Land und Leute | 20. April 2016

„Mir hen fir a ganze Woch glacht!”

Von Sylvia Pabst
Das Fest anlässlich des 40-jährigen Bestehens der Landesarbeitsgemeinschaft Urlaub auf dem Bauernhof kam bei den Gästen bestens an. Im schwäbischen Metzingen, fast im geografischen Mittelpunkt des Landes, wurde ein buntes Programm geboten, das für viel gute Laune sorgte.
Bauchredner Addy Axon versteht seine Kunst: Per Handruck signalisiert er "Oskar" seinen Mund zu öffnen, gleiches gilt für "Susi". Beiden leiht er entsprechend seine Stimme.
Die einen reisen im extra gecharterten Reisebus an, die anderen kurven umher, um einen angemessenen Parkplatz zu ergattern. Emsiges Gewusel  in Metzingen. Wer sich beim Lesen dieses Stadtnamens nun sofort in die dortige Outletcity versetzt sieht, liegt falsch. Ort des Geschehens ist dieses Mal die Festkelter mitten in der Stadt. Hier wird niemand wie im Schnäppchenparadies mit kostenlosen Parkplätzen verwöhnt, das soll die Laune aber nicht trüben. Der Anlass ist auch kein Kaufrausch, sondern ein besonderer Geburtstag: Die in Freiburg ansässige Landesarbeitsgemeinschaft Urlaub auf dem Bauernhof (LAG) feiert fast exakt im geografischen Mittelpunkt des Landes ihren 40. Geburtstag. Mitten in Schwaben. Hanoh! So weltoffen sind also die Badner.
Constanze Bröhmer bietet eine gelungene Zeitreise in der schön geschmückten Festkelter.
Zuständig ist die LAG für acht Anbietergemeinschaften, die über das Land verteilt sind:  Bodensee,  Kraichgau-Stromberg, Hohenlohe-Franken, Taubertal, Schwarzwald, Ostalb/Schwäbischer Wald/Stauferland, Schwäbische Alb und Odenwald.
1976 wurde die Vereinigung geboren – das bescheinigt die Gründungsvereinbarung, die bei einer abwechslungsreichen Präsentation eingeblendet wird: Geschäftsführerin Constanze Bröhmer hat ganze Arbeit geleistet und dank vieler Helferinnen und Helfer spannende Fotos zusammengetragen, um die vergangenen 40 Jahre Revue passieren zu lassen. Bilder von Feriengästen, einst eher als „Fremde” gesehen, etwa neben dem Landwirt auf einem Traktor anno dazumal oder bei einer Pause mit der Bauersfamilie am Feldrand wechseln sich ab mit Fotos politischer oder gesellschaftlicher Ereignisse. Sie reichen von der Wahl Helmut Schmidts zum Bundeskanzler über den Mauerfall bis hin zur Fußball-WM. Garniert wird das Ganze durch grandiose filmische Einspieler, jüngst entstanden auf dem Steiertbartlehof in Oberried. „Hilda” und „Franz” lassen dank antiquierter Requisiten eindrücklich miterleben, wie es einst war, als das erste Fax kam und später das Modem mit wildem Rauschen und Gepiepse eine Buchungsanfrage ankündigt. Heute werden Buchungsanfragen dank Handy an jedem Ort entgegengenommen, selbst auf dem Traktor: „Franz” vollzieht und bestätigt  mit seinem Tablet die Buchung binnen weniger Minuten. So sehr hat sich also die Technik in den vergangenen vier Jahrzehnten verändert.
Edeltraud Brunner freut sich über Joachim Haucks lobende Worte
