Land und Leute | 07. Juli 2021

Glockenschläge und Granitfelsen

Von Christian Engel/Sylvia Pabst
Wander- wie auch Technikbegeisterte kommen in dieser Folge von „Urlaub bei uns” voll auf ihre Kosten: Abwechslungsreiche Ausblicke und Wege bietet die Felsen-Tour bei Oberprechtal. Vom Glockengeläut glühende Ohren verspricht ein Besuch im Turmuhrenmuseum in Freiamt.
Hans Grafetstätters Herz schlägt für Turmuhren.
In einem ehemaligen Pferdestall neben dem Bauernmarkt von Freiamt stehen unter niedrigen Decken 50 Turmuhren. Es tickt aus allen Ecken, alle paar Minuten schlägt eine Glocke, ein Glöckchen. Man hört das Klicken der Mechanik, die einzelnen Rädchen, die einrasten und weiterlaufen. Hans Grafetstätter, 76 Jahre, läuft von Uhr zu Uhr, kurbelt die Gewichte hoch, gibt Pendeln einen Schubs. Er hat das Turmuhrenmuseum vor rund neun Jahren eröffnet. Er ist sozusagen der Glöckner von Freiamt.
In den 70ern beginnt er, kurz nachdem die Hochzeitsglocken für ihn und seine Frau geläutet hatten, Turmuhren zu sammeln. Als Naturwissenschaftler und damaliger Techniklehrer am Waldkircher Gymnasium ist er fasziniert von der hochkomplexen Mechanik der Uhren, von den unterschiedlichen Bauweisen, von der Ästhetik. Zum Teil bekommt er schrottreife Uhren: von Händlern, von Sammlern, nach Haushaltsauflösungen, später über Ebay. Jede einzelne baut er auseinander, befreit sie von altem Öl, entfernt Schmutzschichten. Er repariert sie, bringt die stillstehende Zeit wieder zum Laufen. „Was mich an den Uhren besonders interessierte, ist, dass jede einzelne eine Geschichte erzählt, einen Einblick in eine Epoche gibt.”
Da ist beispielsweise eine Turmuhr von 1760 ohne Minutenzeiger, weil die Menschen damals nicht nach Minuten lebten. Da ist eine Uhr eines Allgäuer Turmuhrenbauers aus der Mitte des 19. Jahrhunderts, der als Gewicht einen Stein aus dem nahe gelegenen Fluss nahm, weil Eisen zu teuer war. Da ist eine edle Wanduhr aus Lenzkirch, die der Chef einer Firma um 1920 im Büro hängen hatte, um die Arbeitszeit seiner Angestellten kontrollieren und exakt dokumentieren zu können.
Uhren wurden vor allem im 19. Jahrhundert immer wichtiger, als die Eisenbahnnetze in großem Stil ausgebaut wurden, die Menschen sich mehr und mehr nach Zugfahrplänen richteten. Bis dahin waren die einzigen Uhren von Dörfern und Städten häufig nur an einem Fleck zu sehen gewesen: hoch oben am Kirchturm. Daher war auch der Glöckner von so großer Bedeutung: War er unzuverlässig, vergaß er aus lauter Suff das Gewicht aufzuziehen, brachte er den Alltag einiger Menschen aus dem Takt, die sich verstärkt auf Uhrzeiten versteiften und ihren natürlichen Rhythmus verdrängten.
In gut anderthalb Stunden führt  Grafetstätter im Turmuhrenmuseum durch die Jahrhunderte, durch die Zeitgeschichte, die sich in den Turmuhren, Wanduhren, Kuckucksuhren widerspiegelt. Jedes Jahr kommen mehrere Hundert Besucherinnen und Besucher, wie er grob überschlägt.  „Herzlichen Dank für die spannende, zeitlose Führung”, schreibt eine Frau aus Denzlingen ins Gästebuch. „Ich habe heute ein Lebenswerk gesehen”, notiert ein Mann; ein Junge malt eine Glocke ins Buch.
Das Turmuhrenmuseum Freiamt hat von April bis Oktober immer freitags von 15 bis 17 Uhr geöffnet. Gruppenführungen sind nach Absprache jederzeit möglich. Anmeldung bei Hans Grafetstätter, Telefon 07645/8921.  Eintritt  frei, Spenden erwünscht. Die Haltestelle Freihof direkt am Museum ist mit Bus 211 ab Emmendingen Bahnhof zu erreichen. www.heimatverein-freiamt.de

