Land und Leute | 19. August 2021

Entdeckungen: Landwirtschaft weltweit und heimische Angebote

Von Katja Brudermann
Urlaub bei uns: Allein die Bezeichnung Weltacker klingt spannend. Was sich dahinter verbirgt, lässt sich in Andelshofen erkunden. Dort wird gezeigt, wie groß die Ackerfläche ist, die theoretisch jedem Menschen auf der Erde zusteht: 2000 Quadratmeter. Und bei Lippertsreute lockt eine Rundtour zu Hofläden.
Blick von oben auf den Weltacker. Hier wachsen unterschiedliche Kulturen aus verschiedenen Regionen.
Wie die Fläche von 0,2 Hektar aktuell und weltweit genutzt wird, stellt der Weltacker anschaulich dar. Bei einem Rundgang macht es Sinn, die Dimensionen, die Bedeutung dieser Fläche, auf sich wirken zu lassen: So also sieht das Stück Erde aus, das mir zur Verfügung stünde, wenn jeder Mensch auf diesem Planeten gleich viel Fläche zugeteilt bekäme. Und da findet sich einiges: Knapp die Hälfte ist mit Getreide bestückt. Davon machen Weizen, Reis, Mais und Hirse rund 90 Prozent aus. Der Rest verteilt sich auf insgesamt rund 300 verschiedene Getreidearten, zum Beispiel Dinkel, Emmer, Gerste oder Triticale. Nur knapp die Hälfte der weltweiten Getreideernte fließt direkt in die menschliche Ernährung. Ein gutes Drittel wird an Tiere verfüttert, und knapp 20 Prozent dienen der Energiegewinnung, beispielsweise in Biogasanlagen. Darüber hinaus wachsen Sojabohnen, Kartoffeln und andere Wurzelfrüchte, Ölpflanzen wie die Ölpalme oder hierzulande der Raps, Obst, Gemüse und Baumwolle auf den weltweiten Ackerflächen und, soweit es das Klima erlaubt, auch auf dem Überlinger Weltacker.
Auf die Erdschicht kommt es an
Auf dem Weltacker sorgen Führungen für     Einblick in landwirtschaftliche Themen.
Aber aufgepasst: Ackerfläche beschreibt das, was einen Acker ausmacht, nur bedingt. Das Bodenprofil, das auf dem Gelände angelegt ist, macht deutlich: Der eigentliche Ackerboden, der das Wachstum von Nutzpflanzen ermöglicht, befindet sich unter die Erdoberfläche. Je nach Standort und Beschaffenheit reicht die Bodenschicht, die durchwurzelt, belebt und mit organischer Substanz angereichert ist, wenige Zentimeter bis zu mehreren Metern in die Tiefe. Im Verhältnis zur Erde insgesamt mit ihrem Durchmesser von rund 12 000 Kilometern ist die fruchtbare Erdschicht nicht mehr als nur eine dünne Haut.
Eine Führung übers Gelände dauert etwa anderthalb Stunden und gibt einen Einblick in unzählige Themen, die mit der globalen Landwirtschaft zusammenhängen. Wenn es einzig darum geht, eine ausgewogene Ernährung bereitzustellen, dann reicht die Fläche locker für einen Menschen: Bei einem Ertrag von fünf Tonnen je Hektar erntet man auf 1000 Quadratmetern 500 Kilo Reis – von 1,37 Kilo am Tag wird ein Mensch  mehr als satt, und es bleibt noch genug Fläche für die Beilage. Doch je mehr Fläche man nun für Biodiesel, nachwachsende Rohstoffe, Baumwolle und auch Tierfutter verwendet, und je mehr Lebensmittel nicht verzehrt, sondern aus verschiedensten Gründen weggeworfen werden, desto fragwürdiger wird, ob die vorhandene Ackerfläche für alle Menschen ausreichen kann. Eine intensive Landwirtschaft erreicht kurzfristig höhere Erträge und schafft damit mehr Spielräume, neben Lebensmitteln eben auch nachwachsende Rohstoffe anzubauen. Landwirtschaftliche Techniken, die den Boden schonen und langfristig fruchtbarer machen, sorgen für etwas niedrigere, aber dafür langfristig gesehen stabile Erträge und senken den Rohstoffverbrauch, der für die Bewirtschaftung anfällt. Denn ein humusreicher, tief durchwurzelter Boden kommt mit weniger Schlepperfahrten und mit weniger Mineraldünger aus.

