Land und Leute | 06. Juli 2016

Den Hütekindern ein Denkmal gesetzt

Von Sylvia Pabst
Die diesjährige Ausflugsserie der Badischen Bauern Zeitung startet im Hochschwarzwald: Rund acht Kilometer lang ist der Hirtenpfad bei Raitenbuch – locker in einem halben Tag zu erwandern. Doch die Landschaft ist so abwechslungsreich und Rast- und Picknickplätze mit Aussicht gibt es einige, sodass auch ein gemütlicher Tagesausflug daraus werden kann – mit spannenden Blicken in die Vergangenheit.
„Vor Vollendung des 12. Lebensjahres dürfen Kinder nicht als Hütekinder verwendet werden.” So stand es einst im „Merkblatt zur Haltung von Hütekindern”, wie auf einer Tafel am Hochschwarzwälder Hirtenpfad zu lesen ist. Mit Blick auf Kinder von „verwendet” und „Haltung” zu sprechen, ist heute ein Unding. Noch dazu ging die genannte Altersfestlegung schlicht an der Realität vorbei.
Hier geht's lang.
Denn Kinder, meist Jungen, standen auch schon mit sieben oder acht auf der Weide. Das zeigen die Zitate auf den Tafeln, die entlang des abwechslungsreichen Wegs rund um Raitenbuch zu entdecken sind. Sie machen deutlich: Dieser  Premiumpfad hat es in sich. Die wunderschöne Landschaft, durch die er sich mit kleineren, auch mal steilen Auf- und Abstiegen schlängelt, darf nicht vergessen lassen, wie hart das Leben hier einst war: Vor der Erfindung des Elektrozauns übernahmen oft Kinder die Aufsicht über das Vieh auf den Weiden im Schwarzwald. Dabei waren dies nicht nur die eigenen Söhne oder Töchter auf den Höfen, sondern eben auch „Zugereiste”: In entbehrungsreichen Zeiten wie etwa nach dem Zweiten Weltkrieg mussten Großfamilien schauen, wie sie alle Kinder durchbrachten. So wurden einige – häufig aus der Stadt – für ein Jahr oder länger auf Schwarzwaldhöfe geschickt, wo sie – gegen oft spärliche Kost und Logis – meist barfuß bei Wind und Wetter dafür verantwortlich waren, dass kein Vieh auf der Weide ausbüxte. „Das war das beste Mittel gegen kalte Füße: Wenn ein Rind seicht, dann stellst du dich hinein und wärmst deine Füße und ebenso in den warmen Kuhfladen”, heißt es am Hirtenpfad.
Doch nicht nur vom Leben der Kinder berichten die Tafeln. Es wird beispielsweise auch deutlich gemacht, wie die Landnutzung verhindert, dass der Wald ins Tal wandert, oder wie ein Gletscher einst das Hochtal formte. Und dann gibt es noch weitere Entdeckungen entlang blühender Wiesen, lichte Waldstücke, Felsen und – eingezäunter  – Viehherden: Geschwungene Holzliegen laden unterwegs zum Verweilen ein, zwei davon am Brennbuckel sogar frei – zur Sonne – drehbar. Wer Glück hat, sieht hier über Schwarzwaldhöfe hinweg bis zu den Alpen. 
Unterwegs leuchtet eine Kerze an einem Baum. Im Kasten daneben ein Büchlein, in dem Wandersleute Anmerkungen oder Wünsche hinterlassen können.
Auf der Hälfte der Strecke bietet sich ein Picknick an: am „Alten Ahorn”, einem Platz, der an den dort einst stehenden Baum erinnert. Und eine Laterne mit Kerze, die unterwegs am Wegesrand baumelt, zieht ebenfalls die Blicke auf sich: Wer will, darf sich hier in einem Büchlein verewigen und seine Gedanken niederschreiben. Der Weg verläuft auf Höhen von 844 bis 1059 Metern.
Der Startpunkt des sehr gut ausgeschilderten Hirtenpfads ist leicht zu finden: Zum  Parkplatz Raitenbucher Höhe kommt man aus Richtung  Lenzkirch und Altglashütten über die K 4990 (Raitenbucher Straße). Der Abzweig zur Kapelle und dem 200 Meter dahinter liegenden Wanderparkplatz ist gut ausgeschildert. Wer von der B 500 kommt, biegt am Windgfällweiher Richtung Raitenbuch ab. Eine direkte Busverbindung dorthin gibt es leider nicht.
Der Weg, der den Hütekindern von einst ein Denkmal setzt, bietet schöne Ausblicke über Schwarzwaldhöfe hinweg.
Unbedingt an Leckereien fürs Picknick denken, der „Grüne Baum” in Raitenbuch hat entgegen verschiedenen Wegbeschreibungen im Internet sein Restaurant geschlossen. Am Ende der Tour lohnt ein Abstecher zum Windgfällweiher, der im Sommer zum Baden lockt, dort kann man auch in Schlehdorns Seehof  einkehren.