzugsgebiet ein Schlachtbetrieb, der die Zulassung zum Schlachten fremden Geflügels hat. Hier sind für die Logistik geeignete Transportkisten und Fahrzeuge, bei Entfernungen über 65 km auch noch entsprechende Sachkunde erforderlich. Dabei stöhnt der Hühnerhalter nicht selten über den logistischen Aufwand, der zu betreiben ist, um seine Althennenherde in den vermarktungsfähigen Zustand zu bringen.
Denn sind die Tiere erst einmal geschlachtet, kann er sie nicht einfach im ungekühlten Zustand einpacken und heimfahren, sie müssen erst herunter- und durchgekühlt werden. Somit ist am nächsten Tag eine zweite Tour fällig, um das auf unter 4 °C heruntergekühlte Lebensmittel abzuholen. Die Kühlkette ist für das empfindliche Produkt Geflügelfleisch beim Transport einzuhalten. Der vorschriftsmäßige Transport hat über ein Kühlfahrzeug oder einen Kühlanhänger am Pkw zu erfolgen. Sehr viel bequemer ist hier, die Dienstleistung der Schlachtung über einen mobilen Schlachtbetrieb einzukaufen, sofern einer in der Region verfügbar ist.
Dieses Unternehmen fährt auf den Hof und schlachtet die Herde direkt auf seinem entsprechend ausgestattetem Lkw im Lohn. In dem Fall hat der Betrieb für einige Grundlagen zu sorgen, unter anderem gehört natürlich dazu, dass er über einen entsprechend leistungsfähigen Kühlraum seine geschlachteten Tiere schnellstmöglich auf die vorgeschriebenen Temperaturen von unter 4 °C herunterkühlen kann. Es ist damit zu rechnen, dass künftig der Bedarf an mobilen Schlachteinheiten wächst, weil auch die Anzahl der mobilen Haltungen und somit kleinen Herden weiterhin im Wachstum begriffen ist.  
Wie vermarkten?
Durchdacht sein muss auch das anschließende Vermarktungskonzept. Denn was nutzt ein mobiler Schlachter, der 300 Hennen auf dem Hof schlachtet, wenn 200 davon nach einem Jahr immer noch in der  Gefriertruhe liegen? Bei einer Suppenhenne handelt es sich nicht in jeder Region um einen Verkaufsschlager in der Direktvermarktung – Mobilhenne hin oder her.
Viele Haushalte kaufen lieber Fertigprodukte, zum Beispiel Hühnersuppe im Glas. Vielen Mobilhaltern und Direktvermarktern von Althennen sind die gesetzlichen Regelungen nicht bis ins letzte Detail geläufig. So werden oft gekühlte Suppenhennen als Frischware über einen Zeitraum von fünf bis sechs Tagen an Kunden verkauft.
Den Rest friert man dann eben ein und verkauft ihn als gefrorene Suppenhennen. Dies ist nicht erlaubt! Wer Suppenhennen nicht zeitnah nach der Schlachtung einfriert, darf diese nicht mehr an Endkunden veräußern, sondern allenfalls zu durchgegarten Produkten verarbeiten. Für eine solche Verarbeitung sind umfangreiche Genehmigungsverfahren und finanzielle Aufwendungen erforderlich, welche die wenigsten Kleinbetriebe in Angriff nehmen.  
Ein Praxisbeispiel
Der Verbraucher möchte sehen, was er kauft: Die Optik trägt entscheidend zum Erfolg der Vermarktung bei.
Margit Jung, engagierte Direktvermarkterin und Mitgliedsbetrieb im BVMG, hat diesen Schritt gewagt. Familie Jung betreibt in ihrem landwirtschaftlichen Betrieb in Hessen mittlerweile sechs Hühnermobile in verschiedenen Größenordnungen. Eine Abgabe von Althennen zum Nulltarif kam für Margit Jung nicht in Frage, ihr ging es um volle Wertschöpfung sämtlicher Produkte aus den Mobilställen.