Die Anstrengung lohnt
Mal über Wiesen und entlang von Weiden, mal durch den Wald schlängelt sich der Weg.
Jede Menge Abwechslung, plätschernde Bäche, weite Wiesen, tief eingeschnittene Täler, sich schlängelnde Waldwege, bemooste Steine, hügelige Landschaften, tolle Ausblicke, beeindruckende Bäume und schöne Rastplätze unterwegs – das und noch einiges mehr bietet die Felsen-Tour. Sie startet im Ortskern von Oberprechtal. Und ja, die zwölf Kilometer lange Strecke hat auch einiges an Auf- und Abstiegen zu bewältigen, doch die Anstrengung lohnt.
Von Elzach aus ist Oberprechtal gut mit dem Bus der Linie 7274 erreichbar. Wer an der Haltestelle „Post” aussteigt, hat auf dem Weg in Fahrtrichtung bis zur Kirche die Möglichkeit, bei einem Café  den Rucksackproviant mit Süßem zu krönen. Ansonsten bietet sich der Ausstieg „Kirche” an. Von Triberg kommend ist es die Haltestelle Alter Sportplatz. Wer mit dem Auto anreist, kann von der Waldkircher Straße in die Schulstraße einbiegen und bei der Touristinfo parken. An der Kirche folgen wir der sich nach rechts windenden Triberger Straße bis zur nahen Hammerschmiede, die noch bis in die 80er-Jahre in Betrieb war. Das heutige Museum zeigt eindrücklich, wie die Wasserkraft der Elz ein Hammerwerk antreibt.
Weiter führt der Weg bis zum Feuerwehrgerätehaus, wo es nach der Querung eines recht privat wirkenden Grundstücks erst mal im Zickzack bergauf geht. Die Felsen-Tour ist durchgängig mit einem roten Wegweiser ausgeschildert. Außerdem lässt manche Infotafel unterwegs staunen, etwa über den Schriftsteller Ernest Hemingway, der doch glatt 1922 in der Elz Forellen gefangen haben soll.
Nach rund fünf Kilometern entlang von Wiesen und durch Wald lockt direkt an einem schönen Rastplatz der einfache Anstieg auf den Huberfelsen, der einen schönen Rundumblick bietet. Seinen Namen hat er von Theodor Huber (1758−1816), einem ehemaligen Obervogt, der sich einst für den Bau von Straßen, aber auch für die Förderung der Landwirtschaft eingesetzt hat.
Immer wieder in den Blick kommen unterwegs Windräder, an denen vorbei es hoch zur Prechtaler Schanze auf gut 800 Meter Höhe geht, einem rund 300 Jahre alten, mittlerweile recht zugewachsenen Bauwerk zur Abwehr französischer Truppen. Auch hier führt der Weg an einem Rastplatz vorbei, bevor es weiter gemächlich bergab zum Pfauenfelsen geht, auf dem ein riesiges Holzkreuz steht. Hier reicht der Blick bei gutem Wetter bis zum Kaiserstuhl und in die Vogesen.
Durch den Wald geht es bergab, und nach so vielen schönen Eindrücken könnte die Versuchung dann groß sein, einem Wegweiser zu folgen, der die Tour abkürzt und Oberprechtal in zwei Kilometern Entfernung ankündigt. Doch wer noch Energie hat, widersteht: Die Felsen-Tour hat noch einiges zu bieten. Denn nach einem Stück breiten Forstwegs öffnet sich die Landschaft wieder mit grün leuchtenden Wiesen und vereinzeltem bis lockerem Baumbestand. Sieht fast ein wenig wie auf der Schwäbischen Alb aus, nur dass hier keine
Wacholderbüsche stehen. Nach der Querung einer Wiese geht es schließlich nochmal in den Wald, vorbei an Granitquadern und einer Steinhalde, dem sogenannten Felsenmeer. Im weiteren Verlauf wird es lichter, hier wirkt fast südliches Flair dank Eichen und Kiefern am Wegesrand. Und tatsächlich wurde in diesem Gebiet  einst die Rinde der Eichen, die ein Stück über dem Boden abgesägt wurden, abgeschält, getrocknet und als Ledergerbmittel verkauft. So verrät es eine Tafel.
Zurück in Oberprechtal gibt
es die Möglichkeit, im Kurpark bei der Touristinfo zu verweilen oder sich in der Wassertretstelle zu erfrischen. Einkehrmöglichkeiten bieten zudem der Landgasthof Rössle in der Triberger Straße 35 oder etwas edler Schäcks Adler in der Waldkircher Straße 2.
www.zweitaelerland.de/Media/Tourenfinder/Felsen-Tour-Elzach-Oberprechtal
Schönen Ausblicke bietet der Huberfelsen. Er ist leicht zu erklimmen.