Land und Leute | 29. Juli 2021

Von Hammerköpfen und Totenschädeln

Von Thomas Güntert
Dieses Mal sind wir mit „Urlaub bei uns” am Rande der Schweiz unterwegs: In Schaffhausen sind im Museum zu Allerheiligen archäologische Funde zu bestaunen. In Guntmadingen zeigt ein Sammler besondere Schätze: Schmiedehämmer und entsprechendes Werkzeug.
Über Schmiedehämmer und mehr lässt sich in diesem Museum staunen.
Wer das Hammerschmied-Museum in Guntmadingen das erste Mal betritt, ist überwältigt: Scheinbar unzählige Krafthämmer sind eng ineinander gestellt und füllen den Raum, in dem noch eine Esse steht und allerlei Schmiedewerkzeug herumliegt. In der kleinen Werkstatt nebenan klingt aus dem Radio Alphornmusik.
Erich Schwaninger ist durch sein angegliedertes Pflugmuseum weit über die Grenzen hinaus bekannt. „Mein Urgroßvater war der Dorfschmied”, sagt der fünffache Familienvater, der mittlerweile selbst sechsfacher Großvater ist. Nachdem er am offenen Feuer zuerst für seine alten Pflüge Scharen und Ersatzteile angefertigte, macht er mittlerweile aus Schrott Kunstgegenstände und schmiedet hochwertige Damaszenermesser.
Nachdem der 73-Jährige 20 Jahre lang einen Landwirtschaftsbetrieb mit einer Schweinezucht mit rund 600 Tieren bewirtschaftete und weitere 20 Jahre als Melkmaschinen-Servicemonteur unterwegs war, kann er sich voll seiner Sammelleidenschaft widmen. Neben über 100 Pflügen, die er in der ehemaligen Scheune und auf dem Hof verteilt hat, sammelte Schwaninger 20 teilweise tonnenschwere Schmiedehämmer aus jeder Zeitepoche. Der introvertierte Sammler bemerkt, dass im Mittelalter Schwanz- und Fallhämmer zum Freiformschmieden verwendet und dann vom Federhammer abgelöst wurden. In seiner ruhigen Art erklärt er die Funktionsweisen der verschiedenen Schmiedehämmer. Der größte ist ein rund vier Meter hoher Riemenfallhammer. Schwaninger zeigt auch die kleine Friktionsspindel, mit der er Pfannen pressen kann.
Erich Schwaninger zeigt das Schmiedehandwerk.
Im vergangenen Jahr kam mit einem Münz-Fallhammer eine weitere Rarität dazu. Das spezielle Gerät stammt ursprünglich von einer österreichischen Kutschenfirma, die im 18. Jahrhundert damit Verzierungen prägte. Schwaninger war eine Woche lang damit beschäftigt, das in Einzelteile zerlegte Sammlerobjekt zu restaurieren. Zudem ließ er zwei spezielle Stempel mit den Logos und den entsprechenden Inschriften der Museen anfertigen. „Die kosteten viermal so viel wie der ganze Fallhammer”, sagt Schwaninger. Die Besucherinnen und Besucher dürfen mit dem Münzfallhammer selbst eine Münze prägen, wobei der 60 Kilogramm schwere „Bär”, wie der Hammerkopf bezeichnet wird, mit einem Seil von Hand hochgezogen und dann wieder fallen gelassen wird. Mit einem lauten Knall schlägt der Bär mit einem Druck von etwa 50 Tonnen gleichmäßig auf den Stempel mit dem Rohling. „Der Hammer muss sofort nach dem Aufschlag abgefangen werden, damit er nicht nochmals aufschlägt und eine zweite Prägung verursacht”, sagte Schwaninger. Vergangenes Jahr nahm er alle Fallhämmer auf dem Hofplatz in Betrieb, und sein Freund Otto Haller drehte unter dem lauten Gedröhne einen Film, der auf der Homepage  aufgeschaltet ist. Zum Schluss des Rundgangs zeigt der leidenschaftliche Sammler auch noch einen Amboss aus dem Jahr 1845. Er stammt aus einem Kloster und trägt als Inschrift „ora et labora”. Bete und arbeite, sagt Schwaninger, während im Radio mittlerweile Schweizer Ländlermusik läuft.
