Ein Raubtierangriff hat in Bad Wildbad am 30. April 43 Schafen das Leben gekostet. Fachleute gehen von einem einem einzelnen Wolf aus. Die Schafweide wurde just zum „Schlachtfeld”, als der Naturschutzbund den „Tag des Wolfes” beging und von einer positiven Stimmung in der Bevölkerung berichtete.
Trauriges Aufräumen nach dem Gemetzel auf einer Schafweide in Bad Wildbad: Schafkadaver auf der Ladefläche eines Fahrzeugs.
„Wenn ein Wolf in einem umzäunten Gebiet auf eine Herde Beutetiere trifft, beißt er weiter zu, solange sich etwas bewegt”, erläutert Johannes Erretkamps, Wildtierökologe an der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA), gegenüber der BBZ, dass dies bei einem Wolf nicht verhaltensauffällig sei. Man nenne das Phänomen „Surplus killing”, der Wolf tötet also im Überschuss oder im Überfluss.
Wolf tötet im Überfluss
Ein derartiges „Surplus killing” hat am Montag
in Bad Wildbad aller Wahrscheinlichkeit nach stattgefunden. Erretkamps
zufolge war der Täter von Bad Wildbad nach ersten
Untersuchungsergebnissen vermutlich ein einzelner Wolf. Für Gewissheit
werden erst die ausgewerteten genetischen Proben sorgen. Das könne zwei
bis vier Wochen in Anspruch nehmen.
„22 der 43 toten Schafe wurden gerissen, weitere elf mussten wegen der
Verletzungen notgeschlachtet werden, zehn ertranken im Wasser und zehn
weitere sind noch am Leben, aber verletzt”, bilanziert Anette Wohlfarth.
„Man wusste, dass es so weit kommen wird. Es ist tragisch, dass es so
weit kommen musste”, sagt die Geschäftsführerin des
Landesschafzuchtverbandes Baden-Württemberg am Mittwoch noch ziemlich
mitgenommen vom „Bild des Grauens”, das sich ihr am Montag geboten habe.
Auf die Frage nach den Perspektiven für Weidetierhalter angesichts des
Bedrohungsszenarios durch den Wolf sagte sie: „Es gibt keine
Perspektiven.” Natürlich würden Herdenschutzmaßnahmen getestet,
erläuterte Wohlfarth. Sie bezweifelte gleichzeitig jedoch, dass
Herdenschutz in Baden-Württemberg flächendeckend
funktioniere.
Landschaftspflege kontra Wolf?
So habe im konkreten Fall von
Bad Wildbad der Schafhalter am Bach gar keinen Zaun anbringen
können. Zudem wies sie darauf hin, dass Schutzmaßnahmen gegen den
Wolf mit den Vorgaben des Landschaftspflegeauftrags der Schäfer
kollidieren könnten. Woraus dann wieder behördliche Anlastungsrisiken
entstünden.
Auch Fragen des Tierwohls und des Tierschutzes seien mit dem Schutz vor
dem Wolf schwer vereinbar. So machte Anette Wohlfarth darauf aufmerksam,
dass der betroffene Schäfer von Bad Wildbad auf gesellschaftlich
gewünschte Offenställe setze. Deshalb seien jetzt am Stall Nachtwachen
nötig geworden.
Als „glücklichen Umstand” im Unglück bezeichnete die Geschäftsführerin
des Schafzuchtverbandes, dass die angegriffenen Tiere Richtung Bach
geflüchtet seien, denn das Grundstück liege an einer stark
befahrenen Straße.
NABU: „Tragischer Vorfall”
Der Naturschutzbund (NABU) Baden-Württemberg zeigt
sich betroffen von dem Wolfangriff. Dessen Vorsitzender Johannes Enssle
sprach von einem „tragischen Vorfall”. Der Schaden werde aus dem
Wolfsrissfonds entschädigt. „Das ist aber dennoch kein echter Trost für
den Schaden, den dieser emotional bei den Betroffenen anrichtet”, wird
Enssle im Internet zitiert.
Schwarzer „Tag des Wolfes”
Der schwere Angriff des vermuteten Einzelwolfs geschah
just am „Tag des Wolfes”, den der NABU ausgerufen hat, um die Rückkehr
des Großraubtieres werblich zu begleiten.
Zudem veröffentlichte der NABU gerade eine Umfrage, die er selbst vom
Meinungsforschungs Institut Forsa durchführen ließ. Demnach freuen sich
79 Prozent der über 2000 Befragten über die Rückkehr des Wolfes nach
Deutschland. 30 Prozent äußerten allerdings auch Angst, in einem Gebiet
mit Wolfsvorkommen in den Wald zu gehen.
Räpple fordert praktikable Lösungen
„Das tragische Ereignis in Bad Wildbad zeigt, dass Herdenschutz mit Hunden und Zäunen in Baden-Württemberg nicht flächendeckend möglich ist. Wolfsrisse können nur verhindert werden, wenn man den Wolf nachhaltig vergrämt und ihn von Weidetieren fernhält. Gelingt das nicht, müssen auffällige Wölfe auch geschossen werden”, äußert sich BLHV-Präsident Werner Räpple zur blutigen Wolfattacke in Bad Wildbad. Räpple fordert, dass jetzt praktikable Lösungen umgesetzt würden müssten und dass man damit aufhören sollte, unrealistische Schutzmaßnahmen schönzureden.Räpple erwartet, dass die Verluste des Schäfers schnell und unbürokratisch entschädigt werden. Dabei müsse berücksichtigt werden, dass auf diesem Standort keine „wolfssichere” Umzäunung möglich gewesen sei. Abschließend erinnert der südbadische Bauernpräsident, dass der Vorfall noch tragischere Folgen hätte haben können: „Wären die Schafe in Panik auf die nahe gelegene Straße geflüchtet, dann hätten sie dort einen schwerwiegenden Verkehrsunfall verursachen können. Wir können von Glück im Unglück sprechen, dass es zu keinen Personenschäden kam.”