Land und Leute | 07. September 2022

Steinige Vogesen mit Ausblicken

Von Sylvia Pabst und Silke Kohlmann
Urlaub bei uns: Vom Oberrhein ist es nur ein Katzensprung rüber nach Frankreich, und so stellen wir dieses Mal zwei spannende Wandertouren vor. Für Familien bieten sich bei Ottrott Wunderpfad, Riesenfelsen und die Grotte von Etichon an. Und oberhalb von Munster lockt der Felsenpfad.
Der Sentier des Roches ist an schwierigen       Stellen mit Geländern gesichert.
Uriger Wald, viele Felsen mit Steilabstürzen, Schluchten, schmaler Pfad entlang von Abhängen und später eine wunderbare Hochebene mit der entsprechenden Aussicht: Wer es beim Wandern ein bisschen anspruchsvoller mag und zudem schwindelfrei und trittsicher ist, wird am Felsenpfad Sentiers des Roches in den Vogesen seine Freude haben. Wir wählen den kürzeren, etwa 6 Kilometer langen Rundweg.
Der Einstieg ist am Parkplatz Col de la Schlucht gut ausgeschildert. Wir gehen hier direkt in den Wald, anfangs gibt es immer wieder Ausblicke hinüber zur Passstraße und den gegenüberliegenden Felsen.
Bald schon heißt es Obacht geben, denn der Pfad wird steiniger und schlängelt sich entlang bemooster Steine den Felsen entgegen. Aber keine Sorge, schwierige Passagen sind mit Geländern und Drahtseilen gesichert, wirklich „gefährlich” ist der Weg bei entsprechender Vorsicht nicht. Zum Teil führt er über Treppen und einmal sogar mitten durch einen Felsdurchgang hindurch, ebenso passieren wir Geröllfelder. Die Anstrengung wird von wunderbaren  Ausblicken in die Täler der Vogesen reichlich belohnt.
Kurz nach dem Krappenfels führt die Runde zickzack bergauf durch den Laubwald an einer Höhle vorbei zu einer tollen Hochebene mit ebenfalls grandioser Aussicht bis hin zum Hohneck. Schmetterlinge flattern und die Grillen unterhalten mit ihrem Zirpen.  Vogesenrinder, gut erkennbar an ihrem typischen weißen Streifen vom Nacken bis zum Schwanz, grasen hier: Die Ferme Auberge Trois Fours ist nicht weit. Die Leckereien dort reichen von Münsterkäse über Presskopf, Roïgabrageldi  (Kartoffeln, Speck und Zwiebeln zusammen in der Pfanne gebraten), Heidelbeertarte bis hin zu Siesskas.   
Vom Berggasthof laufen wir die Zufahrtstraße entlang, bis  wir nach rund 400 Metern den Abzweig rechts nehmen. Wir folgen dem roten Dreieck durch  lichten Wald und sind in etwa 45 Minuten zurück am Parkplatz Col de la Schlucht.
Ratsam ist es, den Felsenpfad möglichst früh am Morgen und unter der Woche zu erobern – außer, man mag es, im Pulk zu wandern – die Schönheit der Runde hat eben ihren Preis. Wichtig: Knöchelhohe Wanderschuhe sind hier ein Muss, Kinder sollten am besten mindestens im Grundschulalter sein, wer für sie ein Sicherungsseil dabei hat, dürfte gut vorgesorgt haben. Und Achtung: Bei feuchtem Wetter ist der Weg mit seinen vielen Felsen gefährlich rutschig – dann besser eine Alternative für den Tag suchen und trockenes Wetter abwarten. Übrigens: Wer auf die Idee kommt, die Runde entgegen dem Uhrzeigersinn zu laufen, sollte sie am besten gleich wieder verwerfen: Der Pfad ist stellenweise so schmal, dass „Gegenverkehr” keine Freude macht – und die allermeisten starten eben am Col de la Schlucht!
Anfahrt: Aus Richtung Colmar kommend  auf der D417 durchs Münstertal (Vallée de Munster) über Munster und Soultzeren zum Col de la Schlucht. Ab Centre Munster  braucht der Bus 1c Richtung Gerardmer 25 Minuten bis zur Passhöhe. Im Juli und August fährt er meist auch werktags. Info: www.kurzelinks.de/7spx