Der Applaus ist Constanze Bröhmer sicher für diesen gelungenen Rückblick. Zuvor hat Vorsitzender Karl Rombach in seiner Begrüßung gelobt, wie sich die Qualität des Ferienangebots auf den Höfen kontinuierlich gesteigert hat. Ministerialdirigent Joachim Hauck, der in Vertretung von Minister Alexander Bonde (Grüne) spricht, bläst ins gleiche Horn. Er ist sich sicher, dass das Angebot Urlaub auf dem Bauernhof und damit auch die LAG von Anfang an „eine sehr gescheite Idee” waren. 1976, das Geburtsjahr der Landesarbeitsgemeinschaft, bezeichnet er zum einen als Krisenjahr für die Landwirtschaft:  Es war  – Zitat – „furztrocken”. Zum andern sei die Zeit wohl einfach reif gewesen, die LAG zu gründen. Die folgenden Jahre geben den einstigen Gründungsmitgliedern recht, entwickelt sich doch der Tourismus im Land zu einem starken Wirtschaftsfaktor und zu einem wichtigen Standbein vieler Höfe. Hauck streift Themen wie die kontinuierliche Ausweitung der Weiterbildungsangebote für Anbieterinnen, die Förderungsmöglichkeiten durch Land und EU, aber auch baurechtliche Hürden, die im Bereich Urlaub auf dem Bauernhof immer wieder für Unverständnis sorgen. Er regt hier mit Blick auf die Politik an, „neu nachzudenken”.
Die acht Anbietergemeinschaften stellen sich vor.
Natürlich darf auch die Stimme der acht Anbietergemeinschaften bei diesem Geburtstag nicht fehlen. Sie stellen sich und ihre Region in Reimform dem Publikum vor, bestens unterstützt von den Fleggarätschern, die bei den meisten der vorgetragenen Texte die Feder geschwungen haben und die Präsentation musikalisch umrahmen. Das tun sie – ihr Name lässt es ahnen – im breitesten Schwäbisch, übrigens genauso wie Edeltraud Brunner, Stellvertreterin Rombachs, die gutgelaunt durchs Programm führt.
Ein weiterer Höhepunkt ist zweifelsohne ein seriös wirkender Herr im dunklen Jackett, hellblauem Hemd und gemustertem Krawattenschal. Nein, kein Banker, stattdessen ein Gastredner der besonderen Art: Addy Axon versteht es hervorragend, gemeinsam mit seinen plüschigen Freunden Egon und Otto, denen der Bauchredner seine Stimme leiht,  zu begeistern: Was diese zwei sich alles trauen dem Publikum zu sagen, sorgt für jede Menge Heiterkeit. Noch dazu, wo Egon gar die „No Angels”, die „Golden Girls” und ansonsten jede Menge „Schlafsäcke” im Saal ausmacht.  Addy Axon schafft es dann noch, zwei Gäste aus dem Publikum auf die Bühne  zu locken. Er verwandelt sie erfolgreich in die „Puppen” „Susi” und „Oskar”, die auf Händedruck den Mund weit öffnen, während der Bauchredner ihnen eine Stimme gibt. Als auf diese Weise das Lied  „Mein kleiner grüner Kaktus” erklingt, tobt der Saal. Edeltraud Brunner fasst die Begeisterung in Worte: „I glaub, mir hen fir a ganze Woch glacht!”
Ein weiterer Auftritt der Fleggarätscher folgt. Ihnen fällt so einiges ein, was die Lachmuskeln weiterhin auf Trab hält – etwa beim Thema Wasserbett: Sorgt es zu Beginn der Anschaffung für „Wogen der Erotik”, heißt das Ende der Geschichte „Totes Meer”.
Karl Rombach ist überzeugt, dass sich die Qualität von Urlaub auf dem Bauernhof in den vergangenen 40 Jahren kontinuierlich verbessert hat.
Spannung bringt dann noch eine „Live-Schaltung” zu RTL: Die Generalprobe zu  „Wer wird Millionär?” ist heute in Metzingen angesagt. Da Günther Jauch der Weg ins Schwäbische zu weit ist, noch dazu, wo der Berliner Flughafen noch immer nicht fertig ist, springt eben LAG-Beisitzerin Vera Schuler als versierte Moderatorin ein. Michael Riesterer wiederum ist der Kandidat, der sein Wissen – oftmals mit Hilfe des Publikums – rund um die Landesarbeitsgemeinschaft unter Beweis stellen darf.
Die gute Laune in der Festkelter zeigt: So macht Geburtstag feiern Spaß! Ein abwechslungsreiches Fest, dessen positive Stimmung auch im Alltag rund um Urlaub auf dem Bauernhof anhalten möge – ganz im Sinne Constanze Bröhmers optimistischer Ansage: „Blick voraus!”

 
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"Mir hen fir a ganze Woch glacht"