Eine andere Art von Lernen
Der Weltacker ist ein Lernfeld. „Wir versuchen hier eine andere Art von Lernen zu ermöglichen”, erklärt Benjamin Fäth, der das Überlinger Projekt initiiert hat, „es geht nicht darum zu vermitteln, was richtig und was falsch ist. Wir wollen vielmehr einen Blickwinkel auf die Landwirtschaft auftun, der für Verbraucher und Erzeuger gleichermaßen neu ist und zum Fragen nach politischen und persönlichen Handlungsspielräumen anregt.”
So authentisch wie möglich möchte das Weltacker-Team die reale Situation des weltweiten Ackerbaus darstellen. Damit taucht auch die Frage auf, ob, und wenn ja, wie tropische und subtropische Kulturen in Überlingen gedeihen können. „In Gewächshäusern benachbarter Betriebe können wir Pflanzen vorziehen, für die unsere Vegetationsperiode zu kurz wäre. Manche Kulturen haben hier einfach keine Chance. Statt Zuckerrohr haben wir stellvertretend für die süßenden Genusspflanzen die Zuckerhirse gesetzt”, erklärt Jannis Richter, Landwirt und Student der Agrarwissenschaften, der den Anbau auf dem Weltacker neben seinem Studium den Sommer über verantwortet. 20 bis 30 Stunden in der Woche braucht er von Mai bis Oktober, um die Kulturen in Schuss zu halten.  Die weiteren Mitglieder des insgesamt elfköpfigen Teams haben überwiegend andere Aufgaben wie  Führungen und Bildungsangebote, Marketing und Fundraising.
Neben den Führungen gehört auch ein kulturelles Programm zum Überlinger Weltacker. Im vergangenen Jahr fanden mehrere Konzerte und ein Theaternachmittag statt. Das Ackerklavier ist in einem wetterfesten Schrank auf dem Gelände untergebracht und darf auch von Gästen bespielt werden. Andreas Haslacher, freier Musiker aus der Region, hat das Eventmanagement übernommen. „In diesem Jahr möchte ich den Schwerpunkt auf improvisierte Musik legen”, berichtet er, „denn das, was ein improvisierender Musiker auf der Bühne leistet, hat für mich viel mit den Fähigkeiten zu tun, die wir als Menschheit brauchen, um auf diesem Planeten  miteinander auszukommen. Wenig ist bis ins Detail planbar. Aber wenn jeder seine Fähigkeiten einbringt und zugleich darauf achtet, dass sein Beitrag mit den anderen Künstlern harmoniert, kann etwas Schönes entstehen – auf der Bühne wie im echten Leben.”
Das Gelände befindet sich am Ortsausgang vom Überlinger Ortsteil Andelshofen direkt an der B31n und ist täglich von 8 bis 20Uhr geöffnet. Von Dienstag bis Sonntag gibt es je um 16Uhr eine öffentliche Führung. Weitere Führungen, Bildungs- und Kulturangebote unter www.ue berlinger-weltacker.de.

Hofläden und Biotop
Joachim Knoll freut sich über Kundschaft im Hofladen.
Knapp zehn Kilometer vom Überlinger Seeufer entfernt liegt der Ortsteil Lippertsreute  im Bodenseehinterland. Wer die schöne Landschaft genießen und zudem auch etwas über die hiesige Landwirtschaft erfahren möchte, kann dies auf dem Themenpfad Hofläden und Natur. Angelegt hat ihn die Gemeinde Lippertsreute.
Auf einer Strecke von 7,1 Kilometern liegen fünf verschiedene Hofläden. Beginnend im Ortskern von Lippertsreute geht es über den Schellenberg zum Obsthof Knoll mit frischem Obst der Saison und eigenen Edelbränden. Von hier sind es nur wenige Hundert Meter bis zum Hofladen Neuhaus, der unter anderem Bauernbrot und Nudeln führt. In weitem Bogen führt der Weg zum Sielmann-Biotop. Es ist Teil eines Netzes von neuen Lebensräumen für Tiere und Pflanzen in Sielmanns Biotop-Verbund Bodensee. Ziel ist es, dass sich Flora und Fauna erholen und verschwundene Arten zurückkehren können.
Weiter geht es zum Hagenweiler Hof mit seinen Käsespezialitäten. Der Rückweg zum Dorf führt über den Hippmannsfelder Hof mit eigener Metzgerei und den Hofladen Marquart mit Obst, Bränden, Eiern und Honig aus eigener Imkerei.
Die beste Zeit für diesen Themenpfad ist jeden Freitagnachmittag – denn dann haben alle Hofläden  geöffnet:  Wer den Obsthof Knoll direkt nach des-sen Mittagspause gegen 13 Uhr erreicht, kann sich hier und im ganztags geöffneten Hofladen Neuhaus Zeit lassen, bis der Hagenweiler Hof um 14 Uhr seine Türen öffnet. Bis der Hippmannsfelder Hof um 18 Uhr und der Hofladen Marquart um 18.30  Uhr schließen, sollte  die Runde abgeschlossen sein.
Neben Obst und Gemüse umfasst das Sortiment je nach Hofladen entlang der Route auch Wein, Schnaps, Honig, Nudeln, Eier und mehr.
Weitere Informationen zum Themenpfad  gibt es unter www.lgs.lippertsreute.de.
Übrigens: Der Regionalbus der Linie 7379 verbindet den Bahnhof Überlingen mit den beiden Ortsteilen Lippertsreute und Andelshofen.