Mit dem Wachstum des Mobilhennenbestandes wuchsen auch stetig die Anforderungen der zuständigen Genehmigungsbehörde.  Es musste in ein Kühlhaus für Geflügel und ein Gefrierhaus investiert werden, weiterhin in Verpackungs- und Verarbeitungsraum, Sozialräume für Mitarbeiter, Packstelle für Eier, Gewerbeküche, Büroräume, Lager und natürlich einen kleinen Laden. Ein Umbau, der im sechsstelligen Bereich lag, war überhaupt nicht mehr zu vermeiden. Finanziell ein ordentlicher Schluck aus der Pulle, aus heutiger Sicht für Margit Jung aber ein Schritt in die richtige Richtung für die betriebliche Weiterentwicklung. Ihrer Ansicht nach stirbt die Generation, die regelmäßig Suppenhühner kauft und verarbeitet, langsam aus. Mit dieser Erkenntnis und vielen Überlegungen wurde die Genehmigungserlangung zur Verarbeitung ihrer Suppenhühner im eigenen Betrieb in Angriff genommen, jüngst wurde die EU-Zulassung zur Vermarktungsmöglichkeit an den LEH aufgesattelt.
Grundvoraussetzung für die Verarbeitung ist die Schlachtung der Althennen in einem EU-Betrieb. Ohne die EU-Nummer des Schlachtbetriebes ist eine Verarbeitung nicht gestattet. Wer diesen Schritt angeht, darf vor Dokumentationspflichten keine Angst haben: HACCP-Konzept, Rückstellproben, Kennzeichnung der Chargen und  Speicherung von Autoklavierungsdiagrammen sind nur ein Bruchteil der Pflichten, die auf einen solchen Betrieb zu kommen.
Lange bevor eine EU-Zulassung angegangen wird, muss man sich über die Art der Verpackung Gedanken machen. Hühnersuppe ist ein empfindliches Produkt und kippt schnell um. Hier kommt nur eine thermische Haltbarmachung in Frage. Eine Halbkonserve muss nach dem Kochdurchgang durchgehend gekühlt werden und ist maximal sechs Monate haltbar. 
Spielt ein Mobilhalter mit dem Gedanken, seine Schlachthennen verarbeiten zu lassen, muss er sich über die Größenordnungen im Klaren sein: 160 Legehennen ergeben in der Verarbeitung schnell 350 bis 400 Gläser Suppe mit circa 380 ml Inhalt. Nicht jeder Landwirt hat entsprechend große Kühlräume, um diese Mengen zu lagern, ganz zu schweigen von rund 1000 Gläsern aus einem Mobilstall mit 400 Althennen.
Eine Vollkonserve dagegen kann ungekühlt überall stehen und hat ein Mindesthaltbarkeitsdatum von zwölf Monaten. Hier macht sich die Anschaffung eines Autoklaven allemal bezahlt. Bei der Anschaffung dieses Gerätes und  sonstigen Einrichtungsgegenständen kommen schnell noch einmal 30000 Euro zusätzlich ins Spiel. Hinzu kommen Kosten für Autoklavenschulungen, EU-Zulassung, Produktbeprobungen, Gewerbeanmeldung, Arbeitskleidung, Etikettenprüfung, Druckkosten, Verpackungslizenzen und sonstige Entsorgungskosten.
Eine grundlegende, erfolgsabhängige Entscheidung trifft der Verarbeiter bei der Wahl der Verpackung. Suppe im Glas oder Weckglas bietet sich hier an. Der Verbraucher möchte sehen, was er kauft. Die Optik der Hühnersuppe und ein ansprechendes Etikett tragen entscheidend zum Erfolg der Vermarktung bei.
Der Betrieb Jung verarbeitet für Mitglieder des Bundesverbandes wahlweise Hühnersuppe im Glas mit oder ohne Gemüse und Fond im Lohn. Für ein Glas Hühnersuppe mit Gemüse lassen sich je nach Region des Betriebes fünf bis sechs  Euro erzielen in der Direktvermarktung. Hühnersuppe ist Saisonware, die absatzstärkste Zeit ist von September bis April.
Fazit
Festzuhalten bleibt: Auch die mobile Suppenhenne ist kein „Selbstläufer”. Der Erfolg einer Althennenvermarktung ist überwiegend vom persönlichen Engagement und Geschick des Hühnerhalters abhängig. Hilfen bieten die Werbematerialien, die der BVMG speziell zur Unterstützung seiner Mitglieder erstellen ließ. Eine frühzeitige Bewerbung ist empfehlenswert, auch aktives Zugehen  auf die Verbraucher, und gleich ein leckeres Rezept an die Hand geben zu können bringt das Lebensmittel Suppenhuhn der modernen Hausfrau wieder näher.