Das Pflug- und das Schmiedemuseum in der Neuengasse 14 in Guntmadingen (SH) ist ab Bahnhof Beiringen mit dem  Bus der Linie 28, Ausstieg Dorf, zu erreichen. Erich Schwaninger bietet auf Voranmeldung Führungen für Vereine, Gruppen und Einzelpersonen an. Anmeldungen werden unter der Telefonnummer 0041-79/3524265 entgegengenommen. Weitere Infos  unter www.pflugmuseum.ch
Was Gräber erzählen
Die Anthropologin Sabine Landis kann mit ihren geschulten Augen den Skeletten dank der Spuren, die das Leben hinterlassen hat, allerlei Informationen entlocken.
Im wahrsten Sinne des Wortes spannend „bis auf die Knochen”, so lässt sich wohl zurecht die gleichnamige Ausstellung im Museum zu Allerheiligen in Schaffhausen bezeichnen: Bis zum 28. November läuft die archäologische Sonderausstellung mit dem Untertitel „Was Gräber erzählen”. Sie befasst sich mit altertümlichen Gräbern, die im Kanton gefunden wurden. Die Zeitepochen erstrecken sich von der Jungsteinzeit, etwa 4000 vor Christus, bis ans Ende  des Mittelalters.
Bereits im Foyer werden die Besucherinnen und Besucher mit der eignen Vergänglichkeit beziehungsweise der Unvergänglichkeit konfrontiert. Drei Schautafeln erklären den Zerfallsprozess vom Körper bis auf die Gebeine und erzeugen erste Schaudermomente. Zudem sind in einem Schaukasten nicht verrottbare Grabbeigaben ausgestellt – heutzutage dürften das möglicherweise Smartphone oder Bluetooth-Kopfhörer sein, die vielleicht in ein paar Tausend Jahren ausgegraben und den Archäologen von morgen einiges über das heutige Leben verraten.
In der eigentlichen Ausstellung gibt es acht Themeninseln mit Skelettresten und Grabbeigaben, die spannende Einblicke in verschiedene Fachgebiete, Zeitepochen und archäologische Arbeit geben. Gleich am Eingang liegt ein Skelett eines etwa 50 Jahre alten und 1,90 Meter großen Mannes, der im Mittelalter durch seine Körpergröße sicherlich in der Stadt aufgefallen war. Genetische und isotopische Untersuchungen von verheilten Verletzungen und den dicken Armknochen weisen darauf hin, dass der Hüne nicht nur friedlichen Umgang mit seinen Mitmenschen hatte.
Die Kuratorin Sabine Landis erklärt, was sie aus einem zerdrückten Schädel aus der spätromanischen Zeit ablesen konnte: Durch eine Röntgenaufnahme ließ sich herausfinden, dass der Mensch im Alter zwischen elf und 15 Jahren starb, wobei ein Milchzahn unter den vier Backenzähnen das Ergebnis bekräftigte. Das Geschlecht ließ sich allerdings nicht bestimmen.
Urnengräber werden in der Ausstellung freigelegtDie Kantonsarchäologin Katharina Schäppi erzählt, wie sie bei Ausgrabungen über eines von fünf Urnengräber stolperte. Die Verstorbenen wurden in der Spätbronzezeit schon verbrannt und die Überreste mit Beigaben in Urnen bestattet.
Ein Urnengrab wurde mitsamt der umgebenden Erde eingegipst, als Block geborgen, freigelegt und ausgestellt. Die vier weiteren bronzezeitlichen Urnengräber werden von einem Konservator und Restaurator unter anderem am Sonntag, 22. August, in der Ausstellung freigelegt, wobei ihm die Besucherinnen und Besucher über die Schultern schauen können. Eine Anthropologin beleuchtet am 8. August die neue Sichtweise auf alte Skelette. Am 21. September gibt es eine Übersichtsführung, und am 29. August werden die Grabriten in der alten und neuen Welt erklärt. Zudem gibt es interaktive Ausstellungselemente.
Modernste Analyseverfahren von Skeletten und Knochen bringen neue Erkenntnisse über die Lebensweisen unserer Vorfahren an den Tag.
Das Museum zu Allerheiligen präsentiert neben der Sonderausstellung unter anderem Zeugnisse aus der Klostervergangenheit, Archäologisches aus der Region, eine Antiken- und eine Kunstsammlung. Es befindet sich in der Schaffhauser Altstadt, unweit des Bahnhofs in der Klosterstraße 16. Die Öffnungszeiten sind Dienstag bis Sonntag von 11 bis 17 Uhr. Am ersten Samstag im Monat ist der Eintritt frei. Weitere Infos gibt es unter www.allerhei ligen.ch und unter Telefon 0041 52-6330777.
Fahrpläne für Bus und Bahn: www.fahrplan.sbb.ch oder www.bahn.de