Naturschönheiten
Auf geht’s nach oben – Stufe für Stufe.
Eine schöne Familientour in wunderbarer Landschaft bietet sich  etwa 30 Kilometer südwestlich von Straßburg: Wir starten unsere Wanderung in Ottrott am Fuße des Mont St. Odile. Der kleine Ort versammelt viele Hotels und Herbergen für Pilgerinnen und Pilger, die sich auf den Weg zum Kloster auf dem Odilienberg machen. Das Kloster und den Trubel sparen wir aber lieber aus – wir wollen die Naturschönheiten im Hintergrund entdecken.
In Ottrott  steigen wir zunächst die Rue des Châteaux hinauf, biegen links in die Rue du Mont Sainte Odile ein und erreichen an deren Ende den Wanderweg am Waldrand. Wir folgen dem Pilgerweg (Sentier des Pèlerins) mit dem orangen Kreuz. Das Wegzeichen führt uns immer leicht ansteigend Richtung Süden. Der Wald ist zunächst dunkel und trist, wird aber bald heller. Irgendwann erreichen wir die Kapelle St. Gorgon. Schilder warnen davor, sich ihr zu nähern, sie liegt am Rande eines enormen, inzwischen stillgelegten Steinbruchs.
Weiter geht’s bergan, an der folgenden Weggabelung wählen wir den rechten Weg und sind bald am Schild, das uns den Wunderpfad ankündigt. Nun folgen wir dem Wanderzeichen mit dem gelben Dreieck. Bald geht der breite Weg in einen schmalen Bergpfad über. Farn streckt seine grünen Wedel aus, Heidelbeersträucher wachsen am Wegrand und die Bäume geben den Blick frei auf Burg Ottrott auf dem waldigen Hügel gegenüber.
Wir steigen über Wurzeln und immer mehr Felsen  Richtung Mont Hohenbourg hinauf. Er liegt oberhalb der Rochers des Géants und bietet eine tolle  Aussicht. Darum lohnt sich dieser Abstecher unbedingt. Hier ist mit Kindern aber auch große Vorsicht geboten: Ab der Weggabelung, wo nur noch zwei Minuten Strecke bis zum Mont Hohenbourg angezeigt sind, nehmen wir die beiden Jüngsten an die Hand – und besteigen ruckzuck das Felsplateau. Nervenkitzel ist angesagt: Am Rande der Klippen geht es senkrecht nach unten.
Wir halten uns im Hintergrund und bestaunen das fantastische Panorama über die Orte am Fuß der Vogesen hinweg bis ins Rheintal. An klaren Tagen blickt man bis zu den Höhen des Schwarzwalds.
Wir lassen uns zu einem Picknick nieder, wandern gestärkt wieder zum Fuße der Felsen zurück, wo der Wunderpfad startet (nun folgen wir den Schildern Richtung Stollhafen). Bald stehen wir unterhalb des Plateaus und erkennen die merkwürdigen Formen der Felsen: Rundgeschliffene Türme sind es, mehr als 30 Meter hoch, im hellen Rotton des Vogesensandsteins. Die Kinder halten sich mit dem Blick auf die skurrilen Formen nur kurz auf. Für sie viel wichtiger: die Holztierfiguren des Wunderpfads, die jetzt den Wald rechts und links bevölkern. „Da, eine Eule! Und schaut mal, das süße Reh!”
Der Pfad führt eben am Hang entlang, mal wandern wir unter einem Felsvorsprung hindurch, mal steigen wir eine steile Steintreppe hinauf. Und irgendwann erreichen wir die Mur Païen, die Heidenmauer. Moosbewachsene Steine türmen sich, oft drei Meter hoch, zu einer Wand. Sie zieht sich wie ein Schutzwall auf einer Länge von zehn Kilometern rund um den Odilienberg – und stellt Archäologinnen und Archäologen  vor ein Rätsel: Zu welchem Zweck und wann die mächtige Mauer gebaut wurde, ist  nicht geklärt. In ihrem Schatten wandern wir der Grotte d’Etichon entgegen, einer natürlichen Einkerbung im mächtigen Fels. Der Legende nach zog sich Herzog Eticho, Vater der von ihm verstoßenen Odilia, kurz vor seinem Ende hier zurück, um seine Sünden  zu verbüßen. Noch heute bietet die Grotte Unterschlupf – für neugierige Kinder, die dort im dunklen Innern Magisches vermuten.
Nach einer kleinen Rast wandern wir Richtung Stollhafen. Dieser Felsen mit schöner Aussicht ist der Wendepunkt unserer Tour. Hier steigen wir hinunter auf unseren Rückweg. Das gelbe Kreuz führt uns auf dem Pilgerweg zurück nach Ottrott – mit vielen schönen Eindrücken im Gepäck.
Die Tour ist 9,2 Kilometer lang. Die  Buslinie 257 fährt von Obernai (Gare Paul-Emile Victor) in 11 Minuten nach Ottrott, Ausstieg an der Haltestelle Pont de l’Ehn. Info: www.kurzelinks.de/d9kz. Wer mit dem Auto kommt, nimmt auf der französischen Autobahn A 35 die Ausfahrt 12 Richtung Obernai und fährt von dort weiter nach Ottrott. Ein Parkplatz ist hier:  99 Rue Principale.