Die Diskussion um eine differenzierte Anpassung der Mehrwertsteuersätze auf Lebensmittel hält an. So will die Fleischwirtschaft das nicht, während die Fruchtsaft-Industrie ganz anders argumentiert.
Der Verband der deutschen Fruchtsaft-Industrie unterstützt Forderungen nach einer Mehrwertsteuerbefreiung von pflanzlichen Lebensmitteln.
Die Fleischwirtschaft lehnt eine Differenzierung der Mehrwertsteuer bei Lebensmitteln und eine Schlechterstellung tierischer Erzeugnisse ab. Für 90 Prozent der deutschen Bevölkerung gehöre Fleisch zu einer ausgewogenen Ernährung, so die Argumentation. „Wer also Verbraucherinnen und Verbraucher entlasten möchte, muss dies in der ganzen Breite der Grundnahrungsmittel machen”, forderte das Vorstandsmitglied vom Verband der Fleischwirtschaft (VdF), Hubert Kelliger, vergangene Woche in Bonn und mahnte eine steuerliche Gleichbehandlung aller Grundnahrungsmittel an.
Generell senken
Für Kelliger ist eine generelle Mehrwertsteuersenkung
bei Lebensmitteln „ein gutes Instrument, um die Kosten des täglichen
Einkaufs nicht weiter explodieren zu lassen”. Das müsse dann jedoch für
alle Grundnahrungsmittel gelten, wenn Menschen mit geringen Einkommen
nicht überfordert werden sollen. „Wer nur für Obst und Gemüse
steuerliche Vorteile vorsieht, will den Menschen auf den Teller regieren
und fördert gleichzeitig vor allem ausländische Hersteller”, warnte der
VDF-Vorstand.
Demgegenüber unterstützt der Verband der deutschen Fruchtsaft-Industrie
Forderungen nach einer Mehrwertsteuerbefreiung von pflanzlichen
Lebensmitteln. Die Assoziation ökologischer Lebensmittelhersteller (AöL)
wandte sich gegen eine temporäre Aussetzung der Mehrwertsteuer für
Grundnahrungsmittel. Nötig sei stattdessen ein Konzept, das wahre Preise
von Lebensmitteln sichtbar mache. Greenpeace sieht sich durch eine
Studie in seiner Forderung bestätigt, die Lenkungswirkung der
Mehrwertsteuer auf Lebensmittel zu nutzen. Nach der von Greenpeace in
Auftrag gegebenen Studie des Öko-Instituts würde eine Anhebung der
begünstigten Mehrwertsteuer für Fleisch und Milchprodukte auf den vollen
Satz sowie eine Mehrwertsteuerbefreiung von Obst und Gemüse die
Verbraucher finanziell entlasten und zugleich Treibhausgasemissionen aus
der Landwirtschaft vermindern. Demnach würde die jährliche Entlastung
in Deutschland im Durchschnitt 29,80 Euro, in den Niederlanden 48,10
Euro betragen.
Gesunde Produkte günstiger machen
„Mit einer kombinierten Reform der Mehrwertsteuer, die
gesunde Produkte günstiger und klimaschädliche teurer macht, kann die
Bundesregierung gleichermaßen wirkungsvoll die Menschen unterstützen,
die jetzt den Druck der Inflation spüren, und zugleich die Erderhitzung
bekämpfen”, erklärte Greenpeace-Landwirtschaftsexperte Matthias
Lambrecht.
Laut VdF-Vorstand Kelliger würde hingegen eine nur für Obst und Gemüse
vorgenommene Mehrwertsteuersenkung einseitig die Produktion im Ausland
unterstützen, „bei der wir keinen Einfluss auf die
Produktionsbedingungen haben”. Der Selbstversorgungsgrad betrage bei
Obst nur etwa 20 Prozent und bei Gemüse 36 Prozent; bei Tomaten seien es
sogar nur zehn Prozent. Kelliger zufolge widerspricht eine vegetarische
oder vegane Ernährung dem Wunsch nach Regionalität. Sie setze darauf,
„dass ganzjährig in anderen Weltregionen für unsere Verbraucher
Lebensmittel produziert werden”. Gesundheit sei ein komplexes
Zusammenspiel vieler Faktoren. „Dazu gehören Vorsorge, medizinische
Versorgung, Bewegung und natürlich auch eine ausgewogene Ernährung”,
erläuterte der VdF-Vorstand.
Ganz anders argumentiert die Fruchtsaft-Industrie: „Wenn Obst und Gemüse
für die Verbraucherinnen und Verbraucher billiger gemacht werden
sollen, um sie vergleichsweise kostengünstig von den enormen
Preissteigerungen zu entlasten und eine ausgewogene Ernährung zu
fördern, dann gehören Frucht- und Gemüsesäfte konsequenterweise in
dieser Diskussion dazu. Deshalb sprechen wir uns für eine Senkung der
Mehrwertsteuer auf Frucht- und Gemüsesäfte aus”, erklärte
Verbandsgeschäftsführer Klaus Heitlinger. Nach seinen Angaben werden
Frucht- und Gemüsesäfte aktuell als Getränk mit 19Prozent und damit
nicht als pflanzliches Lebensmittel mit sieben Prozent besteuert.
„Frucht- und Gemüsesäfte bestehen aber zu 100 Prozent aus Früchten oder
Gemüse mit der entsprechenden Nährstoffdichte”, stellte Heitlinger klar.
Von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) würden sie deshalb
nicht als Getränk, sondern als pflanzliches Lebensmittel eingestuft.